Hamburg. Ver.di befürchtet auch schlechtere Arbeitsbedingungen. Das Unternehmen spricht von Umstrukturierung. Was steckt dahinter?
Eigentlich sorgt Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd seit Monaten für gute Neuigkeiten. Das Unternehmen schreibt Rekordgewinne, holt seine Mitarbeiter aus dem Lockdown zurück und investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in die Modernisierung des Hauptsitzes am Ballindamm.
Umso mehr sorgte am Dienstag ein alarmierender Zwischenruf von Ver.di für Aufregung in der maritimen Szene der Stadt: Die Dienstleistungsgewerkschaft warnt vor einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und einem Stellenabbau auf Raten bei dem Schifffahrtsunternehmen.
Ver.di befürchtet Jobabbau bei Hapag-Lloyd
Dazu soll es bereits aktuelle Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan geben.
Hintergrund ist die Umstrukturierung bei Hapag-Lloyd, über die das Abendblatt bereits berichtete. Der Konzern hat die Corona-Pandemie zum Anlass genommen, um das Arbeiten in der Zukunft neu zu ordnen, abteilungsübergreifender, enger verzahnt. Einzelbüros sollen zugunsten von so genannten Arbeitsforen aufgelöst werden.
Schließung von Hapag-Lloyd-Standorten?
Ver.di befürchtet, dass diese Restrukturierung zur Schließung von Hapag-Lloyd-Standorten führen werde, weil durch eine regionale Konzentration von Aufgaben verschiedene Tätigkeiten an Inlandsstandorten wegfielen. Langfristig befürchtet Ver.di, „dass die Umstrukturierungen der Arbeitsabläufe die Arbeit weiter verdichtet und monotonisiert“, wie es in einer Mitteilung heißt.
Dabei stehe auch der Beruf des Schifffahrtskaufmanns/-kauffrau als Experte für den gesamten Prozess in Frage, heißt es. Zusätzlich drohe ein Jobabbau durch die intensivierte Automatisierung und Digitalisierung der Branche.
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Wie viele Jobs bei Hapag-Lloyd konkret bedroht sind, will oder kann Ver.di nicht sagen. „Die geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen bedeuten vor allem für die Beschäftigten in den deutschlandweiten Regionalbüros eine deutliche Veränderung“, kritisiert Maya Schwiegershausen-Güth, Bundesfachgruppenleiterin Maritime Wirtschaft bei Ver.di. „Wir haben große Sorge, dass die Interessen der Beschäftigten bei den geplanten Restrukturierungsmaßnahmen aus dem Blick geraten“, sagt sie. Schwiegershausen-Güth weiß, was in den Vorstandsbüros am Ballindamm beschlossen wird. Schließlich sitzt sie im Aufsichtsrat der Reederei.
Fortsetzender Trend zur Auslagerung von Tätigkeiten bei Hapag-Lloyd
So beobachtet sie einen sich fortsetzenden Trend zur Auslagerung von Tätigkeiten bei Hapag-Lloyd. Die vor einigen Jahren gegründeten Standorte in Polen und Indien, in den Bereichen Customer-Service, also Kundendienst und IT, seien seitdem stetig wachsend. Zuletzt durch die Umstrukturierung im Bereich IT, die die Verlegung ganzer Abteilungen an den Standort in Danzig zur Folge gehabt habe. Ohne wirtschaftliche Not werde in der Corona-Krise der Druck auf die Arbeitsplätze und –bedingungen erhöht. Durch die Pläne nehme die Verdichtung der Arbeit für die Beschäftigten zu.
Tatsache ist, dass Hapag-Lloyd eine IT-Abteilung in Danzig betreibt, die mittlerweile 150 Mitarbeiter umfasst. Das seien aber zusätzliche Stellen, denen kein Abbau gegenüberstehe, heißt es vom Unternehmen. Ver.dis Empörung entzündet sich nicht zuletzt daran, dass die Umstrukturierung in eine Zeit fällt, in der das Unternehmen Rekordgewinne macht. Von diesen komme bei den Beschäftigten nichts an, so die Kritik.
Vorstandsvorsitzender von Hapag-Lloyd weist Vorwürfe zurück
Die von Ver.di erhobenen Vorwürfe weist der Vorstandsvorsitzende Rolf Habben Jansen zurück. „Die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Hapag-Lloyd in Deutschland ist über die letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und zwischen 2014 und heute um rund 20 Prozent gewachsen. Eine Reduzierung der Belegschaft ist nicht geplant.“ Die geplanten Umstrukturierungen bei Hapag-Lloyd führten auch nicht zu einem Stellenabbau.
„Es geht vielmehr darum, bestimmte Tätigkeiten an den Standorten Hamburg, Frankfurt und München zu bündeln und zusammenzuführen. Die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland wird deswegen voraussichtlich eher steigen“. so der Vorstandschef. Hapag-Lloyd und die Betriebsräte seien gegenwärtig in entsprechenden Verhandlungen und hätten bereits fest vereinbart, dass es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen und zu keinen einseitig angewiesenen Versetzungen kommen werde.
Forderung an den Hamburger Senat
Auch die Abschaffung des Schifffahrtskaufmanns als Berufsbild weist Habben Jansen zurück. „Als größter maritimer Ausbildungsbetrieb in Deutschland setzen wir auch in Zukunft auf die Ausbildung junger Menschen in verschiedenen Berufsbildern an Land und auf See, so zum Beispiel auch auf den Schifffahrtskaufmann und die Schifffahrtskauffrau.“ Die jährliche Anzahl der neuen Auszubildenden bei Hapag-Lloyd in Deutschland sei über die letzten Jahren konstant. Derzeit beschäftigt Hapag-Lloyd mehr als 200 Auszubildende.
Die Gewerkschaft beruhigt das allerdings nicht. Sie fordert den Senat dazu auf, sich einzuschalten. Immerhin ist die Stadt Hamburg mit fast 14 Prozent einer der bedeutenden Anteilseigner und Ankeraktionär der Reederei. „Wir erwarten von der Hamburger Politik, dass sie Verantwortung übernimmt und dafür Sorge trägt, dass Veränderungen nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen. Die Pandemie hat zu großer Verunsicherung geführt, deshalb ist es umso wichtiger, den Kolleginnen und Kollegen Sicherheit und gutes Einkommen zu garantieren“´ sagte die stellvertretende Ver.di-Landesleiterin, Sieglinde Frieß. Die zuständige Finanzbehörde wollte sich zu den Vorgängen nicht äußern. Sie verwies stattdessen auf die Äußerungen von Vorstandschef Habben Jansen.
Aktie von Hapag-Lloyd liegt seit 4. August konstant über 200 Euro
Die Aktie nimmt von der Aufregung wenig Notiz. Sie liegt seit 4. August konstant über 200 Euro – ein Wert, den sie in der Unternehmensgeschichte erst einmal erreicht hat, am 6 Juli. Die Anleger interessiert mehr, wie hoch die Gewinne ausfallen. Und da hat Habben Jansen die Erwartungen schon nach oben geschraubt: Er prognostiziert ein Jahresergebnis vor Zinsen und Steuern zwischen 6,2 bis 7,9 Milliarden Euro., nach 1,3 Milliarden Euro im Vorjahr.