Hamburg. Führende Hamburger Unternehmen wollen Getestete als Gäste und sehen Senatspläne kritisch. Die wichtigsten Antworten zu 2G und 3G.
Olivia Jones wurde ihrem Ruf als Drama Queen mal wieder gerecht. „Nein, nicht ganz Hamburg wird auf die 2G-Option umgestellt. Es ist nur eine Alternative!“ Mit einem pathetischen Instagram-Post erinnerte sie alle Kiez-Kunden daran, dass bei ihr auch Getestete willkommen sind. So schnell findet das 2G-Modell anstatt des 3G-Modells in Hamburgs keine Freunde.
Führende Hotel-Betreiber, Gastronomen und Club-Besitzer haben sich kritisch bis ablehnend gegenüber der neuen 2G-Regel gezeigt, die der Senat als Option für Lockerungen in der Corona-Pandemie an möglich machen will. Die Block-Gruppe mit dem Grand Elysée und den Steakhäusern sowie das Vier Jahreszeiten könnten sich damit arrangieren, zumindest in Teilen irgendwann nur Geimpfte und Genesene als Gäste zu empfangen, um das dritte G (Getestet) auf diese Weise sanft zum Impfen zu ermuntern. Doch wie bei Clubs, Bars, Sportvereinen und kleinen Läden verbinden sich mit den neuen Möglichkeiten etliche Unwägbarkeiten – und womöglich arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
2G-Modell in Hamburg: Wo gilt es von Sonnabend an?
Das entscheiden die Betreiber selbst. Zuvor müssen sie sich elektronisch registrieren und Besuchern klar anzeigen. Alle Mitarbeiter müssen nachweislich genesen oder geimpft sein.
Wer kontrolliert den Status von Gästen oder Kunden?
Dazu sind die Inhaber aufgefordert. Sie müssen sich die Impfnachweise und Personalausweis zeigen lassen. Bei Verstößen können die Behörden Strafen von 1000 bis 20.000 Euro verhängen.
Wie reagieren die großen Hotels?
Die Block Gruppe (Block House, Jim Block und Grand Elysée) bleibt bei 3G, wie der Vorsitzende der Geschäftsführung, Stephan von Bülow, sagte: „Rund 40 Prozent unserer Gäste besuchen uns aktuell mit einem Test, diese Gäste dürften wir nicht mehr empfangen. Daher behalten wir zunächst die 3G-Regel für all unsere Unternehmen bei.“ Block befürworte auf lange Sicht die 2G-Regel. Von Bülow sagte: „Dass der Impfdruck auf die Bevölkerung nun über die eh schon gebeutelte Gastronomie und Hotellerie erfolgt, ist nicht der richtige Weg.“ Auch das Vier Jahreszeiten wird weiter auf 3G setzen. Für das Atlantic ist vollkommen unklar, „wie der Senat die 2G-Regelung konkret ausgestalten wird“.
Marc Ciunis vom Tortue Hotel in den Stadthöfen sagte, für ihn sei 2G nicht umsetzbar. „Wir haben zwar allen Mitarbeitern schon sehr früh ein Impfangebot machen können, aber nicht alle haben dieses auch angenommen. Diese Problematik gilt übrigens ungefähr für 90 Prozent aller größeren Hotel- und Gastronomiebetriebe in Hamburg.“ Die Motel One Gruppe (fünf Häuser) bleibt ebenso bei 3G, wie Oliver van Heest (Direktor im Motel One Fleetinsel) sagte.
Lässt sich innerhalb eines Hauses nach 2G und 3G trennen?
Grundsätzlich muss es klar für Gäste kommuniziert werden. Ingo C. Peters, geschäftsführender Direktor im Vier Jahreszeiten, sagte: „Sofern unser Betriebsrat zustimmt, wollen wir bestimmte Bereiche im Vier Jahreszeiten für das 2G-Modell anmelden. Das würde dann zum Beispiel für unseren Bankettbereich oder einzelne unserer Restaurants wie das Nikkei Nine oder das Haerlin gelten, wenn die dort eingesetzten Mitarbeiter durchgeimpft sind.“
Für den Vereinspräsidenten des FC St. Pauli, Oke Göttlich, ist klar: 2G könne die Stadien wieder füllen. Doch Göttlich will Ungeimpfte zulassen: „Beispielsweise schafft man gesonderte Eingänge und Areale für alle, die nicht geimpft sind und nur PCR-getestet kommen.“ Gespräche mit dem Gesundheitsamt müssten noch zeigen, ob Alkohol ausgeschenkt werden darf.
Kann man umbuchen, wenn plötzlich 2G gilt statt 3G?
Hotels und Restaurants werden keine Gäste ausladen. Stephan von Bülow (Block-Gruppe) wies darauf hin, dass sich die Branche das nach den langen Schließungen nicht leisten könne. Franco Esposito (Atlantic) sagte: „Vollkommen offen ist beispielsweise, wie die Gäste reagieren würden, schließlich liegen uns für die kommenden Monate bereits viele Zimmerbuchungen vor.“
Dürfen Arbeitgeber von Mitarbeitern den Impfstatus erfragen?
Für sensible Bereiche wie die Pflege ist es unerlässlich, dass der Impfstatus klar ist. Doch die Gesundheit gehört zum Intimbereich des Menschen. Block-Chef von Bülow sagte, aus Datenschutzgründen dürfe man nicht fragen. Arbeitsrechtler Heiko Hecht sagte dem Abendblatt, die Rechtsverordnung des Senates greife in die Berufsfreiheit und das Arbeitsrecht ein. „Man muss sich immer die Frage stellen: Ist es angemessen?“ Was also mache ein Gastronom, der 2G wolle, aber einen ungeimpften Koch habe?
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Arbeitsrechtlich könne man ihn nicht zu einer Impfung zwingen. Und bei Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen gar nicht geimpft werden können, stellen sich neue Fragen. „Das ist komplettes Neuland“, sagte Hecht. Er erwarte juristische Auseinandersetzungen, sollten die Regelungen so bleiben wie geplant.
Muss der Betriebsrat zustimmen?
Gibt es einen, werden Arbeitgeber klug genug sein, das Gespräch zu suchen. Arbeitsrechtler Hecht sagte, im Betriebsverfassungsrecht gebe es zum Impfstatus natürlich keine Angabe. Aber sich für 2G statt 3G zu entscheiden, könne eine „beträchtliche unternehmerische Entscheidung“ sein, die das Votum des Betriebsrates nötig mache. Das Vier Jahreszeiten will ohnehin die Arbeitnehmervertretung fragen.
In kleineren Firmen kann man nicht einfach das Personal tauschen, wie Wiebke Lüdemann vom Porzellanfräulein in Winterhude einwarf. Sie könne 2G nicht in Anspruch nehmen. Wenn eine Mitarbeiterin aus Gründen, die privat sind, nicht geimpft ist, hat sie schlichtweg keine andere. Auch in der Gastronomie sei die Personaldecke so dünn, dass jeder Mitarbeiter gebraucht werde. „Bei dieser Lösung fehlt mir der Realitätsbezug.“ An das bisherige 3G-Modell hätten sich ihre Kunden gewöhnt.
In den Kirchen darf mit 2G wieder gesungen werden. Werden Ungeimpfte nun vom Gottesdienst ausgeschlossen?
Eine Sprecherin der Nordkirche sagte dem Abendblatt: „Nach unserer kirchlichen Verfassung ist die Kirchengemeinde für die Gestaltung des Gottesdienstes zuständig, entscheiden wird also der jeweilige Kirchengemeinderat.“ Einige Gemeinden könnten von 2G bei Veranstaltungen oder Chören profitieren. Für die Gottesdiensten sei wichtig, dass es immer auch welche gebe, die „für alle Menschen unabhängig vom Impfstatus zugänglich sind“.
Wie viele Ungeimpfte besuchen die Gastro-Betriebe der Stadt?
Darüber gibt es keine Statistiken. Dominik Großefeld sagte über den „Silbersack“ auf St. Pauli: „Die Realität an meiner Tür zeigt, dass schon seit Wochen weit über 80 Prozent meiner Gäste mit Impfnachweis und nicht ,nur‘ mit Test kommen. Andere Barbetreiber berichten ähnliches.“
Fällt die Sperrstunde auf St. Pauli?
Für 2G-Teilnehmer ja. Die Kapazitätsgrenzen werden erhöht, im Stehen darf gegessen und getrunken werden. In Diskotheken herrscht auf der Tanzfläche weiterhin eine Maskenpflicht. Nach einer internen Umfrage des Clubkombinats (55 Veranstalter) ist die Hälfte der Clubs noch unentschieden, ob sie 2G anmeldet. Der Kombinats-Vorsitzende Kai Schulz sagte: „Vieles ist noch unklar. Wenn 2G, dann ohne Maske“, forderte er. Es entstehe ein Impfdruck, der mit einem Ausschluss von sozialer Teilhabe einhergehe. „Darüber muss es noch eine Diskussion geben.“
Ändert der Hamburger Sportbund ab sofort seine Regeln?
Nein. Der HSB (500.000 Mitgliedschaften in 820 Vereinen) verschafft sich gerade ein Stimmungsbild. Erste Tendenz: Die Clubs würden den gesellschaftspolitischen Konflikt zwischen 2G und 3G gerne vermeiden, setzen daher weiter auf ein über strenge Hygieneregeln abgesichertes Sportangebot. Zudem ist oft ein Teil der Übungsleiter und Trainer bisher nicht geimpft. Eine Empfehlung des HSB wird es nicht geben.
Fällt die Maske im Fitnessstudio?
Nein, auch bei 2G nicht. Anbieter wie Meridian, Fitness First oder die Kaifu-Lodge in Eimsbüttel halten vorerst an den 3G-Regeln fest. „Der Wechsel zu 2G ist eine verlockende Option, endlich wieder uneingeschränkt trainieren zu dürfen“, sagt Kevin Nafar von der Geschäftsführung der Kaifu-Lodge. „Diese Entscheidung hieße aber zugleich, lieben und langjährigen Mitgliedern den Zugang zum Sport zu verwehren.“ Hamburgs größtes Fitnessstudio fährt deshalb eine Doppel-Strategie. Das Testzentrum in den Studioräumen bleibt geöffnet, in Absprache mit dem Gesundheitsamt soll hier demnächst die zusätzliche Möglichkeit geschaffen werden, sich vor Ort impfen zu lassen.
Wer kontrolliert 2G im Verein oder bei der Buchung von Soccerhalle und Tennisplatz?
Tennisvereine mit elektronischem Buchungssystem sind bei 2G verpflichtet, alle vor dem Betreten der Plätze zu kontrollieren, andernfalls verlieren sie ihre 2G-Status, zudem droht eine Geldstrafe. „Wir als relativ kleine Vereine sehen uns nicht in der Lage, die von der Behörde und der Senatskanzlei bislang angedachten Regeln und Verfahren einzuhalten. Wir können keine Person permanent abstellen und bezahlen, die die Corona-Nachweise in der Zeit von 8 bis 22 Uhr werktags und am Wochenende kontrolliert“, sagt Wolfgang Kunkel, Vorsitzender des Othmarscher Tennis-Clubs.
„Die Stadt hat gerade die Kampagne ,SportVEREINtuns’ gestartet, bei der Vereinseintritte mit einmalig 80 Euro bezuschusst werden. Jetzt wieder bestimmte Gruppen auszuschließen, liefe dieser Initiative der Active City zuwider. Wir bleiben bei 3G“, sagte Marin Hildebrandt, Geschäftsführer des SV Eidelstedt (7000 Mitglieder). Frank Fechner vom Eimsbütteler Turnverband (13.000 Mitglieder) sieht es ähnlich. Der ETV wird vorerst an seinen Zugangsregeln nichts ändern, richtet aber an diesem Sonnabend in Zusammenarbeit mit dem benachbarten Agaplesion Diakonieklinikum im Vereinsgebäude an der Bundesstraße 96 von 12 bis 16 Uhr ein mobiles Impfzentrum ein. Anmeldungen sind nicht nötig.