Hamburg/Kiel . Schleswig-Holstein tastet sich in die touristische Normalität zurück. Warum das in Hamburg noch länger dauern könnte.

Die Corona-Pandemie trifft den Tourismus im Norden ins Mark. Im Vergleich zu Flächenländern wie Schleswig-Holstein hat es Großstädte wie Hamburg aber noch härter erwischt - dementsprechend länger könnte die Erholung dauern, wie eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) nahelegt.

„Kulturveranstaltungen, Messen und geschäftliche Reisen sind zentrale Säulen des Hamburger Tourismus und besonders durch die Einschränkungen der Pandemiebekämpfung betroffen“, schreibt das IfW in der am Freitag veröffentlichten Studie. Die seit Juni geltende Lockerung des Beherbergungsverbots kann demnach erst durchschlagen, „diese Anziehungspunkte ebenfalls wieder uneingeschränkt Besucherinnen und Besucher in die Stadt bringen können“.

Urlaub: Mehr Touristen an Ostsee und Nordsee

Die jüngsten Zahlen des Statistikamtes Nord zeigen, dass der Tourismus im April in Hamburg weiter am Boden lag, während in Schleswig-Holstein bereits im April erste regionale Besserungstendenzen zu erkennen waren. Das liegt im nördlichsten Bundesland daran, dass dort die Corona-Zahlen besonders niedrig waren und das Land früh schrittweise für Touristen aus anderen Ländern öffnete: Am 19. April war in der Schleiregion plus Eckernförde die erste Tourismus-Modellregion gestartet. „Bezogen auf die Anzahl der Gäste konnte in der Modellregion Ostseefjord Schlei knapp die Hälfte der Gästezahlen des April 2019 erreicht werden, während es in Eckernförde knapp zwei Drittel waren“, erklärten die Statistiker.

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In den landesweiten Zahlen geht dieser Effekt rechnerisch unter: Im April übernachteten insgesamt 88 000 Gäste zwischen Nord- und Ostsee, rund 12 000 mehr als im März und 36 000 mehr als im Februar. Gegenüber dem ersten Lockdown-Monat April 2020 ergibt sich daraus zwar ein Zuwachs von knapp 205 Prozent, wie das Statistikamt Nord am Freitag in Kiel mitteilte. Aussagekräftiger ist allerdings der Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019: Im damaligen April waren 763 000 Gäste in Schleswig-Holstein gezählt worden.

Schleswig-Holstein: Tourismusorte teils ausgebucht

Für den Mai dürfte der Trend weiter nach oben zeigen. Am 1. Mai hatte auch der Kreis Nordfriesland mitsamt seinen Inseln und Halligen als zweite und größte Modellregion den Tourismus wieder hochgefahren. Mehrere Ostsee-Ferienorte an der Lübecker Bucht folgten am 15. Mai. Seit dem 17. Mai steht das gesamte Bundesland wieder Touristen offen. „Auch wenn der Sommer eine gute bis sehr gute Buchungslage zeigt und unsere Tourismusorte teils schon ausgebucht sind, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass das bis jetzt verlorene Geschäft kaum aufzuholen sein wird“, sagte die Geschäftsführerin der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein, Bettina Bunge.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

In Hamburg, vor der Pandemie neben Berlin ein Magnet für einheimische und internationale Reisende, kamen im April lediglich 64 000 Gäste an, 9000 weniger als im März. Rechnerisch ergibt sich im Vorjahresvergleich zwar ein Zuwachs von 185 Prozent. Allerdings war der April 2020 der erste Lockdown-Monat, in dem das öffentliche Leben samt Tourismus praktisch zum Erliegen gekommen war. Zum Vergleich: Im April 2019 waren 656 000 Gäste nach Hamburg gekommen. Übernachtungen in Hotels und Pensionen sind in Hamburg erst wieder seit Anfang Juni möglich.

Keine Erholung für Tourismusbranche in Hamburg

Dass die Erholung in der Hansestadt noch länger auf sich warten lassen könnte, liegt nach Einschätzung des IfW an der besonderen Struktur des Hamburger Tourismus. Zwar waren innerdeutsche Reiseziele in der Pandemie bei Urlaubsreisenden beliebter als im Vorjahr.

 „Davon profitierten Großstädte wie Hamburg allerdings wenig“, erklärt Studienautorin Levke Jessen-Thiesen - eben weil Städtereisen angesichts ausfallender Messen, Musicals und Events kaum attraktiv waren. „Diese Anziehungspunkte fallen auch im Jahr 2021 vermutlich noch für eine Weile weg. Solange bleibt Hamburgs Attraktivität als touristisches Ziel - ob für private oder geschäftliche Reisen - weiter eingeschränkt.“