Hamburg. Kein grüner Daumen? Macht nichts. Mit der App des Start-ups simplePlant blüht Basilikum und Co. ein langes Leben. Wie das funktioniert.

Angefangen hat es beim Aufräumen in der Küche seiner Studenten-Wohngemeinschaft. „Ich habe mich damals total geärgert, als ich ein halbes Dutzend Töpfe mit verwelkten Kräutern wegwerfen musste“, sagt Felix Witte. Immer wieder war dem angehenden Physiker das schon passiert. Vor allem im Winter wollten Basilikum, Schnittlauch oder Zitronenthymian so gar nicht auf der heimischen Fensterbank gedeihen.

„Zum Schluss bleibt immer ein Plastiktopf übrig, der im Müll landet“, sagt er. „Nachhaltig ist das nicht.“ Auch bei seinen Freunden Ben Märten und Pablo Reimers waren die Überlebenschancen für die Kräutertöpfe kaum besser, die sie zum Kochen oder auch für den Einsatz als Tee oder für Cocktails gekauft hatten. Es hat nun mal nicht jeder einen grünen Daumen. Das war der Moment, als die drei anfingen, über das Gärtnern in der Wohnung nachzudenken.

Garten für drinnen: Ein langes Leben für Kräuter dank simplePlant

Indoor-Farming liegt gerade im Trend. Die Burger-Kette Peter Pane etwa züchtet inzwischen in einigen Filialen Salat und Kräuter direkt im Lokal. Verschiedene Anbieter, darunter große Küchengerätehersteller wie Bosch oder der Haushaltsartikelproduzent Emsa, haben Minigewächsstationen für den Hausgebrauch im Programm. Aber das, was die drei jungen Hamburger wollten, gab es nicht: ein intelligentes System, das über das Smartphone steuerbar und auslesbar ist. Mit Erntegarantie für frische Kräuter und knackige Salate sozusagen. Das war vor gut vier Jahren.

Jetzt sitzen sie im Küchen Atelier in Winterhude. Auf einem Tisch zwischen edlen Bulthaup-Küchen steht ihr SmartGarten. „Damit bringen wir Natur in die Wohnung – und zwar das ganze Jahr über“, sagt Ben Märten. Das Pflanzsystem steckt in einem handwerklich gefertigten Holzkorpus mit allem, was das Grünzeug zum Wachsen braucht: Licht, Wasser und Nährstoffe. Überwacht wird der Weg vom Samenkorn zur Pflanze über eine eigene App.

Hydrokultur bringt den Durchbruch

Der Weg zum eigenen Heimgarten war lang und manchmal auch holprig. Als das Trio 2017 anfing, eine eigene Lösung zu entwickeln, wollten sie eigentlich nur was für den Hausgebrauch. Sie bauten Pflanzkästen, experimentierten mit Leuchtstoffröhren und LEDs. „Aber wir haben schnell gemerkt, dass das Licht allein noch nicht zum Erfolg führt“, sagt Pablo Reimers.

Zwischen Vorlesungen und Prüfungen in den Fachrichtungen Physik und Wirtschaftsingenieur kämpften sie mit Schädlingen wie Trauermücken und gegen vertrocknete Stängel, arbeiteten sich immer tiefer in die Pflanzenkunde ein. „Irgendwann haben wir es dann mit Hydrokultur probiert“, sagt Reimers, der im Team für alles Biologische zuständig ist. Die Pflanzen wachsen mithilfe von Pflanzkapseln, die klassische Erde ersetzen und Halt geben, in einer flüssigen Nährlösung aus Wasser.

Das war der Durchbruch – und der Moment, als aus der Spielerei eine Geschäftsidee wurde. Seitdem haben die technologieaffinen Hobbygärtner diverse Versuche in ihren Küchen gemacht, um die Datengrundlage für den smarten Inhausgarten zu schaffen.

SmartGarten: Sieht gut aus und ist natürlich

Parallel entwickelten sie das Design für ihren SmartGarten. Er besteht aus einem Behälter aus Eichenholz, Edelstahl und Aluminium etwa in der Größe eines Balkonblumenkastens (57 mal 52 mal 20 Zentimeter). Im unteren Teil steckt ein 7,5-Liter-Tank für die Nährstofflösung samt Sensorikeinheit. Diese ist über einen Stahlträger mit der Steuereinheit in dem Deckenelement verbunden, die auch die Beleuchtung über ein LED-Panel regelt.

„Uns war wichtig, dass unser Produkt gut aussieht und aus natürlichen Materialien besteht“, sagt Ben Märten, der inzwischen Geschäftsführer des im März gegründeten Start-ups simplePlant­ ist. Dazu gibt es passende Pflanzkapseln, die sie simpleCups nennen. Die Cups, etwa in der Größe von Teelichtern, bestehen aus biologisch abbaubaren Pflanzenfasern, enthalten Biosamen und werden mithilfe von Netztöpfen in den Deckel des Behälters eingesetzt – in jeweils zwei Beeten à drei Pflanzen.

Wenn die Ampel Rot zeigt, muss gehandelt werden

„Die Wurzeln entwickeln sich schon in wenigen Tagen. Die erste Ernte ist je nach Sorte ab der vierten Woche möglich“, sagt Co-Gründer Felix Witte, der für Entwicklung und Produktion zuständig ist. Überwacht wird das Wachstum über das Smartphone mit einer App, in die die Sensordaten aus dem smartGarten über Bluetooth übermittelt werden. So lässt sich mit einem Klick überprüfen, ob genug Wasser im Tank ist, ob Nährstoffe nachgefüllt werden müssen und wann die Ernte starten kann. Auch Lichtzyklus sowie -stärke werden so gesteuert.

Dabei verwenden die Gründer ein Ampelsystem. Spätestens, wenn ein Bereich auf Rot springt, ist Zeit zum Handeln. Mehr als 150.000 Euro stecken inzwischen in der Entwicklung des SmartGartens, eigenes Geld sowie ein Förderkredit. Die drei sind so überzeugt von ihrem Gartenersatz in den eigenen vier Wänden, dass sie inzwischen hauptberuflich in ihrer Firma arbeiten. Seit einiger Zeit lassen sich unter anderem im Küchen Atelier am Goldbekplatz oder bei Stadtsalat an der Großen Theaterstraße die ersten Prototypen besichtigen.

Der Preis liegt bei 390 Euro inklusive Starter-Kit mit einem Sechserpack Pflanzcups, die teilweise mehrfach abgeerntet werden können, sowie einem Wachstumsdünger. Jede weitere Packung kostet zwischen 5 und 7 Euro. Aktuell gibt es sechs Varianten von Basilikumvariationen über heilende Kräuter bis Asia-Salate. Erhältlich sind auch leere Cups – für eigenes Saatgut. Die kosten 3 Euro. „Wir haben inzwischen die ersten 50 Bestellungen für den smartGarten“, sagt simplePlant-Geschäftsführer Märten. In der dritten Novemberwoche sollen die ersten Indoorgärten ausgeliefert werden.

simplePlant: Bald soll es auch Tomaten und Chili für den Minigarten geben

Die Gründer haben noch einiges vor. In den nächsten Wochen startet die Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg. Bei dem Forschungsprojekten mit dem Institut für Pflanzenwissenschaften und Mikrobiologie geht es unter anderem um die Optimierung der Ernte in Bezug auf Nährstoffgehalt und Biomasse, die Minimierung des Ressourceneinsatzes sowie Vergleiche der Anzucht in Hydrokultur und Erde. Parallel sind die Jungunternehmer auf der Suche nach Investoren, um ihr Angebot auszubauen.

Im nächsten Jahr soll es den smartGarten in weiteren, auch kleineren Ausführungen geben. Schon fest geplant sind die Datenübertragung per WLAN und eine Erweiterung des Pflanzenangebots um Tomaten und Chilis: „Im Prinzip geht alles. Sinn macht aber vor allem, was man in kleinen Mengen in der Küche braucht und was Freude macht.“