Hamburg. Deutschland-Geschäftsführer Stoffel Thijs über Expansionspläne, das starke Corona-Jahr 2020, Lieferzeiten und vegetarische Produkte.

Stoffel Thijs sitzt vor einer Deutschland-Flagge und rot-blauem Dominostein – passend für den Geschäftsführer von Domino’s Pizza hierzulande. Allerdings ist es ein virtueller Hintergrund. In der Realität befindet sich der 40 Jahre alte Niederländer beim Abendblatt-Gespräch nicht in der Zen­trale in der HafenCity, sondern im Home­office in Amsterdam.

Hamburger Abendblatt: Herr Thijs, Sie haben als Fahrer bei Domino’s angefangen. Liefern Sie auch selbst noch Pizzen aus?

Stoffel Thijs: Leider nicht so häufig wie ich gerne würde. Das letzte Mal war vor einem Jahr in Münster. Als eine Pizza aus dem Ofen kam und kein Fahrer da war, bin ich aufs Fahrrad gestiegen. Das Ausliefern und das Reden mit den Kunden machen mir nach wie vor viel Spaß.

Während viele Gastronomie-Betriebe in der Corona-Krise massive Einbußen erlitten, lief es bei Lieferdiensten sehr gut. Wie sah es konkret bei Ihnen aus?

Thijs: Wir haben unseren Umsatz 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 55 Millionen auf 290 Millionen Euro gesteigert. In der Rangliste der größten Systemgastronomen Deutschlands sind wir von Platz 14 auf vier geklettert. Das wären wir ohne die Krise nicht, weil Konkurrenten wie zum Beispiel die einstige Lufthansa-Tochter LSG Sky Chefs massiv verloren. Auch beim Gewinn legten wir stark zu, nennen aber keine genauen Daten. Sowohl Umsatz als auch Gewinn waren Rekordwerte für uns und unsere Franchisepartner. Ich bin sehr stolz, dass sich die harte Arbeit auszahlt, die wir gemeinsam mit unseren Teams in den Geschäften und in der Zentrale leisten. Doch es tut uns für alle Gastronomiebetriebe leid, die schließen mussten und das wahrscheinlich härteste Jahr ihrer Existenz hinter sich haben. Somit ist es für uns ein zwiespältiges Ergebnis.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Bestellen die Kunden bei Ihnen nur Pizza?

Thijs: Zu etwa drei Vierteln Pizza. Dazu kommen Getränke, Hähnchen, Wraps, Pasta, Salat und Desserts. In Deutschland sehr beliebt sind auch Pizzabrötchen.

Vegetarisches Essen ist immer stärker im Kommen. Spüren Sie das auch?

Thijs: Ja, unsere veganen Pizzen und Pizzabrötchen kommen sehr gut an. Kurz vor der Einführung stehen veganes Dressing, veganer Dip und veganer Cookie. Wir wollen mit den Produkten neben den Veganern auch Flexitarier ansprechen, die bewusst weniger Fleisch essen. Doch auch Hähnchen ist weiter beliebt, aber auch unsere pflanzenbasierten Filetstücke Hähnchen-Style sind sehr gefragt.

Wo essen die meisten Menschen ihre Pizza?

Thijs: Zu Hause. Aber wir liefern sie auf Wunsch auch weiter an den Elbstrand, das Alsterufer oder in den Stadtpark. Die Kunden schätzen diese Möglichkeit vor allem in den Sommermonaten.

Wie sehen Ihre Expansionspläne aus?

Thijs: Im vergangenen Jahr eröffneten wir 24 Filialen in der Bundesrepublik und kamen auf 345. In diesem Jahr möchten wir um die 50 Läden eröffnen. In den ersten drei Monaten waren es bisher neun. Den nächsten in Hamburg werden wir am 13. April an der Osterstraße eröffnen.

Sollen noch weitere in Hamburg folgen?

Thijs: Unser langfristiges Ziel sind 80 Läden in der Hansestadt. Bis Ende 2022 wollen wir zehn neue Geschäfte in Hamburg haben und auf 50 Geschäfte kommen. Die Gespräche über Standorte laufen. Auch in der Metropolregion sehen wir noch viel Potenzial, haben gerade Geschäfte in Quickborn und Winsen (Luhe) eröffnet, und es werden weitere Orte folgen. Unsere Franchisepartner haben Bock auf Expansion.

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Kannibalisieren sich die Läden nicht?

Thijs: Nein. Seit 2016 haben wir die Zahl der Geschäfte in Hamburg von 23 auf 40 gesteigert. Das heißt: Die Liefergebiete sind nur noch halb so groß. Zudem machen wir mehr Umsatz pro Laden. In einem großen Liefergebiet kann ein Fahrer vielleicht drei Touren pro Stunde machen, in einem kleinen sind es, ohne dass der Fahrer rasen muss, sechs bis sieben – das drückt die Personalkosten und macht das Geschäft profitabler.

Wie lange dauert es von der Bestellung bis zur Lieferung?

Thijs: Im Schnitt sind die Pizzen nach 23,5 Minuten beim Kunden. 2020 sind wir fast zwei Minuten schneller geworden. Unser Ziel ist weniger als 20 Minuten. In Hamburg schaffen wir das an einigen Standorten schon. In der HafenCity sind es 11,5 Minuten, in Rotherbaum 13,6 Minuten. Viel weniger geht nicht. Maximal eineinhalb Minuten sollen von der Bestellung bis zum Reinschieben der Pizza in den Ofen vergehen, sechs Minuten backt sie, dann sollte sie eine Minute später verpackt an den Fahrer gehen.

Planen Sie die komplette Umstellung der Flotte auf elektrischen Antrieb?

Thijs: Bisher wird rund ein Drittel der Bestellungen hierzulande mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen ausgeliefert, vor allem mit dem E-Bike. In Hamburg sind es mehr als die Hälfte der Aufträge. Unser Ziel ist, dass wir komplett auf E-Mobilität umstellen. Es muss aber wirtschaftlich sein, und die Autos, insbesondere für Geschäfte auf dem Land, müssen dafür auch verfügbar sein. Eine Stadt wie Hamburg wird sicherlich zu den ersten gehören, in der komplett auf E-Antrieb umgestellt wird.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Ihre Zentrale sitzt in der HafenCity. Was passiert dort?

Thijs: Unsere Mitarbeiter bereiten zum Beispiel die Expansion vor. Sie schauen sich Standorte an, sprechen mit Vermietern, planen die Läden und stimmen sich beim Umbau mit den Baufirmen ab. In dem Bereich haben wir viel Personal aufgestockt. Wir beschäftigen jetzt rund 120 Mitarbeiter am Sandtorkai – 30 mehr als vor 18 Monaten. Unser Marketing-Team arbeitet daran, die Marke Domino’s noch bekannter zu machen. Auch diese Abteilung wächst. IT, Finanzen, Einkauf sitzen dort ebenfalls, zudem ein Geo-Team, das die Liefergebiete optimiert. Etwa zehn weitere Stellen wollen wir dieses Jahr aufbauen.

Unternehmen sollen zweimal pro Woche Schnelltests für ihre Mitarbeiter in Präsenz anbieten. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Thijs: Wir sind keine Gesundheitsexperten. Daher folgen wir mit unseren Schutzmaßnahmen zu jeder Zeit den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und der lokalen Gesundheitsbehörden. Unsere Mitarbeiter in der Zentrale sollen, wenn es irgendwie möglich ist, von zu Hause arbeiten. Das machen die meisten auch. Als ich zuletzt im Büro war, habe ich statt rund 100 nur eine gute Handvoll Mitarbeiter getroffen. Wenn diese doch mal ins Büro müssen, bieten wir ihnen Tests an. In den Geschäften liegt die Verantwortung dafür bei unseren Franchisepartnern. Wir fordern sie auf, ihre Mitarbeiter zu testen. Schließlich können die Pizzabäcker die Pizza nicht zu Hause backen, und auch die Fahrer müssen vor Ort sein. Grundsätzlich sollen die Franchisenehmer die Tests selbst einkaufen. Bei Problemen unterstützt unser Team aus dem Einkauf.

Befürchten Sie einen Geschäftseinbruch, wenn der Lockdown vorbei ist, weil wieder mehr Menschen in Restaurants gehen?

Thijs: Nein. Ich hoffe sogar, dass jeder sein Lieblingsrestaurant besucht und nach der schweren Zeit unterstützt. Vielleicht haben wir zwei, drei Wochen lang einen Einbruch. Aber die Menschen werden nicht jeden Tag ins Restaurant gehen. Durch Corona ist das Wachstum, das wir in drei Jahren erwartet hatten, in einem Jahr geschehen. Es sind neue Kunden zu uns gekommen, und die werden auch bleiben. Das Liefergeschäft wird wachsen. Derzeit haben wir 354 Geschäfte in Deutschland. Perspektivisch wollen wir 1000 Geschäfte haben. Wir sind uns darüber bewusst, dass ein geöffnetes Geschäft in diesen Zeiten ein Privileg ist.