Hamburg. Hamburger Traditionswerft steht vor großer Entlassungswelle. Die Reaktionen – und welche Hoffnung den Arbeitern jetzt noch bleibt.

Keine guten Nachrichten für die insolvente Werft Pella Sietas: Trotz aller Bemühungen sei es nicht gelungen, kurzfristig neue Investoren für den traditionsreichen Schiffbaubetrieb zu finden, teilte der Hamburger Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Achim Ahrendt der Belegschaft am Donnerstagmorgen mit.

Deshalb sei er „nach jetzigem Stand“ aus insolvenzrechtlichen Gründen gezwungen, die Kündigung eines Großteils der verbliebenen 199 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorzubereiten – voraussichtlich noch für den Monat September.

Bei der Hamburger Werft Pella Sietas gehen in Kürze die Lichter aus. Der letzte große Kunde hat seinen Auftrag endgültig storniert (Archivbild).
Bei der Hamburger Werft Pella Sietas gehen in Kürze die Lichter aus. Der letzte große Kunde hat seinen Auftrag endgültig storniert (Archivbild). © IMAGO / Chris Emil Janßen

Pella Sietas: Letzter Kunde storniert Auftrag

Auch der letzte große Kunde, die Reederei Norden Frisia, die eine Wattenmeer-Fähre bei den Hamburger Schiffbauern bestellt hatte, hat seinen Auftrag endgültig storniert.

„Das ist ein Schock für die Mitarbeiter“, sagte der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Hamburg, Emanuel Glass. „Schließlich gibt es noch rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bis zum Schluss gehofft haben, dass es irgendwie weitergeht. Aber so, wie es derzeit aussieht, geht es für Pella Sietas als Werftstandort erst einmal nicht weiter.“

Schiffbau-Verband: „Es wäre eine bittere Ironie“

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik, Reinhard Lüken (Archiv)
Der Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik, Reinhard Lüken (Archiv) © HA | Andreas Laible

Es sei eine traurige Nachricht nicht nur für den deutschen Schiffbau, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands Schiffbau und Meerestechnik (vsm), Reinhard Lüken.

„Die älteste Werft der Republik steht weltweit für erstklassige Schiffe. Es wäre eine bittere Ironie, wenn die Werft, die wegen fehlender Nachfrage in Schieflage geriet, ausgerechnet jetzt aufgeben muss, wo genau diese Schiffe wieder händeringend gebraucht werden.“

Sietas-Mitarbeiter verzichteten ohne Murren

Anfang August hatte die damalige Hamburger Direktorin, Natallia Dean, nach fast 400 Jahren Schiffbaubetrieb für die Werft Pella Sietas Insolvenz angemeldet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ein Großteil der Belegschaft seit drei Monaten kein Gehalt mehr bekommen – ohne Murren.

Selbst, als vor eineinhalb Monaten die Insolvenz verkündet worden war, blieben zwei Drittel der ehemals 300 Beschäftigten ihrem Arbeitgeber treu, weil sie bis zum Schluss ein Fünkchen Hoffnung auf die Rettung der Werft hatten.

Insolvenzverwalter: Antrag „viel zu spät gestellt“

„Der Insolvenzvertrag ist viel zu spät gestellt worden. Er hätte spätestens Ende Mai gestellt werden müssen“, sagte Ahrendt nun nach der Prüfung der Bücher.

Die russische Mutterfirma der Werft, Pella Shipyard, ist selbst in finanziell angespannter Situation und kann kein Geld nachschießen. Ein Antrag auf Mittel aus dem staatlichen Corona-Hilfsfonds wurde abgeschmettert. Insolvenzverwalter Ahrendt sagte, er habe nach seinem Amtsantritt auf der Werft noch 16.000 Euro in der Kasse gehabt. Das Insolvenzgeld sei für die fehlenden Gehaltszahlungen draufgegangen.

Pella Sietas: Vier mögliche Interessenten

Wenn kurzfristig die Lichter in Neuenfelde ausgehen, so will der Insolvenzverwalter die Hoffnung auf eine Rückkehr der Werft an den Markt noch nicht völlig aufgeben: „Wir werden den Investorenprozess weiterhin mit Hochdruck vorantreiben“, betonte Achim Ahrendt. „Im Falle einer Übernahme besteht Hoffnung, dass bei Pella Sietas doch noch mehr Arbeitsplätze erhalten bleiben oder zumindest mittelfristig neue Arbeitsplätze entstehen.“

Vier Unternehmen haben nach Informationen des Abendblatts ein Interesse daran bekundet, die Werft zu übernehmen. Davon kommen drei aus Deutschland, eines aus der Schweiz. „Keiner der Investoren kann und will aber die vorhandenen Aufträge zu den vereinbarten Konditionen fortführen“, sagte Ahrendt.

Pella Sietas hatte einen Auftrag vom Bund

Deshalb wäre selbst im Falle einer Investorenlösung in den kommenden Monaten keine Beschäftigung vorhanden. „Zudem ist noch völlig offen, wie viele Mitarbeiter von dem potenziellen Erwerber übernommen würden – und wann.“

Zudem könnten die noch vorhandenen Aufträge zu den vertraglich vereinbarten Konditionen nicht kostendeckend fertiggestellt werden, so Ahrendt. Dabei geht es unter anderem um die Fertigstellung eines Baggerschiffs für den Bund.

Die Wirtschaftsbehörde wollte sich am Donnerstag nicht äußern. Die Werft Pella Sietas war 1635 gegründet worden und gilt als älteste noch existierende Werft in Deutschland. Nun gehen dort Ende September die Lichter aus.