Berlin. Einkaufen auf Termin, neue Quadratmeterregeln und Branchen im Stillstand: So geht es nach dem Spitzentreffen für die Wirtschaft weiter.
Als „Katastrophe“ beurteilt der Handelsverband Deutschland (HDE) die Lockerungsabsichten von Bund und Ländern, die Regierung habe „Steine statt Brot“ verteilt, klagen die Ladenvermieter, eine „Hinhaltepolitik ohne Perspektive“ sieht Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Die Wirtschaft reagiert enttäuscht auf die Bund-Länder-Beschlüsse. Viele Verbraucher sind ratlos. Was gilt wo und wie? Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wer darf ab Montag öffnen?
Nachdem die Friseure bereits öffnen durften, können vom kommenden Montag an auch weitere „körpernahe Dienstleister“ wie Kosmetiker oder Fußpfleger ihre Arbeit aufnehmen. Wenn dabei nicht dauerhaft eine Maske getragen werden kann, ist ein tagesaktueller Schnell- oder Selbsttest notwendig.
Auch für Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte geht es wieder los. Hier gilt: Ist das Geschäft maximal 800 Quadratmeter groß, darf sich darin ein Kunde pro zehn Quadratmeter aufhalten, ist es größer, halbiert sich die Kundenanzahl pro Quadratmeter.
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Diese Regelung gilt auch für den Einzelhandel – aber nur, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 liegt, was flächendeckend derzeit lediglich in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz der Fall ist. Liegt die Inzidenz zwischen 50 und 100, dann kommt „Click & Meet“ zum Einsatz – also das Einkaufen per Termin.
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Wie funktioniert Click & Meet?
Der Kunde kann einen Termin vereinbaren und zum verabredeten Zeitpunkt zum Einkaufen kommen. Dabei ist im Einzelhandel nur ein Kunde pro 40 Quadratmeter erlaubt. Geschäften steht es frei, Termine online oder telefonisch zu vergeben. Wichtig ist, dass der Name und die Kontaktdaten hinterlassen werden – so wie es im Sommer in der Gastronomie üblich war. Damit soll die Nachverfolgung bei einer Infektion gewährleistet werden.
Wie die Dokumentationspflicht genau aussieht, ist Ländersache. Im Sommer wurden Daten oft analog auf Zetteln erfasst, denkbar wären auch digitale Anwendungen wie die Luca-App. Eine Empfehlung an die Länder zur Umsetzung will das Bundeswirtschaftsministerium nicht aussprechen.
Eine Regelung wie in den Gartenmärkten, dass sich auch bei einer Inzidenz von über 50 ein Kunde pro zehn Quadratmeter im Einzelhandel aufhalten darf, gilt frühestens vom 5. April an. Das führt zu Kuriositäten. Sind beispielsweise ein Gartencenter, ein Möbelhaus und ein Autohaus gleich groß, so dürfen bei einer Inzidenz von über 50 in das Gartencenter doppelt so viele Kunden gehen wie in das Möbel- oder Autohaus.
Das sorgt für Kritik. „Blumen und Bücher sind in diesem Land offensichtlich wichtiger als digitaler und technischer Fortschritt“, sagte Florian Gietl, Deutschlandchef von MediaMarktSaturn, unserer Redaktion. Es sei nicht nachvollziehbar, warum einzelne Märkte ab dem 8. März öffnen dürften, andere aber nicht. Die Click&Meet-Regelungen bezeichnete Gietl als „weltfremde Lösung“, die „höchsten bürokratischen Aufwand“ bedeute und „kaum wirtschaftlich umsetzbar“ sei.
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Wann öffnen Biergärten?
Frühestens am 22. März. Und auch dann nur bei einer Inzidenz von unter 100 und mit vorheriger Terminbuchung. Außer natürlich, die Inzidenz liegt unter 50. Dann ist kein Termin notwendig.
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Wann kann man wieder ins Restaurant?
Restaurants, Gaststätten und Imbisse dürfen ihre Speisen weiter nur im Außer-Haus-Verkauf anbieten. Leidtragende der Schließung sind auch die rund 2,4 Millionen Beschäftigten, von denen viele in Kurzarbeit sind. Über weitere Öffnungen der 222.000 Betriebe soll erst beim nächsten Treffen verhandelt werden.
Wann sind Reisen und Hotelaufenthalte wieder möglich?
Die Reisebranche bleibt im Lockdown. Ihre Zukunft soll erst am 22. März besprochen werden. Zimmer in Hotels oder Ferienwohnungen dürfen damit in Deutschland weiterhin nicht für touristische Zwecke vermietet werden. Nur geschäftliche Übernachtungen sind erlaubt. Damit bleibt offen, ob an Ostern Urlaub in Deutschland möglich ist. Lesen Sie hier: Corona-Gipfel - Was jetzt für den Oster-Urlaub gilt
Für den Reisealltag heißt dies auch: Urlaube, Flüge oder Hotels können vor allem im Internet oder telefonisch bzw. per Skype in Reisebüros gebucht werden. Immer mit der Gefahr, dass sich die Corona-Auflagen und Einreisebestimmungen in den Reiseländern ändern. Grundsätzlich ist Reisen ins Ausland nicht verboten, allerdings rät die Politik zum Verzicht auf nicht notwendige Reisen. Reisehindernis ist für viele die bis zu 14-tägige Quarantänepflicht in Deutschland nach der Rückkehr aus dem Ausland. Zudem ist ein Schnelltest erforderlich.
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Wie steht es um die Kultur?
Museen und Galerien können bei einer Inzidenz von unter 50 ab Montag wieder öffnen, bei einer Buchung per Termin soll dies auch bei Inzidenzen von bis zu 100 möglich sein. Für Theater-, Konzert- und Opernhäuser geht es frühestens am 22. März los.
Keinen Fahrplan zeigten Bund und Länder der gebeutelten Veranstaltungswirtschaft auf. Über sie werde erst in der nächsten Runde beraten. „Es ist völlig inakzeptabel, dass ein weiteres Mal versäumt wurde, den Veranstaltern eine Perspektive zu geben, unter welchen Bedingungen Veranstaltungen wieder stattfinden dürfen“, sagte Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), unserer Redaktion.
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Mit der Durchführung von Schnelltests oder einem Impfausweis sowie einer Kontaktnachverfolgung wären Spielstätten so infektionssicher wie jedes Kaufhaus, sagte Michow. „Auch Veranstaltungen mit Vollauslastung wären so durchaus möglich“, sagte der BDKV-Präsident. Anstatt einer solchen Perspektive sei man aber auf die lange Bank geschoben worden. Lesen Sie hier: Corona-Teststrategie - Diese Probleme drohen jetzt
Zugleich wies Michow darauf hin, dass die Stimmung in der Branche kippe. „Die Nerven der Branche liegen blank“, sagte er. Da viele Dienstleister keine Fixkosten hätten, würden sie nach einer Einmalzahlung von 7.500 Euro direkt in die Grundsicherung abrutschen. „Ich war bisher stolz auf die Breite unserer Hilfsangebote. Leider wandelt sich dieser Stolz zunehmend in Enttäuschung“, sagte Michow.