Hamburg. Mit dem Kaffeedurst der Europäer fing es an. Die Reederei hat in der Schifffahrtsbranche noch immer einen guten Namen. Ihre Geschichte.

Es waren wohl der wachsende Kaffeekonsum hierzulande und die Erkenntnis, dass aus Südamerika noch mehr in Europa begehrte Waren zu holen sind, die eine Reihe distinguierter Besucher am 4. November 1871 mittags um halb 12 Uhr in die Räume eines Notarbüros in der Großen Johannisstraße 13 führte.

Die Herren Woermann, Bolten, Laeisz, Tesdorpf, Burchard, Berenberg und weitere herausragende Vertreter der Hamburgischen Kaufmannschaft hatten sich eingefunden, um eine Aktiengesellschaft namens Hamburg-Südamerika­nische Dampfschiffahrts-Gesellschaft zu gründen. Es war die Geburtsstunde der Reederei, die noch heute vielen Hamburgern unter dem Kurznamen Hamburg Süd geläufig ist.

Hamburger Hafen: Hamburg Süd von großer Bedeutung

Am Donnerstag ist das 150 Jahre her, und das Unternehmen ist seitdem nicht nur ein wichtiges Element der Welthandelsstadt Hamburg, ohne das der Hafen nie die Bedeutung erlangt hätte, die ihm heute zukommt, sondern auch ein Zeichen der Beständigkeit in einer schnelllebigen Zeit. Frachtschiffe sind heute auf Effizienz getrimmte Mulis der Weltmeere. Die „Cap San Diego“ an den Landungsbrücken steht für jene Epoche als die Bananenfrachter der Hamburg Süd die Globalisierung vorantrieben.

Die 750 Mitarbeiter, die das Unternehmen heute in Hamburg noch hat, sind jedenfalls stolz auf die lange Tradition. „Ich habe mich, als ich über die Bedeutung des 150-jährigen Bestehens nachdachte, gefragt, ob Facebook 150 Jahre bestehen wird, oder Google. Wahrscheinlich nicht“, sagt Poul Hestbaek, der seit 17 Jahren dem Unternehmen angehört und ihm seit wenigen Monaten vorsteht. „Was ist also das Wesen von Firmen, die so lange bestehen können? Es ist ein tiefes kulturelles Verständnis dafür, was richtig und was falsch ist. Richtig ist ein fairer Umgang mit Partnern, Kunden aber auch mit Wettbewerbern. Das ist das, was wir täglich in unserer Arbeit suchen, faire Lösungen.“

Hamburg Süd an dänische Maersk verkauft

Erzählt man von der Geschichte des Hauses, die so wechselhaft war, wie das Wetter auf Seereisen, muss man bei den jüngsten Ereignissen anfangen, die für die Hamburg Süd mindestens so einschneidend waren, wie die beiden Weltkriege, in denen die Reederei beide Male ihre gesamte Flotte verlor. Im Dezember 2017 wurde die Hamburg Süd infolge der weltweiten Konsolidierung des Schifffahrtsmarktes mit ihren Tochtergesellschaften an den größten Konzern der Branche verkauft, die dänische Maersk. Bedeutende Teile des Unternehmens wurden daraufhin nach Kopenhagen verlagert.

Alle Schiffe und die Besatzungen wurden in die Maersk-Flotte integriert. Das Schiffsmanagement wurde aus Hamburg abgezogen. Hamburg Süd ist eigentlich seit 2018 keine eigenständige Reederei mehr und auch aus dem Verband deutscher Reeder (VDR) ausgetreten.

Hamburg Süd weiter am Leben

Dennoch sieht Hestbaek, der zwar Däne ist, aber zuvor nie für Maersk gearbeitet hat, die Hamburg Süd weiter am Leben: „Wir haben die Flotten zusammengeführt, ja. Und wir hatten bei der Übernahme 2017 eine Riesendiskussion, was wohl unsere Kunden sagen, wenn wir mit Maersk-Containern arbeiten. Aber letztlich sind es nur Schiffe und Container. Nicht diese Assets machen unsere Marke aus, sondern die Organisation mit ihrer engen Kundenbindung.“

Hamburg Süd war nie die größte Reederei oder die bedeutendste. Aber ihr Name hat noch heute in der Weltschifffahrt seinen Platz und ist bei Verladern und Handelsunternehmen hoch angesehen. Die Reederei ist ein Südamerikaspezialist, das heißt, sie ist auf den Routen zwischen Europa und Südamerika, zwischen Asien und Südamerika und zwischen Nord- und Südamerika tätig, und sie ist in Ländern wie Brasilien und Argentinien größter Anbieter am Markt. Der Transport von Obst, Gemüse und Fleisch, also Kühlladung, ist seit jeher das Hauptgeschäft des Unternehmens. Hinzu kommen Kaffee und Teile für die Automobilindustrie.

Zusammenschluss mit Hapag-Lloyd platzte

Doch alleine hätte die Hamburg Süd die lang anhaltende Schifffahrtskrise der vergangenen Dekade, die 2008 von der Finanzkrise ausgelöst worden war, kaum überstanden. Die Branche, die aufgrund von Überkapazitäten und spärlichen Transportraten ihre liquiden Mittel aufgezehrt hatte, machte sich wetterfest: Die Reedereien schlossen sich zu großen Konglomeraten zusammen – und Hamburg Süd wurde zu einem Übernahmekandidaten.

Ein geplanter Zusammenschluss mit der anderen großen Hamburger Linienreederei Hapag-Lloyd, der von vielen aus der Branche als der natürlichste Schritt zur Rettung der beiden Unternehmen angesehen wurde, platzte 2013. Dennoch wollte sich der Eigentümer der Hamburg Süd, die hinter dem gleichnamigen Lebensmittelkonzern stehende Familie Oetker von der Schifffahrtssparte trennen. Und so kam es 2017 zu dem Verkauf an Maersk.

Reederei musste Mitarbeiter abbauen

Unternehmenschef Hestbaek hält es für die richtige Entscheidung: „Man kann es bedauern, dass Hamburg Süd an Maersk verkauft wurde“, sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt. „Letztlich war es die beste Lösung und ein großer Erfolg. Wir haben zwar Unternehmensbereiche abgeben müssen, aber das hat uns gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, uns aufs Entscheidende zu konzentrieren, und das ist die Nähe zu und der Service für unsere Kunden. Wir sind eigentlich noch stärker geworden dadurch.“ Die Reederei hat aber ihr Reisebüro verkaufen und auch Mitarbeiter abbauen müssen. Vor der Übernahme durch Maersk waren es noch 900.

Was der Mutterkonzern den Hamburgern aber gelassen hat, ist die Marke und die Zusicherung weiter von Hamburg aus zu agieren. Hestbaek erklärt es so: „Es ist eine große Ehre aber auch eine Verpflichtung den Namen dieser Stadt im Firmennamen zu tragen. Es bedeutet: Wir tragen Hamburg im Herzen, hier ist unsere Heimat, hier sind unsere Wurzeln, auch wenn wir inzwischen zu Maersk gehören.“ Und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) schrieb jüngst im Vorwort zu einer neuen Chronik: „Hamburg Süd trägt mit dem markanten Schriftzug auf den Schiffen und Containern den Namen Hamburgs weiterhin in die Welt.“

Hamburg Süd war auch eine Passagierreederei

Was kaum jemand weiß: Die Hamburg Süd war auch einmal eine bedeutende Passagierreederei, die insbesondere bei der Auswanderung von Europäern nach Brasilien eine wichtige Rolle gespielt hat. Mit dem Jahrhundertwechsel 1900 wurden die ersten Cap-Schiffe in den Dienst gestellt, die sowohl Ladung als auch Menschen transportierten. Aber erst in den Zwischenkriegsjahren wurde das Kreuzfahrtgeschäft zu einem wichtigen Standbein.

Der neue Geschäftsführer der Hamburg Süd, Poul Hestbaek in der Vorstandsetage der  Reederei.
Der neue Geschäftsführer der Hamburg Süd, Poul Hestbaek in der Vorstandsetage der Reederei. © M. Sandten

Die „Cap Polonio“ war aufgrund ihres Luxus ein Passagiermagnet. Star der Flotte war aber die 1927 bei der Hamburger Werft Blohm+Voss gebaute „Cap Arcona“. Sie hatte wegen ihrer Eleganz und Annehmlichkeiten für Passagiere einen besonders guten Ruf. Die kurz vor Kriegsende mit Tausenden Menschen an Bord versenkte „Cap Arcona“ war bei ihrer Indienststellung das erste Schiff, mit einem Tennisplatz in Originalgröße auf dem Bootsdeck, wo­rüber Zeitungen weltweit berichteten.

Oetker-Gruppe erwarb 25 Prozent von Hamburg Süd

Waren die Aufbaujahre der Reederei eng mit den beiden vornehmen Hamburger Familien Amsinck und Laeisz verbunden, trat 1936 eine ganz andere Familie aus Bielefeld ins Unternehmen ein. Die Oetker-Gruppe erwarb 25 Prozent an der Hamburg Süd. Vor allem der Enkel des Firmengründers, Rudolf August Oetker, war von der Seefahrt begeistert und trieb den Ausbau der Reederei voran. 1961 wurde er Alleininhaber. Sein Hausarchitekt war Caesar Pinnau, der das bekannte Glashochhaus der Firmenzentrale der Reederei entwarf, und wesentlichen Anteil an der Gestaltung der Schiffe der legendären Schnelldampfer der Cap-San-Reihe hatte.

Es gibt etliche Bilder, die Rudolf A. Oetker an Bord oder bei Schiffstaufen zeigen. Er hatte ein Faible für die Schifffahrt, und die Entwicklung der Hamburg Süd war für ihn eine Herzensangelegenheit, die er seinem Sohn August Oetker mitgab. Und auch wenn die Familie die Reederei inzwischen an Maersk verkauft hat, fühlt sie sich ihr dennoch verbunden: Die Familie Oetker hat dafür gesorgt, dass das Archiv der Hamburg Süd ins Internationale Maritime Museum von Peter Tamm in der HafenCity überführt und dort gepflegt wird, damit es der Nachwelt erhalten bleibt.

Große Unternehmensfeier wegen Corona verschoben

Philip und Alexander Oetker werden als Vertreter der Familie zur Jubiläumsfeier erwartet, die aufgrund von Corona viel kleiner ausfallen wird als geplant. Eine große Feier mit allen Beschäftigten soll aber im kommenden Jahr nachgeholt werden. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir eine große Party mit allen Kollegen feiern können, aber das müssen wir ins nächste Jahr verschieben“, sagt Unternehmenschef Hestbaek. „Eine Video-Party wollte ich nicht. Man kann nicht auf Teams zu Abba und Boney M. tanzen.“

Nicht nur die Unternehmensfeier steht an, sondern auch ein großer Umzug. Denn die Familie Oetker hat das markante Pinnau-Gebäude an der Willy-Brandt-Straße, in dem die Hamburg Süd seit 56 Jahren ihre Zentrale hat, verkauft. Bereits zum Jahresende müssen die Kisten gepackt sein. Als Zwischenstation zieht die Reederei in ein großes Bürohaus am Rödingsmarkt 16. Es handelt sich um einen älteren Bau des Hamburger Star-Architekten Hadi Teherani unweit des Parkhauses am Rödingsmarkt.

Hamburger Hafen: Reederei zieht in Johann Kontor

Nach seiner Fertigstellung 2023 zieht die Reederei in das Johann Kontor, das derzeit im Kontorhausviertel am Standort der früheren Cityhof-Hochhäuser entsteht. Hier will der Mutterkonzern Maersk neben der Hamburg Süd seine eigenen Hamburger Büros, die konzerneigene Spedition und Reederei Sealand Europe und den Abwickler für Zollangelegenheiten KG, in einem großen Logistikstandort konzentrieren.

Dann muss Hestbaek auf den wundervollen Ausblick aus seinem Büro im 15. Stock über die Stadt verzichten. Aber wie alles sieht er auch das pragmatisch: „Ich liebe dieses Gebäude, und den Ausblick von hier über die Stadt. Aber es ist doch nur ein Gebäude. Wichtig sind die Menschen, die darin arbeiten. Ich komme doch nicht wegen des Ausblicks hierher, sondern wegen der Kollegen, die man morgens am Fahrstuhl trifft.“ Der geschäftige Handel mit Südamerika geht also weiter. Die Hamburg Süd ist nicht mehr dieselbe wie früher, aber sie ist immer noch da.