Hamburg. Einkaufspassage hat nach dem Lockdown noch immer 30 Prozent weniger Kunden. Viele Läden stehen leer. Wie es jetzt weitergeht.

Zugeklebte Schaufenster, verschlossene Türen. Wer in diesen Tagen die Rolltreppe nach ganz oben in die fünfte Etage der Europa Passage nimmt, dem bietet sich erst mal ein tristes Bild. Im Food Sky, mit zahlreichen kulinarischen Angeboten und grandiosem Alsterblick sozusagen die gute Stube des größten Einkaufszentrums der Hamburger Innenstadt, sind im Moment vier Lokale geschlossen. „Das ist nur vorübergehend“, beeilt sich Centermanager Jörg Harengerd zu versichern.

Er steht an einem Geländer nahe der Rolltreppe. Von hier wirkt die Architektur des hohen Glas-Stahl-Baus von Hadi Teherani besonders beeindruckend, aber von hier hat er auch die leeren Flächen direkt vor Augen. „Ende September eröffnet der Sushi-Anbieter Miyo sein erstes Restaurant in Hamburg “, sagt Harengerd. Man merkt, dass er darüber ziemlich froh ist.

Europa Passage wird Heimat neuer Gastronomen

Für eine weitere Fläche laufen Verhandlungen mit einer Hamburger Burgerkette. Und auf die Fläche, auf der bislang spanische Küche serviert wurde, will er einen Fisch-Anbieter holen. Das Se7en Oceans, ebenfalls schon länger geschlossen, hat angekündigt, nach Umbauarbeiten im Januar 2022 die Türen wieder zu öffnen. Genaueres weiß auch Harengerd, bestens vernetzter Handelsprofi und seit vier Jahren Herr über die Europa Passage, nicht. Dabei ist das Gourmet-Restaurant mit Bar und Bistro-Bereich eine stadtweit bekannte Adresse, eine Wiedereröffnung wäre ein Signal für die Rückkehr zur Normalität.

Denn auch wenn sich um die Mittagszeit die Tische im sogenannten Food Court auf der anderen Seite inzwischen wieder füllen, leiden die Gastronomen nach wie vor massiv unter den Folgen von Corona. Statt der insgesamt 450 Sitzplätze vor der Pandemie dürfen wegen der geltenden Hygieneregeln derzeit nur 200 Plätze besetzt werden. „Für alle anderen ist das Essen drinnen verboten“, sagt Harengerd. Nicht mal Eis essen ist erlaubt. Es gilt Maskenpflicht. „Das ist das, was im Moment richtig weh tut.“

30 Prozent weniger Besucher als vor der Krise

Auch knapp vier Monate nach dem Corona-Lockdown läuft es noch nicht wieder so richtig rund in dem 2006 gebauten Shoppingcenter. „Das Haus ist belebt. Aber wir haben immer noch 30 Prozent weniger Besucher als vor der Krise“, so Jörg Harengerd. Wenn früher täglich 68.000 Menschen in das Drehkreuz zwischen Jungfernstieg und Mönckebergstraße strömten, sind es jetzt im Schnitt 40.000 am Tag.

Trotzdem bilden sich besonders an den Sonnabenden immer wieder Warteschlangen vor den Eingängen. Das liegt an den Abstandsregeln, die nur 3300 Besucher gleichzeitig zulassen. Wenn das Limit erreicht ist, springen die Ampeln an den Türen auf Rot. „Wir messen in Echtzeit“, sagt der Hausherr in Diensten des Betreibers ECE und holt sein Smartphone aus der Tasche. „2142“ zeigt das Gerät an diesem Vormittag an. Da ist noch Luft nach oben.

„Die Leute kommen wieder"

„Die Leute kommen wieder. Seit wir wieder öffnen, sehen wir eine stetige Steigerung der Frequenzen“, sagt Armin Louis Nur, stellvertretender Filialgeschäftsführer bei Wormland. Der Männermodegeschäft mit Hauptsitz in Hannover ist mit 2300 Quadratmetern auf drei Etagen ein wichtiger Ankermieter in der Europa Passage. Gekauft würde wieder mehr formelle Kleidung fürs Büro aber auch für Veranstaltungen, so Nur.

„Die Kunden haben Lust, sich wieder schick zu machen. Es gibt einen Nachholbedarf.“ Zu schaffen machen dem Händler die Eingangsbeschränkungen, die überwacht werden müssen. In der oberen Etage sind deshalb die Türen jetzt geschlossen. 230 Menschen dürfen gleichzeitig in den Laden. Am Wochenende wird es manchmal eng. „So können wir den Status Quo halten, aber so kommen wir nicht weiter“, sagt Nur.

Gespenstische Leere in der Europa Passage

Wie schwierig das Geschäft geworden ist, weiß auch Matthias Riedel. Der 51-Jährige verkauft seit 2009 in seinem kleinen Laden Olivicio feine Olivenöle und Essige. „Es lief immer gut. Ich habe elf Jahre Superumsätze gemacht“, sagt er. Die hohen Kosten, immerhin 10.000 Euro für Miete, Betriebskosten und Telefon für 50 Quadratmeter, waren nie ein Problem. Dann kam Corona. „Wir hatten auch während des Lockdowns die ganze Zeit geöffnet. Aber es gab viele Tage, an denen keine Kunde da war“, sagt der Lebensmittelhändler, der eins der wenigen inhabergeführten Geschäfte in der Europa Passage betreibt.

Matthias Riedel von Olivicio verhandelt mit den Betreibern der Europa Passage über die Ladenmiete.
Matthias Riedel von Olivicio verhandelt mit den Betreibern der Europa Passage über die Ladenmiete. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Teilweise war es gespenstisch leer in dem riesigen Konsumtempel, in dem monatelang fast alle der 120 Shops schließen mussten. Auch wenn es jetzt wieder besser läuft, rechnet Riedel über das Jahr gerechnet mit einem Umsatzminus von 70 Prozent im Geschäft. Es fehlen die Touristen, und immer noch arbeiteten viele Menschen nicht im Büro in der Stadt sondern von zu Hause. „Mich rettet der Onlineshop“, sagt er. Ob er das Ladengeschäft halten kann, muss sich zeigen. Aktuell verhandelt der Einzelhändler mit dem Betreiber ECE über die Miete.

H&M Men musste schließen

Inzwischen sind die Auswirkungen der Pandemie auch in der Europa Passage sichtbar. H&M Men, seit Jahren fester Mieter in bester Lage zum Ballindamm, hat im August sang- und klanglos dicht gemacht. Aktuell bietet Elara Mode auf der Fläche günstige Bekleidung für Damen an. „Das ist eine Interimslösung. Die große Lösung kommt noch“, sagt Centermanager Harengerd. Es liefen Verhandlungen mit einem US-amerikanischen Unternehmen, das bislang noch keinen Standort in Deutschland hat. Genaueres will er nicht sagen, bevor der Vertrag unterschrieben ist. Beim angeschlagene Modehändler Esprit lief der Räumungsverkauf bis zum vergangenen Sonnabend, künftig kommt Camp David ebenfalls mit Bekleidung.

Schild an den Eingangstüren der Wormland-Filiale in der Passage.
Schild an den Eingangstüren der Wormland-Filiale in der Passage. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Knapp ein halbes Dutzend Läden stehen zurzeit leer. In die seit Monaten geschlossene Douglas-Filiale soll wieder ein Parfümerie-Anbieter einziehen. Auch die insolvente Spielwarenkette Spiele Max ist ausgezogen. Harengerd hat als neuen Mieter einen Süßigkeiten-Anbieter an Land gezogen. An den Schaufenstern des geschlossenen Ticketshops der „Bild“-Zeitung kündigt das portugiesisches Café Lis-Bom die baldige Eröffnung an. In der U-Bahn-Passage im Untergeschoss stehen zwei weitere Läden zur Vermietung. Dort hatte es einen Wasserschaden gegeben.

Neuer Mieter in der Europa Passage: Globetrotter

Neu ist der Ausrüstungsspezialist Globetrotter. Der Händler war Ende Juli mit einem ausgewählten Sortiment mit einem Pop-up-Shop in einen leer stehenden 70-Quadratmeter-Laden gezogen. Das Besondere: Kunden können ausgerüstet mit einer Virtual-Reality-Brille, Kopfhörern und Fingertracking eine virtuelle Bergtour erleben. Das 15-minütige digitale Abenteuer ist kostenlos und kommt offenbar gut an. Besonders am Wochenende sind die Tickets im Voraus ausgebucht. Für Harengerd ist das Angebot auch ein zukunftsweisender Schritt. „Die Handelslandschaft ändert sich. Es geht nicht mehr nur darum, Mode & Co. zu verkaufen, sondern auch Entertainment-Angebote werden immer mehr ein wichtiger Faktor für die Attraktivität von Innenstädten.“

Dabei sieht er die Einkaufscenter in einer wichtigen Rolle. „Wir bleiben der lebendige Marktplatz“, hält er denen entgegen, die den Abgesang der Shoppingmalls anstimmen. Unter anderen hatte der frühere Chef des Hamburger HWWI, Henning Vöpel, gesagt, dass die Zeit der Einkaufszentren in der heutigen Form vorbei sein.

Mietermix in der Europa Passage wird sich ändern

Auch Harengerd sagt: „Wir müssen uns wandeln. Mehr Treffpunkt und Begegnungsstätte sein.“ So will er auch verstärkt Mobilitätsanbieter in das Center holen. Der Mietermix, das zeichnet sich klar ab, wird sich ändern. Schon jetzt gibt es im Untergeschoß Paketboxen von DHL. Amazon und Hermes wollen nachziehen und Kunden ermöglichen, ihre Bestellungen in der Europa Passage abzuholen. In den letzten Tagen war der größte Anziehungspunkt eine 16 Meter hohe Kletterwand im Rahmen des Programms Active City der Hansestadt, an der sich jeder und jede ausprobieren konnte.