Hamburg. Einweggeschirr und Kunststoffprodukte wie Strohhalme sind seit Juli tabu. Manche der Alternativen haben noch ihre Tücken.

Beim Bummel über den gerade zu Ende gegangenen Hamburger Sommerdom fiel der neue Weg in Sachen Plastik sofort auf: Die Schmalzkuchen wurden in essbaren Waffeln über den Tresen gereicht, in den Bierbars saßen die Gäste vor echten Gläsern statt vor Kunststoffbechern. Es lag weniger Müll auf dem Boden zwischen Scootern, Schießbuden und Achterbahnen. Die neue Sauberkeit auf dem Rummel hat eine rechtliche Ursache: Seit Anfang Juli sind Plastikgeschirr und andere Einwegprodukte aus Kunststoff verboten.

Zwar servierten Stände mit Slush-Eis oder Zuckerwatte ihre Süßware teils weiter in voluminösen Plastikbechern, doch auch damit dürfte es in absehbarer Zeit vorbei sein: Betriebe, die Gäste bedienen, dürfen ihre Restbestände an Einweggeschirr und -besteck aus Plastik noch für eine nicht festgelegte Übergangszeit ausgeben. Doch das „Inverkehrbringen“, also neue Ware zu importieren oder auf den Markt zu bringen, ist nach EU-Recht untersagt.

70 Prozent des Meeresmülls ist Plastik

Der Hintergrund: Plastikteller, -messer, -gabeln und -löffel, Wattestäbchen, Strohhalme oder Luftballonstäbe, machen zusammen mit Fischfanggeräten 70 Prozent des gesamten Mülls in den europäischen Meeren aus. Tiere geraten durch die Teile in Lebensgefahr.

Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) geht davon aus, dass die von der EU-Kunststoffrichtlinie erfassten Produkte rund 20 Prozent des Straßenmülls ausmachen. „Bisher wird deren Entsorgung vollständig über Straßenreinigungsgebühren oder die kommunalen Haushalte finanziert und damit auf die Allgemeinheit abgewälzt“, sagt VKU-Vizepräsident Patrick Hasenkamp.

Hamburger Firmen bieten Alternativen zu Plastik

Ähnlich wie die Kirmesstände auf dem Heiligengeistfeld bieten immer mehr Firmen in Hamburg Alternativen für Einwegprodukte. Auf die in Sachen Umwelt besonders sensible junge Zielgruppe setzt das Hamburger Hostel Superbude mit Standorten in St. Georg, Altona und St. Pauli. Bei Kaffeebechern nutzten die Häuser schon bisher biologisch abbaubare Materialien.

Ein Problem gab es jedoch mit Strohhalmen, sagt Superbude-Sprecherin Alice Wolf. „Wir haben versucht mit essbaren und Glasstrohhalmen die alten zu ersetzen, sind aber zu dem Entschluss gekommen, Strohhalme einfach nicht mehr anzubieten“, sagt sie.

Hotel Vier Jahreszeiten bietet Glashalme an

Das Hotel Vier Jahreszeiten bietet den Gästen bei Cocktails dagegen Trinkhalme aus Glas an. Bei Getränken für kleinere Kinder werde auf die Halme ganz verzichtet, sagt eine Sprecherin des Hotels an der Binnenalster. Lebensmittel zum Mitnehmen würden ausschließlich in Verpackungen aus abbaubaren Materialien verpackt.

Die Block-Gruppe mit ihren Steak- und Burgerrestaurants hat noch keinen „adäquaten Ersatz“ für Strohhalme gefunden, „weshalb wir auf deren Einsatz, nach dem Verbrauch der noch vorhandenen Bestände, vorerst verzichten werden“, sagt eine Sprecherin. Die Burgerkette Jim Block nutze unter anderem Außerhaus-Verpackungen aus Bagasse (Zuckerrohrfasern) und Karton.

McNuggets aus der Papiertüte

Bei McDonalds finden die Kunden neue Boxen für Burger und Beilagen: Chicken McNuggets würden nun in einer Papiertüte ausgegeben, sagt eine Sprecherin der Fastfoodkette, die allein in Hamburg 40 Restaurants betreibt. „Zudem geben wir Getränke, die im Restaurant getrunken werden, nur noch auf expliziten Wunsch unserer Gäste mit Trinkhalm aus“.

Die Halme sind nun aus Papier. Die Resonanz sei unterschiedlich: Einige Gäste beklagten, dass sich die Trinkröhrchen nach einiger Zeit im Getränk auflösten, andere begrüßten den Plastikverzicht, so die Sprecherin.

Lieferservices setzen auf nachhaltige Boxen

Bei den in der Pandemie sehr beliebten Lieferservices fiel zuletzt so viel Verpackungsmüll an, dass die Mülleimer in Hamburg oft überquollen. Viele Anbieter in der Stadt setzen bereits auf nachhaltige Boxen, nicht zuletzt, weil die Kundschaft erwartet.

Der Bringdienst Stadtsalat verspricht: „Wir wollen künftig noch nachhaltigere Verpackungsoptionen und Mehrweg-Konzepte umsetzen“. Das entspricht allerdings auch einer noch einmal verschärften Gesetzgebung: Ab 2023 werden Caterer, Lieferdienste und Restaurants in Deutschland dazu verpflichtet, neben Einwegartikeln auch Mehrwegbehälter anzubieten.

Kunden wollen kein Plastik mehr

Auch wenn die neue, möglichst plastikfreie Welt komplex und meist teurer ist, die Firmen handeln dem Zeitgeist entsprechend: Rund die Hälfte der Befragten (49,2 Prozent) beim Rabobank Food Navigator ist der Meinung, dass sich innovative Verpackungen und der Verzicht auf Plastik in den nächsten Jahren durchsetzen werden. Spitzenreiter beim Thema Plastikverzicht sind die Großstädte: In Hamburg (57,3 Prozent) und Berlin (55,7 Prozent) sind die Zustimmungswerte am höchsten.

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Die Herausforderungen durch die Einwegverordnung bergen zudem Chancen für Unternehmen, die neue Lösungen produzieren, etwa Trinkhalme aus bruchsicherem Glas, Edelstahl oder Silikon. Zu den Pionieren der Plastikalternativen gehört Marie-Luise Dobler aus der Nähe von Lübeck. Mit ihrer Strohmi GmbH hat die Unternehmerin einen Klassiker wiederbelebt: Dobler bietet Halme aus echtem Stroh an – und verkauft das Naturprodukt auch an illustre Kunden wie das Schloss Bellevue, den Sitz des Bundespräsidialamts. Günstig sind die Halme nicht, eine Packung mit 2500 Stück kostet rund 250 Euro.

Experten sehen Gesundheitsgefahren

Allerdings haben die Kunststoffalternativen auch Tücken. Ersatzprodukte wie etwa Gabeln aus Bambus oder Strohhalme aus Papier, könnten die Gesundheit gefährden, warnen Experten. Teils seien Alternativbesteck und -gefäße mit Chemikalien belastet, kritisierte kürzlich der europäische Verbraucherverband BEUC.

Auch der von Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) kürzlich vorgestellte Verbraucherschutzbericht kommt zum Ergebnis, dass Coffee-to-go-Becher aus Bambus bei regelmäßiger Verwendung gesundheitsschädlich sein können. Im Material der untersuchten Becher seien erhöhte Formaldehyd- und Melaminkonzentrationen festgestellt worden. Bei Tests habe sich zudem herausgestellt, dass „Bambusware“-Geschirr kaum oder nur schwer kompostierbar sei, wie von Herstellern oft behauptet wird.