Hamburg. Insolvenzverwalter informierte Mitarbeiter der Pella Sietas Werft über weitere Schritte. Die Lage sei sehr ernst. Dramatischer Appell.
In der Schiffbauhalle der Hamburger Werft Pella Sietas liegen das Bug- und Heckteil einer Fähre. Das Mittelstück befindet sich bereits im Schwimmdock. Es fehlen nur noch die Mitarbeiter, um die Sektionen zu einem Schiff zusammenzusetzen. Es ist aber fraglich, ob es zu diesem Arbeitsschritt jemals kommen wird. Denn die Werft Norden Frisia, die die Fähre orderte, hat angekündigt, sich vom Vertrag zurückzuziehen. Kommt es dazu, steht der älteste deutsche Schiffbaubetrieb vor seinem endgültigen Aus.
Ende Juli hatte die Werft sich für zahlungsunfähig erklärt und Insolvenz angemeldet. Damals gab es noch Hoffnung auf eine Fortführung des Betriebs. Doch jetzt bestehen kaum mehr Chancen zur Rettung der Werft in Neuenfelde, wenn nicht ganz schnell neues Geld ins Haus kommt.
Hamburger Pella Sietas Werft: Kassen sind leer
„Die Lage der Werft ist sehr ernst“, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter, der Hamburger Rechtsanwalt Achim Ahrendt, am Donnerstag. „Die Kassen sind absolut leer, der Insolvenzgeldzeitraum für viele Mitarbeiter ist abgelaufen, die Auftraggeber sind zu Recht verärgert.“ Es komme jetzt darauf an, einen der noch vorhandenen Aufträge zu reaktivieren. so Ahrendt. „Dies ist die einzige realistische Möglichkeit für eine zumindest teilweise Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes.“ Neuaufträge seien wegen der wirtschaftlichen Verfassung der Werft kurzfristig unrealistisch.
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Ahrendt hatte zuvor zusammen mit dem Zweiten Bevollmächtigten der IG Metall Hamburg, Emanuel Glass, die Mitarbeiter über die düstere Perspektive informiert. 220 Festangestellte hat die Werft noch. 70 weitere hatten unmittelbar nach dem Einreichen des Insolvenzvertrags gekündigt, weil sie seit drei Monaten keine Gehälter mehr erhalten hatten. Seit Mai warten die meisten Mitarbeiter auf ihr Geld.
Schwere Vorwürfe gegen den Eigentümer der Werft
In dem Zusammenhang erhebt Ahrendt schwere Vorwürfe gegen den Eigentümer der Werft, die russische Gruppe Pella Shipyard, sowie gegen die Hamburger Geschäftsführung: „Der Insolvenzvertrag ist viel zu spät gestellt worden. Er hätte spätestens Ende Mai gestellt werden müssen. Damals war klar, dass kein Geld für die Löhne mehr da ist.“ Stattdessen habe die Führung der Werft vergeblich Geld aus dem Corona-Rettungsschirm des Bundes beantragt.
„Da wurde darauf gezockt, dass die 68 Millionen Euro vom Bund fließen, damit man etwas Zeit gewinnt.“ Den Vorwurf der Insolvenzverschleppung will Ahrendt noch nicht in den Mund nehmen. Aber er droht: „Wir werden das komplett aufarbeiten und genau feststellen, wann die Insolvenz hätte erfolgen müssen.“
Es geht um Tage
Einen solchen Fall habe er in seinem Berufsleben noch nicht gehabt, ergänzte der Insolvenzverwalter. „Als ich hier Anfang August ankam, waren noch 8000 Euro in der Kasse. Man habe diesen Betrag durch den Verkauf von Schrott mühsam verdoppelt. „Mancher Kleintierzüchterverein hat mehr Geld in der Kasse als diese Werft“, so sein Urteil. Dagegen lägen Gläubigerforderungen in Höhe von 30 Millionen Euro vor. Hinzu käme ein genauso großer Betrag für Avalzahlungen an Banken.
Gemeinsam mit Glass appellierte er an die Auftraggeber, Geld nachzuschießen: „Ohne eine Anschubfinanzierung, die nur von Auftraggeberseite kommen kann, ist an eine Fortführung des Geschäftsbetriebes nicht zu denken.“ Der Gewerkschaftsmann ergänzte: „Die Werft benötigt eine schnelle Entscheidung. Es geht hier nicht um Monate, sondern eher um Tage.“
Baggerschiff könnte für den Bund zu einem Problem werden
In den Auftragsbüchern stehen noch ein Eisbrecher, den der russische Mutterkonzern geordert hat, eine Fähre für den Bodensee, die bereits im Wasser schwimmt und nur noch fertig ausgerüstet werden müsste, die Wattenmeer-Fähre der Norden Frisia Reederei sowie ein Baggerschiff des Bundes, das zur Fertigstellung am Kai der benachbarten Werft Blohm + Voss liegt. An keinem der Schiffe ist in den vergangenen sechs Monaten ernsthaft gearbeitet worden.
Gerade das Baggerschiff könnte aber für den Bund zu einem Problem werden. Der Auftrag ist weit fortgeschritten. Es wurden bereits 80 Millionen Euro investiert. Müsste Pella Sietas jetzt den Betrieb einstellen, bliebe eine teure Investitionsruine übrig, die die öffentliche Hand ihren Steuerzahlern erklären müsste. „Die Belegschaft hält noch zur Werft“, sagte Betriebsratschef Georg Netuschil. Die Frage ist aber, wie lange noch.