Hamburg. Der Gründer der Hamburger Marke macht nie Pause: Im Abendblatt spricht er über neue Sorten, sein erstes Buch – und Zukunftspläne.
Der Mann hat eine neue Getränkemarke gegründet, führt die Firma seit fast 20 Jahren erfolgreich und schafft es dabei, sein Image als Rebell mit frechen Kampagnen zu bewahren. Warum, um Himmels willen, muss man dann noch ein Buch schreiben? Mirco Wolf Wiegert lächelt sanft. Die Frage hat er erwartet. Natürlich. Auch wenn zuletzt häufiger Unternehmer und Manager eigene Werke veröffentlicht haben, ist der Gründer von Fritz-Kola früh dran mit der Selbstbeschau zwischen Buchdeckeln.
„Auf der einen Seite ist es die Fritz-Geschichte“, sagt der 46-Jährige. „Auf der anderen Seite habe ich als Gründer viel zu erzählen, und das kann eine Inspiration für andere sein.“ „Fritz gegen Goliath“ heißt das Buch, das fünf Jahre nach dem Ausstieg von Mitgründer Lorenz Hampl vor Kurzem erschienen ist. „Das war eine Zäsur“, sagt Wiegert.
Getränkeindustrie: Was der Fritz-Kola-Gründer für die Zukunft plant
Der Chef von 300 Mitarbeitern, den Fritzen im internen Sprachgebrauch, hat lange an seinem Manuskript gearbeitet. Gemeinsam mit einem Ghostwriter, wie er es nennt. Es war Wiegert wichtig, die ganze Geschichte vom Gründungsmythos, mit 7000 Euro Startkapital eine eigene Cola-Marke aufzubauen und den Weltkonzern Coca-Cola herauszufordern, bis heute zu erzählen. Seine Merksätze für die Chefs von morgen hat er gut sichtbar mit Schwarz unterlegt – passend zum Markenimage.
Im Frühjahr 2020 war die erste Fassung des 300-Seiten-Buchs fertig, dann kam Corona. Und anstatt den lange geplanten Urlaub anzutreten, zog Wiegert mit einem kleinen Team in der Firmenzentrale in den Kampf um die Zukunft seines Unternehmens. „Die Umsätze waren praktisch von einem Tag auf den anderen um 80 Prozent eingebrochen“, sagt der Fritz-Kola-Chef. Vor allem die Schließung von Restaurants, Bars und Clubs setzte der Brause-Marke zu. Wenn er vorher gedacht hatte, eine forderndere Situation als das Ausscheiden seines Mitgründers samt dessen Kapitalanteil und der folgende Gesellschafterwechsel könne es für sein Unternehmen nicht geben, wusste er es spätestens da besser.
Wiegert wuchs in colafreier Küche auf
Inzwischen ist das mehr als ein Jahr her. Wiegert, schwarzes Fritz-Kola-Sweatshirt, grüne Dr. Martens-Boots, Schnell- und Leisesprecher, sitzt in einem Konferenzraum in der zweiten Etage eines Bürogebäudes an der Spaldingstraße. „Wir sind gut durch die Krise gekommen. Auch weil wir die Umsatzausfälle in der Gastronomie im Handel ausgleichen konnten.“ Während viele Start-ups sich hippe Immobilien in Szenevierteln leisten, sieht es bei Fritz-Kola eher aus wie bei einer Studentenfirma, mit viel Holz, Betonwänden, gestapelten Getränkekisten.
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Eine Auswahl der erreichten Auszeichnungen steht ein bisschen angestaubt auf einem Regal. Einzelbüros sind abgeschafft. Wie alle Mitarbeiter sucht Wiegert sich einen freien Platz, an dem er morgens seinen Laptop aufbaut. Seit 2017 führt der gebürtige Hamburger, der bei seiner alleinerziehenden Mutter in einer colafreien Küche aufgewachsen ist, das operative Geschäft von Fritz-Kola gemeinsam mit dem Getränkemanager Winfried Rübesam. Mit zwei Dritteln der Firmenanteile ist er zudem Mehrheitseigner. Als Gesellschafter sind Florian Rehm aus der Unternehmerfamilie Mast (Jägermeister) und nach dem Tod von Dirk Lütvogt, Chef des Abfüllbetriebs Auburg Quelle, dessen Nachfolger an Bord.
Corona-Pandemie trifft auch Fitz-Kola – schlimm ist das nicht
Aktuell produziert die Getränkemarke, nach wie vor mit dem Konterfei der beiden Gründer im Logo, 15 Softdrinks in drei Größen, darunter neben fünf Cola-Sorten auch Brausen und Schorlen mit Rhabarber, Honigmelone oder Mate. Zuletzt ging eine neue Bio-Fritz-Kola an den Start. „Wir werden auf jeden Fall weitere Sorten herausbringen. Unser Sortiment lebt“, sagt Unternehmer Wiegert. Mehr will er nicht verraten. Auch Geschäftszahlen gibt das Unternehmen nicht bekannt.
Nach dem letzten im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschluss betrug das Rohergebnis für 2019 51 Millionen Euro, das Betriebsergebnis nach Steuern lag bei 5,5 Millionen Euro. Damals hatten die Geschäftsführer ein Umsatzwachstum von bis zu 20 Prozent prognostiziert. Jetzt sagt Wiegert: „Wir haben die Planzahlen nicht erfüllt. Jeder Lockdown kostet.“ So richtig schlimm findet er das offenbar nicht. „Die größten Fehler bei Fritz-Kola haben wir immer dann gemacht, wenn wir zu viel Geld hatten“, sagt er. „Sobald Corona sich beruhigt, sind wir wieder auf der Erfolgsspur.“
Fritz-Kola soll europäisch werden
Damit meint er die weitere Expansion. Schon jetzt kann man Fritz-Kola von der portugiesischen Atlantikküste bis zum Ostseestrand in Estland trinken, von der Adria bis nach Irland. „Wir wollen von Hamburg aus mit Fritz-Kola eine europäische Cola werden“, sagt der Unternehmer. Dabei liegt der Fokus auf der Gastronomie und dem Ausbau des Mehrwegsystems – auch in Ländern, die das noch nicht haben. Derzeit liefert das Unternehmen aus fünf dezentralen Abfüllbetrieben. „Eine Liter-Flasche aus Plastik wird es bei uns nicht geben.“
Das zielt klar in Richtung der ganz großen Konkurrenten Coca-Cola oder Pepsi. Das Image von David gegen Goliath, der Kampf der jungen Wilden gegen das Establishment, war von Anfang an Teil der DNA des Hamburger Start-ups – und wichtig für den Erfolg gerade auch beim jungen Publikum. Immer wieder macht Fritz-Kola mit provokanten Kampagnen auf sich aufmerksam, wettert gegen Politiker wie Trump, Putin oder Erdoğan, ruft zum Wählen auf, klagt soziale Ungerechtigkeiten an oder macht mobil gegen rechten Populismus.
„Politische Positionen zu beziehen ist immer dünnes Eis und fordert einen starken Rücken“, sagt Fritz-Kola-Chef Wiegert. Haltung ist ihm wichtig, als Unternehmer sieht er sich in der gesellschaftlichen Verantwortung. Dass das Jüdische Museum in Berlin eine Fritz-Kola-Flasche als Ausstellungsstück für ein neues Deutschland zeigte, macht ihn stolz.
„Wir surfen die Welle nicht, wir machen die Welle“
Aber wie unangepasst kann ein Unternehmen sein, das letztlich nicht viel anders produziert wie die meisten anderen? Wann werden Kampagnen zur Eigenkampagne und damit zum Marketinginstrument? Mirco Wolf Wiegert, der Mittelname ist ihm wichtig, schüttelt den Kopf. „Wir surfen die Welle nicht, wir machen die Welle.“ Größe, Wachstum, Umsätze? Ja, das ist auch wichtig, aber nicht alles. „Wir sind seit der Gründung bis heute ein Indie-Brand und nicht abhängig von einem Konzern.“ Das soll so bleiben. Größe, sagt er, ist für ihn Mittel zum Zweck.
In seinem Buch hat er ein ganzes Kapitel dem Thema Unabhängigkeit gewidmet. Er habe schon viele Übernahmeangebote bekommen. Bislang hat er immer abgelehnt. „König der Gegenmeinung“ hat ihn eine Professorin an der HAW, wo er nach seiner Ausbildung als Speditionskaufmann Außenwirtschaft und internationales Management studiert hat, mal genannt.
Im Nachhinein hätte er lieber ein Bier-Label gegründet
„Ich weiß, dass ich ein Plagegeist für meine Umgebung sein kann“, sagt er, wenn man ihn fragt, wie angepasst er persönlich ist. Viel mehr gibt er vom Privatmann Micro Wolf Wiegert nicht preis. Er fährt viel Rad, ist FC-St.-Pauli-Fan. Allerdings, betont er, „ohne Ahnung von Fußball zu haben“.
Vom Gründen hat er dagegen offenbar eine Menge Ahnung. Aber er sagt auch, wenn er sich heute noch mal selbstständig machen würde, würde er es mit einem Bier-Label machen. „Das eine ist, eine gute Cola zu produzieren, das andere sie langfristig auf dem Markt zu halten.“ Sicher war dieser Erfolg nicht immer. Offenbar trifft er auch mit seinem Buch, das beim Ullstein-Verlag Econ erschienen ist, den Nerv. Es ist bereits in der zweiten Auflage gedruckt und hat es auf Platz 17 der Wirtschaftsbücher-Bestsellerliste des „Manager Magazins“ geschafft. Die englische Fassung ist in Vorbereitung.