Hamburg. Neue Serie: Wie nachhaltig ist Hamburg? Teil 3: Die Mobilität soll klimaverträglicher werden. Die Pläne für Hamburg.

Der Verkehrssektor macht rund 30 Prozent der CO2-Emissionen Hamburgs aus – und anders als die Energiewirtschaft und die Industrie hat er seinen Ausstoß des klimaschädlichen Gases seit Beginn des aktuellen Jahrtausends nicht verringert. Drei Viertel dieser Emissionen verursacht der Straßenverkehr. Zwar sind Autos und Lastkraftwagen in diesem Zeitraum tendenziell sparsamer geworden. Doch der Mengeneffekt wirkt dagegen: Es sind heute viel mehr Lkw unterwegs, der Pkw-Bestand hat in der Hansestadt in den vergangenen 20 Jahren stetig um gut 16.500 auf rund 806.000 Fahrzeuge zugenommen.

Diese scheinbare Gesetzmäßigkeit will Anjes Tjarks (Grüne), Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende, durchbrechen. In diesem Jahrzehnt soll der Anteil des sogenannten Umweltverbunds – der öffentliche Personennahverkehr sowie der Rad- und Fußverkehr – an allen innerstädtisch zurückgelegten Wegen von 64 auf 80 Prozent steigen. „Dazu bauen wir sowohl den ÖPNV als auch die Radinfrastruktur massiv aus, denn vor allem ein attraktives Angebot bewegt die Menschen zum Umstieg“, sagt Tjarks.

Zudem wolle man bis 2030 Busse und Taxis „lokal emissionsfrei“ machen. Beim Kraftfahrzeug-Verkehr sei die Elektromobilität der Schlüssel, um die Emissionen nachhaltig zu reduzieren. Um diesen Wandel voranzubringen, ergänze Hamburg die vorhandenen finanziellen Förderungen des Bundes durch „praxisnahe lokale Initiativen“, so Tjarks: „Unter anderem die Befreiung von Parkgebühren für Elektro-Autos ist hier ein echter Erfolgsfaktor.“

Straßenverkehr in Hamburg muss CO-Bilanz schnell verbessern

Angesichts der immer deutlicher spürbar werdenden Auswirkungen des Klimawandels ist klar: Der Straßenverkehr muss seine CO2-Bilanz möglichst schnell spürbar verbessern. „Für den Pkw-Bereich gibt es dafür keine andere Möglichkeit, als voll auf den batterieelektrischen Antrieb zu setzen“, sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des privatwirtschaftlichen Forschungsinstituts Center Automotive Research. Zwar gibt es Einwände, die etwa auf die Knappheit und die problematischen Förderbedingungen von Batterierohstoffen wie Kobalt verweisen.

„Aber das ist eher ein Thema der Vergangenheit als der Zukunft“, so Dudenhöffer: „Das Recycling macht Fortschritte, außerdem werden immer häufiger kobaltfreie Batterien eingesetzt.“ Lithium-Eisenphosphat-Akkus kommen nicht nur ohne die knappen Metalle Kobalt, Mangan und Nickel aus, sie sind nach seinen Angaben auch um 20 Prozent günstiger: „Damit werden E-Autos in den nächsten Jahren erschwinglicher.“

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Gleichzeitig verbessert sich die Ladeinfrastruktur. So arbeitet ein Hamburger Team des Elektrotechnikkonzerns Siemens mit Aral zusammen, um Tankstellen mit Ultra-Schnellladesäulen auszustatten. In Hamburg hat das Team um Axel Mohr, Verkaufsleiter für Netzinfrastruktur, schon an an zwei Tankstellen in Allermöhe und in Rothenburgsort die Technik installiert, mit der man in nur zehn Minuten 350 Kilometer Reichweite zuladen kann.

E-Autos werden in den nächsten Jahren erschwinglicher

Wasserstoff, der ab 2025 im Hamburger Hafen in großem Stil mittels Windstrom erzeugt werden soll, ist aus Sicht von Dudenhöffer keine Alternative für Privatautos: „Für sie ist eine Brennstoffzelle viel zu teuer.“ Zudem benötige man für die große Zahl der Pkw ein viel dichteres Tankstellennetz als für den Lkw-Verkehr. „Aber wer stellt sich schon eine Wasserstofftankstelle für eine Million Euro hin, wenn er keine Autos dafür sieht?“, so Dudenhöffer.

Theoretisch könnten sogenannte E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe auf Wasserstoff-Basis, den größten CO2-Reduktionseffekt bringen, denn sie sind für alle heutigen Verbrennungsmotoren ohne technische Veränderung geeignet. „E-Fuels werden von Autobauern und Mineralölkonzernen, die sich Zeit kaufen möchten, in die Diskussion gebracht“, sagt Dudenhöffer. Der große Nachteil dieser Kraftstoffe sei die „schrecklich schlechte Energieeffizienz“: Weil erst einmal unter hohem Energieaufwand Wasserstoff erzeugt werden müsse, der dann mit erneut hohem Energieeinsatz mittels CO2 aus der Luft in Kraftstoff umgewandelt werde, blieben am Ende gerade noch 15 Prozent der insgesamt aufgewendeten Energie für den Antrieb übrig.

Zum Vergleich: Studien zufolge kommen bei einem E-Auto mit Batterie knapp 70 Prozent der eingesetzten Energie tatsächlich auf der Straße an. Für jeden Kilometer, den ein Wasserstoff-Pkw fährt, muss also mehr als das Vierfache des Wind- und Solarstroms verwendet werden, den ein batterieelektrisch angetriebenes Auto benötigt.

Das sind die Perspektiven für den Lkw-Verkehr

Anders sehen die Perspektiven für den Lkw-Verkehr aus. Wegen der hohen erforderlichen Leistung und der großen Reichweite, die für Fernfahrten benötigt wird, bieten sich Batterien hier nicht an. Wollte ein 40-Tonner damit von Hamburg nach München kommen, müsste der Akku elf Tonnen wiegen. Für den Einsatz bei Speditionen wiegt der Kostennachteil der Wasserstofftechnologie hingegen nicht mehr so schwer, zumal ein Elektroantrieb niedrigere Wartungsaufwendungen verursacht und der CO2-Besteuerung entgeht.

Für 2025 plant Daimler die Auslieferung der ersten Wasserstoff-Lkw, Shell Deutschland mit Sitz in Hamburg will als Kooperationspartner des Fahrzeugbauers ein Tankstellennetz zwischen den Wasserstoff-Produktionsstandorten Rotterdam, Köln und Hamburg errichten. Ein Konsortium unter Beteiligung von Shell errichtet in Moorburg eine sogenannte Elektrolyseanlage mit 100 Megawatt Leistung.

Wissenwertes zu Wasserstoff

  • Wasserstoff ist das im Universum am häufigsten vorkommende chemische Element.
  • Auf der Erde existiert Wasserstoff aber fast ausschließlich in gebundener Form, meist als Bestandteil von Wasser, Erdgas oder Erdöl.
  • Um ihn in reiner Form zu gewinnen, wird Wasser (H2O) in die Gase Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) aufgespalten. Dies erfordert viel Energie.
  • Das Verfahren der Aufspaltung mittels elektrischen Stroms heißt Elektrolyse. Erste Anlagen entstanden vor mehr als 100 Jahren, sie fanden aber wegen der im Vergleich zur Erzeugung aus Erdgas hohen Kosten keine breite Verwendung.

Als Brückentechnologie dürfte im Lkw-Verkehr verflüssigtes Erdgas (LNG) zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich zwar um einen weiterhin fossilen Energieträger mit eigenen Umweltpro­blemen, immerhin aber lassen sich die CO2-Emissionen gegenüber Diesel um rund ein Fünftel verringern. Bereits 2018 hat Shell in Wilhelmsburg die erste LNG-Tankstelle Deutschlands für Lkw eröffnet. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) begrüßte damals das Engagement: „Erdgas und LNG können einen substanziellen Beitrag dazu leisten, die Luft in dieser Stadt zu verbessern.“ Denn die Stickoxid-Emissionen eines LNG-Lkw seien um 70 Prozent geringer als die eines vergleichbaren Diesel-Fahrzeugs.

LNG: Einige Kreuzfahrtschiffe werden schon mit Flüssiggas betrieben

Was für den Lkw-Verkehr gilt, das gilt um so mehr für Schiffe: Batterien sind heute noch zu schwer für sie, allenfalls für Binnenschiffe und Fähren mit häufigen Stopps kommen sie infrage. LNG wird ebenfalls bereits genutzt. So fährt bereits seit 2018 das Kreuzfahrtschiff Aidanova mit diesem Treibstoff, bis 2023 sollen es schon drei Schiffe der Aida-Flotte sein. Ozeanriesen befördern neben Kreuzfahrtpassagieren aber vor allem rund 80 Prozent der weltweiten Handelsgüter. Einer Studie zufolge verursachen allein die Containerschiffe, die Konsumgüter zwischen Europa und anderen Teilen der Welt transportieren, so viel CO2 wie 38 Millionen Autos.

Doch die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) der Vereinten Nationen hat das Ziel ausgegeben, die Emissionen bis 2050 gegenüber dem Bezugsjahr 2008 zu halbieren – und das bei tendenziell steigender Transportleistung. Auf längere Sicht könnte Wasserstoff auch hierfür Chancen bieten. So will die Reederei DFDS bis 2027 mit einer wasserstoffbetriebenen Fähre für 1800 Passagiere eine regelmäßige Verbindung zwischen Kopenhagen und Oslo einrichten.

Auch in der Schifffahrt gibt es Zwischenschritte: Schon seit 2013 nutzt Scandlines auf der Strecke Puttgarden-Rødby Fähren mit Hybridantrieb. Hierbei lädt der Dieselmotor eine Batterie, die wiederum den Elektromotor speist, was um 15 Prozent effizienter als die herkömmliche Technik sein soll.

In der Luftfahrt sind die Herausforderungen besonders groß

Im Hinblick auf technische Revolutionen für den Klimaschutz hat sich in der Luftfahrt bisher am wenigsten getan. Hier sind die Herausforderungen aber auch besonders groß, unter anderem weil das Gewicht für die Fliegerei eine noch größere Rolle spielt als für Transportmittel am Boden wie Autos oder Schiffe. Zwar werden Passagierflugzeuge mit Batterieantrieb entwickelt. „Auf absehbare Zeit wird das aber nur auf Strecken von höchstens 400 Kilometern und für kleine Maschinen mit höchstens 20 Sitzen gehen“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.

Airbus arbeitet an Konzepten für Flugzeuge mit Wasserstoffantrieb. Sie sollen im nächsten Jahrzehnt auf den Markt kommen
Airbus arbeitet an Konzepten für Flugzeuge mit Wasserstoffantrieb. Sie sollen im nächsten Jahrzehnt auf den Markt kommen © Airbus | Airbus

Kein Wunder, dass man auch in der Luftfahrt auf E-Fuels in relevanten Mengen hofft. Damit wären an den Flugzeugen und auf Flughäfen überhaupt keine Änderungen nötig. Das Problem liegt in den Produktionskosten. „Wegen der hohen Umwandlungsverluste mit Wasserstoff als Zwischenstufe würde künstlicher Flugtreibstoff zunächst ein Mehrfaches des herkömmlichen Kraftstoffs kosten“, so Großbongardt. Andere Experten erwarten, dass E-Fuels mindestens viermal so teuer wie Kerosin sein werden.

Bahn fährt im Fernverkehr bereits seit 2018 zu 100 Prozent mit Ökostrom

Anders als das Flugzeug steht die Bahn nicht in der Kritik von Klimaschützern. Im Schienenfernverkehr sind die Treibhausgasemissionen pro Passagier nach Angaben des Umweltbundesamts um den Faktor sieben geringer als die eines Inlandsflugs. Dabei wird der durchschnittliche Strommix in Deutschland angenommen, auch wenn die Bahn im Fernverkehr bereits seit 2018 zu 100 Prozent mit Ökostrom fährt.

Einschließlich des Nahverkehrs und der S-Bahnen sind es aber nur gut 60 Prozent. Erst im Jahr 2038 will die Bahn auch hier vollständig auf Grünstrom umgestellt haben. Daneben gibt es noch die nicht elektrifizierten Strecken auch im Norden. Auf ihnen könnte dann wieder ein Wasserstoff-Antrieb ins Spiel kommen – und damit auch die geplante Produktionsanlage im Hamburger Hafen.