Berlin. Ladesäulen, Förderprämien, neue Modelle: Es tut sich was bei der Elektromobilität in Deutschland. Was Verbraucher jetzt wissen müssen.

Der Countdown tickt, dazwischen tauchen die Ladesäulen einer Batterie auf dem Bildschirm auf, unterlegt von Techno-Musik. Eine Produktankündigung als digitales Live-Event, verbunden mit ganz viel Show. Das kennt man bisher vor allem aus den USA.

Am Montag kam die Show aber nicht aus dem Silicon Valley. Sondern aus Wolfsburg. Und Redner war nicht Tesla-Chef Elon Musk, sondern Volkswagen-Chef Herbert Diess. „Lassen Sie mich mit dem Offensichtlichen beginnen“, sagte der 62-Jährige. „Die Elektromobilität hat das Rennen gewonnen.“

Elektromobilität: Deutsche Autobauer blasen zur Aufholjagd

Lange haben die deutschen Autobauer Tesla belächelt, wirkten anschließend vom Siegeszug und der technischen Überlegenheit der Musk-Autos wie erstarrt. Nun aber blasen Volkswagen, BMW und Daimler zur Aufholjagd.

Volkswagen kündigte am Montag überraschend den Bau von fünf weiteren Batteriezellfabriken an. Am Dienstag legten die Wolfsburger nach: Schon in diesem Jahr will Volkswagen inklusive der Hy­brid-Plug-in-Fahrzeuge eine Million Elektroautos verkaufen.

Am Mittwoch ging auch BMW in die Offensive. Ab 2025 soll eine neue Fahrzeugklasse auf den Markt kommen. Neue Software, neue Antriebe, neue Batterien: „Hightech auf vier Rädern“, versprach BMW-Chef Oliver Zipse. Der Wandel ist in vollem Gange. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen:

Wie viele Modelle gibt es zu kaufen und was kosten sie?

Rund 80 Modelle rein elektrischer Autos gibt es mittlerweile zu kaufen, hinzu kommen rund 140 Plug-in-Hybride, die sowohl mit einem Elektro- als auch mit einem Verbrennermotor ausgestattet sind. Preislich ist die Spanne groß. Den Kabinenroller Renault Twizy gibt es nach Listenpreis schon für unter 7000 Euro, für Porsches Taycan Turbo muss man über 150.000 Euro hinlegen. Im mittleren Preissegment herrscht großer Konkurrenzkampf. Den Opel Corsa-e gibt es für knapp 30.000 Euro, Volkswagens ID.3 ab rund 31.500 Euro und Teslas Model 3 für rund 45.000 Euro.

Während zuletzt vor allem der Renault Zoe und Teslas Model 3 die Zahl der Neuzulassungen dominierten, schlägt Volkswagens E-Auto-Offensive nun bereits ein. Laut einer Auswertung des Duisburger CAR-Center Automotive Research dominieren VWs ID.3 und der Up die derzeitigen Neuzulassungen.

„VW prescht vor und hat sein System revolutioniert“, sagte CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer unserer Redaktion. „Auch Daimler wird mit seinen neuen Modellen EQE und EQS in diesem Jahr wichtige Akzente setzen.“ BMW ist nach Einschätzung des Autoexperten ein „Spätstarter“, der aber nun die richtigen Lehren gezogen habe.

Daimler-Chef Ola Källenius präsentierte im Februar das Konzeptfahrzeug EQS, der in diesem Jahr auf den Markt kommen soll.
Daimler-Chef Ola Källenius präsentierte im Februar das Konzeptfahrzeug EQS, der in diesem Jahr auf den Markt kommen soll. © imago images/Sven Simon | FrankHoermann

Wie werden E-Autos gefördert?

Im vergangenen Jahr verlängerte die Bundesregierung die sogenannte Innovationsprämie bis 2025. Der Erwerb eines reinen E-Autos wird mit bis zu 9000 Euro gefördert, Plug-in-Hybride mit bis zu 6750 Euro, wenn sie höchstens 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen oder eine rein elektrische Mindestreichweite von 40 Kilometern haben. Auch für Leasingfahrzeuge gibt es Förderungen, ebenso für Gebrauchtwagen. Private Ladepunkte werden mit bis zu 900 Euro gefördert.

Für die Antragstellung muss das Fahrzeug erworben und zugelassen werden. Anschließend kann auf der Webseite des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) der elektronische Antrag auf Förderung gestellt werden.

Wie ist das öffentliche Ladenetz?

Unterschiedlich. Nach Berechnungen des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA) müssen sich in Krefeld fast 200 E-Autos einen öffentlichen Ladepunkt teilen, im bayerischen Regen sind es dagegen nur knapp zwei Fahrzeuge.

Nach Angaben der Bundesnetzagentur gibt es derzeit knapp 35.000 Normalladepunkte und 5730 Schnellladepunkte. Während an öffentlichen Normalladepunkten der Ladevorgang je nach Batterie bis zu vier Stunden dauern kann, geht es bei Schnellladepunkten bis zu viermal so schnell.

Nun muss der Ausbau mit dem E-Auto-Boom – im vergangenen Jahr wurden inklusive Plug-in-Hybriden fast 400.000 Elektroautos zugelassen – Schritt halten. Die Bundesregierung will bis Ende 2023 mit fast zwei Milliarden Euro 1000 Ladestationen an Autobahnen aufbauen.

Volkswagen kündigte an, mit dem Energie- und Mineralölkonzern BP/Aral bis 2025 rund 18.000 Schnellladepunkte betreiben zu wollen. VW, BMW, Ford, Hyundai, Mercedes, Porsche und Audi bilden zudem die Kooperation Ionity, die europaweit 400 Ladeparks mit durchschnittlich rund sechs Ladesäulen pro Ladepark betreibt.

Kompliziert ist es bisweilen noch bei den Bezahlmöglichkeiten und den verschiedenen Tarifen an den Ladestationen. „Aus Verbrauchersicht wäre es wichtig, beim Bezahlen einheitliche Standards zu schaffen und bei den Preisen mehr Transparenz! Verbraucher müssen vor dem Ladevorgang wissen, was sie am Ende für den getankten Strom zahlen müssen“, teilte ein ADAC-Sprecher auf Anfrage mit.

Volkswagens ID.3 war im Januar und Februar 2021 das meistzugelassene reinelektrische Auto in Deutschland.
Volkswagens ID.3 war im Januar und Februar 2021 das meistzugelassene reinelektrische Auto in Deutschland. © AFP | Hendrik Schmidt

Werden Verbrenner verboten?

In immer mehr Ländern wird ein Termin festgelegt, nach dem keine neuen Diesel- und Benzinfahrzeuge mehr zugelassen werden sollen. In Norwegen, wo schon heute mehr als jedes zweite Auto elek­trisch fährt, soll es schon 2025 ein Verbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor geben. Erstmals nannte nun auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ein Ausstiegsdatum. Der CSU-Politiker visierte in der „Welt am Sonntag“ das Jahr 2035 als Ausstiegsjahr an. Bereits im vergangenen September hatte CSU-Chef Markus Söder ein Verbrennerverbot ab 2035 ins Spiel gebracht.

VW hingegen will vorerst am Verbrenner festhalten. „In einigen Regionen werden Verbrenner noch länger als in anderen Regionen verkauft werden“, sagte VW-Chef Diess anlässlich der Jahresbilanz.

Die Autolobby setzt stattdessen auf die Weiterentwicklung der Kraftstoffe. „Wir werden 2030 noch bis zu 30 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren allein auf deutschen Straßen haben“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller unserer Redaktion. Diese müssten so früh wie möglich klimaneu­trale Kraftstoffe tanken. „Nur mit beidem, Strom und Kraftstoffen aus nachhaltigen Quellen, werden wir unser gemeinsames Ziele der emissionsfreien Mobilität erreichen“, sagte Müller. Auch der ADAC spricht sich für eine Weiterentwicklung bisheriger Kraftstoffe aus.

Ist Teslas Vorsprung unerreichbar?

In den vergangenen Jahren wurden Teslas Ankündigungen meist bestaunt, die deutschen Autobauer dagegen für Pannen und Rückrufe verspottet. Das machte sich auch an der Börse bemerkbar. Tesla hat eine höhere Marktkapitalisierung als alle deutschen Autobauer zusammen.

Trotz Teslas technischer Überlegenheit bei der Software ist nun aber das Selbstvertrauen der deutschen Konzerne zurück. „Bis spätestens 2025 will der Konzern Weltmarktführer für E-Mobilität werden“, teilte Volkswagen mit. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer rechnet sogar damit, dass dies schon 2022 klappen könnte.

Eine Hoffnung ruhe dabei auf Quantumscape, einem US-Start-up, bei dem VW Hauptaktionär ist und das an einer Festkörperbatterie forscht, die leistungsstärker und reichweitenstärker als bisherige Batterien sein soll. „Die Festkörperbatterie wird die Batterie sein, die die Welt bewegen wird“, meint Dudenhöffer.

An der Börse ging es seit Montag für Volkswagen steil aufwärts. Zum einen scheint die Fantasie, dass VW eine prägende Rolle bei der Elektromobilität spielen kann zurück. Zum anderen scheint die Aktie aber ins Visier von US-Kleinanlegern auf der Plattform Reddit geraten zu sein, die jüngst schon die Gamestop-Aktie hochjubelten.

Nicht nur Volkswagen tritt selbstbewusst auf. BMW-Chef Oliver Zipse konnte am Mittwoch einerseits einen Gewinn trotz Corona-Pandemie von 3,86 Milliarden Euro verkünden. Zum anderen preschte er aber auch bei der Elek­tromobilität vor.

Bis 2030 soll jedes zweite verkaufte Fahrzeug vollelektrisch sein, der Mini sogar nur noch vollelek­trisch angeboten werden. Der BMW i4 komme in diesem Jahr zudem drei Monate früher als geplant. Die „grünsten Fahrzeuge“, kündigte Zipse an, sollten künftig von BMW kommen.

Der vollelektrische BMW i4 soll früher als geplant auf den Markt kommen.
Der vollelektrische BMW i4 soll früher als geplant auf den Markt kommen. © imago images/sepp spiegl | Sepp Spiegl via www.imago-images.de