Hamburg. Sven Odia im Abendblatt-Interview über lohnende Investments, die Übernahme durch Permira und die Immobilienblasen-Gefahr in Hamburg.
Das Hamburger Immobilienunternehmen Engel & Völkers bedient an weltweit 90 Standorten mit 11.500 Agenten vornehmlich die wohlhabende Klientel, darunter Prominente wie Hollywood-Star Michael Douglas, Sängerin Cher oder Supermodel Elle Macpherson.
Der 43-jährige Vorstandschef Sven Odia startete seine Karriere vor 24 Jahren in einem Büro des Maklers auf Mallorca, wo er auch einen Zweitwohnsitz hat. In Hamburg lebt der Vater von zwei Kindern mit seiner neuen Lebensgefährtin in den Elbvororten, in seiner Freizeit spielt er gerne Polo.
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Mit dem Engel & Völkers-Chef sprach das Abendblatt über den Ansturm auf Ferienimmobilien während der Pandemie, die wenigen verbliebenen Geheimtipps in aller Welt und den Einstieg des Finanzinvestors Permira bei dem Hamburger Makler.
Hamburger Abendblatt: Wie hat die Pandemie den Markt verändert?
Sven Odia: Ferienimmobilien sind en vogue wie nie zuvor. Und sie werden nicht mehr nur als Renditeobjekt oder als zweites Zuhause für wenige Wochen im Jahr gesehen.
Was wollen die Kunden heute?
Odia: Die Pandemie hat den Menschen vor Augen geführt, wie sie in Zukunft leben, arbeiten und ihre Freizeit gestalten wollen. Viele unserer Kunden arbeiten heute zum Beispiel von ihrer Finca auf Mallorca aus und kommen nur einmal im Monat ins Büro. Dadurch steigt die Nachfrage besonders nach großen Häusern mit eigenem Land und eventuell einem eigenen Brunnen. Dabei sind die Grenzen zwischen Erst- und Zweitwohnsitz mittlerweile fließend. Mallorca etwa profitiert besonders stark, weil die Insel hervorragende Flugverbindungen und gute internationale Schulen bietet.
Wie entwickeln sich die Preise?
Odia: Vor fünf Jahren haben wir jährlich ein, zwei Objekte für mehr als zehn Millionen Euro im Südwesten Mallorcas verkauft. Heute erreichen etwa 15 Objekte im Jahr Preise in dieser Größenordnung. Der durchschnittliche Angebotspreis für Villen auf der Insel liegt bei gut vier Millionen Euro.
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Wo liegen andere begehrte Gebiete?
Odia: Miami und die Hamptons sind sehr gefragt. Auch bei den Amerikanern gilt in der Pandemie: Kunden mit einem Erstwohnsitz in einer Metropole wie zum Beispiel New York City, arbeiten jetzt häufig im Homeoffice in ihren Ferienhäusern wie in Aspen oder Miami. Dort kosten die Häuser 18 bis 30 Millionen US-Dollar und hin und wieder auch mehr als 50 Millionen US-Dollar. Die Entwicklung bei den Hamburgern ist ähnlich.
Inwiefern?
Odia: Die Nachfrage nach Ferienimmobilien an Nord- und Ostsee ist sehr stark gestiegen, viele suchen ein charmantes Reetdachhaus, etwa an der Schlei. Die Hamburger interessieren sich vermehrt für das Umland, da sie nicht mehr so häufig ins Büro müssen und damit Städte wie Lüneburg in den Blick nehmen. Die veränderte Nutzung beeinflusst auch die Suchkriterien. Gefragt sind zusätzliche Zimmer fürs Homeoffice und schnelles Internet, oft auch ein großes Grundstück.
Für die eigene Apfelbaumplantage?
Odia: Ja, einige wollen sich selbst versorgen oder haben auch wachsende Ansprüche an das Wohnen draußen, wünschen sich etwa ein eigenes Spa oder ein Schwimmbad im Garten. Während der Pandemie ist der Stellenwert von Wohnimmobilien gewachsen nach dem Motto „My Home is my Castle“.
Gibt es noch Geheimtipps?
Odia: Ja, stark im Kommen sind Comporta in Portugal, 120 Kilometer südlich von Lissabon oder auch viele Regionen in Griechenland, etwa die Kykladen, Athen oder die Athener Riviera. In Porto Heli, 150 Autominuten von Athen entfernt, liegen die Preise für Villen durchschnittlich bei 1,1 Millionen Euro. In Top-Lagen zahlt man dort bis zu 10.000 Euro für den Quadratmeter. Das ist aber immer noch kein Vergleich zum Südwesten Mallorcas, wo Sie für Villen mit durchschnittlichen Kaufpreisen von 4,7 Millionen Euro rechnen müssen.
Und es gibt immer noch Steigerungen?
Odia: Ja, während die luxuriösesten Villen auf Mallorca 30 Millionen Euro kosten, erreichen Anwesen an der Cote d’Azur bis zu 50 Millionen Euro. Und in absoluten Spitzenlagen in Kalifornien, etwa in Beverly Hills, liegen wir manchmal sogar bei 100 Millionen Dollar. Diese Preise sehen wir in Europa nur selten.
Gab es Preisrückgänge und Notverkäufe wegen Corona?
Odia: Nein, die gab es bei uns nicht. Nach einer kurzen Schockstarre im Frühjahr 2020 ist die Nachfrage enorm gestiegen. Und die Vermarktungszeiträume für Ferienimmobilien werden kürzer und liegen jetzt bei durchschnittlich einem halben Jahr.
Sie gehen mit Engel & Völkers jetzt auch in den teuersten Markt, nach London?
Odia: Ja, die Expansion nach London erfolgt im Spätherbst diesen Jahres. Dort wird es vorerst keine eigenen Shops von Lizenzpartnern geben, sondern wir bieten den Immobilienberatern die umfassenden digitalen Services von Engel & Völkers an.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Sie hatten 2021 das beste Jahr in der Firmengeschichte und erreichen bald einen Courtageumsatz von einer Milliarde Euro. Wie festigen Sie Ihren Erfolg?
Odia: Bis 2026 wollen wir mehr als 20.000 Immobilienberater haben, derzeit sind es etwa 11.500. Ausbauen wollen wir unsere Standorte in unseren Kernmärkten wie in Deutschland, Österreich, der Schweiz in Spanien, Italien, Frankreich sowie Nordamerika. In den USA sind wir das einzige europäische Immobilienunternehmen, das dort bereits seit zwei Jahrzehnten erfolgreich ist.
Dubai sieht sich als eines der attraktivsten Investitionsziele der Welt…
Odia: Ja, die Entwicklung ist dort äußerst positiv, die renommiertesten Architekten der Welt bauen in Dubai, das Publikum ist international. Wir wollen unseren Standort dort in den nächsten Jahren auf 250 Immobilienberater ausbauen – und auch wir sind vor Ort bereits sehr international aufgestellt. Unsere bisher knapp hundert Mitarbeiter in Dubai haben 56 Nationalitäten.
Was macht den Reiz in Dubai aus?
Odia: Sie finden in Dubai spektakuläre Wasserlagen, schließlich werden dort künstliche Inseln ins Meer gebaut. Es ist ein Eldorado für Ästheten, und auch der Service in den beeindruckenden Hochhäusern ist einzigartig.
Inwiefern?
Odia: Es gibt meist Concierge-Services, die Ihnen viele Dinge abnehmen: Sie buchen Restaurants, bestellen Caterer, oder arrangieren einen Ausflug in die Wüste. Zudem können die Bewohner eines solchen Gebäudes meist auch die Einrichtungen der Hotels wie etwa das Spa oder den Pool nutzen, die sich oftmals ebenfalls im Tower befinden.
Wo würden Sie persönlich als nächstes gerne investieren?
Odia: Bisher verbringe ich viel Zeit auf meiner Finca auf Mallorca, die Lebensqualität dort ist hoch. Als besonders reizvoll empfinde ich aber auch Montecito in Kalifornien. Die Region um Santa Barbara vereint beides, Berge und Meer. Es ist für mich eine der schönsten Gegenden der Welt, und sie bietet einen tollen Lebensstil.
Gerade hat die Private-Equity-Gesellschaft Permira 60 Prozent an Engel & Völkers übernommen. Es heißt, Permira werde das Lizenzmodell ändern...
Odia: Unser Ziel ist es zusammen mit Permira deutlich zu wachsen und damit zum Weltmarktführer der Immobilienvermittlung im gehobenen Segment zu werden. Unser bewährtes Geschäftsmodell, das aus den etablierten Säulen Franchise-Geschäft, den größeren Market-Centern in wichtigen Metropolen sowie eigenen Büros und Shops besteht, soll weiter ausgebaut werden. In der nahen Zukunft werden wir jedoch einen noch stärkeren Fokus auf den Ausbau der digitalen Services und innovativen Technologien für unsere Mitarbeiter und Immobilienberater legen.
Permira investiert bevorzugt in Firmen mit einem Potenzial zur weiteren digitalen Transformation. Was bedeutet das für Engel & Völkers, werden Besichtigungen jetzt nur noch virtuell durchgeführt?
Odia: Nein, wir sehen es als große Chance, dass Permira sich als Partner bei der Digitalisierung des Unternehmens einbringt. Etwa dabei, unseren Immobilienberatern Wissen effizient zu vermitteln und Zugriff auf Daten zu haben. Aber es wird weiter ganz stark auch auf den Menschen ankommen. Roboter werden bei uns keine Besichtigungen durchführen.
Das ist ein Trend?
Odia: Ja, in Kalifornien gibt es das bereits. Aber dies wird die Kunden nicht zufriedenstellen. Bei uns geht es darum, genau zu wissen, was der Käufer will, ob er morgens Sonne auf der Terrasse zum Frühstücken haben will oder lieber abends. Roboter können nur Fakten wie die Quadratmeter angeben. Und: Selbst während der Pandemie gab es nur einige wenige Kunden bei uns, die eine Immobilie gekauft haben, ohne vorher persönlich dort gewesen zu sein. Und das trotz aller digitalen Möglichkeiten wie virtuellen Rundgängen.
Christian Völkers ist Vorsitzender des Beirats, dürfte durch den Deal mit Permira nach Schätzungen wohl 100 Millionen Euro verdient haben. Wie bringt sich der Firmengründer heute noch ein?
Odia: Er ist so aktiv wie nie zuvor und treibt die Digitalisierung stark voran. Auch die Internationalisierung liegt ihm sehr am Herzen.
Haben Sie selber auch Anteile verkauft?
Odia: Ja, aber ich bin nach wie vor Gesellschafter.
Wie wirkt sich der Einstieg von Permira in Hamburg, am Sitz der Firma, für die bisher 380 Mitarbeiter aus?
Odia: Die Zahl der Beschäftigten wird konstant bleiben. Für den Ausbau der Technologie sind wir auch auf der Suche nach begeisterten Persönlichkeiten.
Sehen Sie Anzeichen von Immobilienblasen? In Hamburg etwa müssen Käufer mittlerweile sehr hohe Kredite stemmen, und die Mieten steigen nicht entsprechend, warnen einige Experten.
Odia: Nein, das sehe ich nicht. Die Phase der niedrigen Zinsen wird anhalten. Außerdem haben wir in Deutschland immer noch eine sehr niedrige Eigentumsquote. Hier beträgt der Anteil gut 50 Prozent, nur in der Schweiz ist er noch niedriger, mit 33 Prozent. In Hamburg liegt die Eigentumsquote bei sogar nur 31 Prozent. Dabei wünschen sich die Menschen auch hier, mit einer Immobilie gleichzeitig Renditechancen, eine hohe Lebensqualität und Absicherung im Alter zu verwirklichen.