Hamburg. Die Werft verliert eine Ausschreibung gegen ein Unternehmen aus Sachsen-Anhalt und zweifelt an dem niedrigen Preis der Konkurrenz.

Seit 1888 sind Fährschiffe der Hadag auf der Elbe ein vertrauter Anblick für die Hamburger. Ein paar Kilometer flussabwärts des Hafens hat ein noch wesentlich älteres Unternehmen seinen Sitz: Die Werft Pella Sietas an der Estemündung in Neuenfelde wurde im Jahr 1635 erstmals urkundlich erwähnt. Ausgerechnet zwischen diesen beiden Traditionsunternehmen der Hansestadt ist jetzt ein unschöner Rechtsstreit ausgebrochen.

Anlass ist ein Auftrag der stadteigenen Reederei Hadag über den Bau von drei Fähren mit einem innovativen Elektro-Hybridantrieb, der schon auf einen späteren Betrieb mit Wasserstoff vorbereitet ist (das Abendblatt berichtete). Nach einer europaweiten Ausschreibung teilte die Hadag vor wenigen Tagen den Bewerbern mit, dass die SET Schiffbau- und Entwicklungsgesellschaft Tangermünde aus Sachsen-Anhalt den Zuschlag erhalten soll.

Pella Sietas: Wie kann Mitbewerber seriös günstigeren Preis anbieten?

Doch Pella Sietas will die Entscheidung nicht hinnehmen. Natallia Dean, Direktorin der Werft, kann sich nicht vorstellen, wie es möglich sein soll, die Fähren zu einem niedrigeren Preis zu bauen als die Neuenfelder.

„Wir haben an der absoluten Untergrenze kalkuliert, ohne Gewinn, ohne Deckungsbeiträge, Hauptsache Beschäftigungssicherung und zukunftsträchtige Erfahrung mit Wasserstoff“, schreibt Dean in einer E-Mail an den Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) und an Andreas Rieckhof, Staatsrat der Wirtschaftsbehörde. „Der Material- und Fremdleistungsanteil macht den größten Teil des Preises aus und ich kann nicht nachvollziehen, wie der Mitbewerber seriös einen günstigeren Preis anbieten konnte.“

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Pella Sietas geht allerdings noch weiter. In einem 13-seitigen Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, fordert Daniel Soudry, ein Fachanwalt für Vergaberecht aus Berlin, von der Hadag eine Neuauflage der Ausschreibung. Denn die Fährreederei habe „zum Nachteil der Pella Sietas in mehrfacher Hinsicht gegen zwingende vergaberechtliche Bestimmungen verstoßen“.

So seien die Wertungskriterien zu unbestimmt gewesen und man habe sie nachträglich abgeändert, ohne die Bieter davon zu informieren. Außerdem bleibe das „Zustandekommen der Wertungsentscheidung völlig unklar“. Und schließlich bestünden „erhebliche Anhaltspunkte“ dafür, dass das siegreiche Angebot preislich wie auch bezüglich der Ausführungsfristen „nicht auskömmlich kalkuliert“ sei.

Sollte die Hadag nicht bereit sein, diese Mängel abzustellen, „wollen wir auf jeden Fall klagen“, sagte Rechtsanwalt Soudry dem Abendblatt. Dann würde ein Nachprüfungsverfahren beantragt.

Chefin fürchtet offenbar sogar um den Fortbestand des Unternehmens

In ihrer E-Mail an die Wirtschaftsbehörde weist die Pella-Sietas-Direktorin Dean auch auf die Folgen der Ablehnung ihres Angebots für den Bau der Fähren hin: „Mit dieser Nachricht gehen wir ab Januar des kommenden Jahres vollständig in die Kurzarbeit“, so Dean. Und weiter: „Wenn unsere eigene Heimatstadt nicht an die Pella Sietas Werft glaubt, wie sollen es dann auswärtige Auftraggeber tun?“ Dean fürchtet offenbar sogar um den Fortbestand des Unternehmens: „Ich hoffe, die älteste deutsche Werft existiert weiter, auch wenn Hamburg seine Schiffe bei uns nicht mehr bauen möchte.“

In einer Antwort auf die E-Mail erklärt sich Staatsrat Rieckhof für nicht zuständig, auch wenn die Hadag als Hochbahn-Tochter der Stadt gehört. Pella Sietas habe im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung der Hadag mitgeboten „und (leider) den Zuschlag nicht erhalten können, weil ein anderer Bieter beim Kriterium Preis günstiger angeboten hat“, so Rieckhof. Nach seinem Kenntnisstand seien in das Verfahren weder die Wirtschaftsbehörde noch die Hafenbehörde HPA eingebunden gewesen.

Hadag-Vorstand: Wir äußern uns zu laufenden EU-weiten Ausschreibung nicht

Hadag-Vorstand Tobias Haack ließ auf Abendblatt-Anfrage am Dienstag offen, ob die Reederei auf die Kritik der Werft an dem Vergabeverfahren eingehen will: „Wir werden uns zu einer laufenden EU-weiten Ausschreibung nicht äußern.“ Dem Vernehmen nach geht es bei dem Auftrag – einschließlich einer Option auf weitere drei Schiffe – um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag.

Blick auf die Pella Sietas Werft in Hamburg-Neuenfelde.
Blick auf die Pella Sietas Werft in Hamburg-Neuenfelde. © imago images / Hoch Zwei Stock/Angerer

Für die rund 300 Beschäftigten von Pella Sietas, die die Fähren gerne bauen würden, sind bedrohliche Situationen nichts neues. Gerade in diesem Jahr ist die Firma, die 2014 von der russischen Werftengruppe Pella aus der Insolvenz übernommen wurde, wieder einmal in Bedrängnis geraten.

Denn das Hafenbecken in Neuenfelde war so stark verschlickt, dass fertiggestellte Schiffe die Werft nicht mehr verlassen konnten. Spülmaßnahmen waren jedoch behördlich untersagt worden. Zwar wurde Mitte September eine Ausnahmegenehmigung dafür erteilt, ohne eine dauerhafte Lösung des Schlickproblems stehe die Zukunft der Werft jedoch auf dem Spiel, hieß es.

Neue Fähren sollen eigentlich von 2020 an in Betrieb gehen

Mit den neuen Fähren, die den bisherigen Plänen zufolge ab dem Jahr 2022 in Betrieb gehen sollen, will die Hadag nach den Worten von Wirtschaftssenator Westhagemann „mehr Passagiere umweltfreundlich auf der Elbe zu ihren Zielen bringen“. Vorgesehen ist, die Batterien der Schiffe stets nachts aufzuladen, was aber nicht für den gesamten Tagesbetrieb reicht.

Darum ist zunächst noch ein zusätzlicher Diesel-Generator an Bord notwendig, der später durch eine Brennstoffzelle ersetzt werden soll. Mit einer solchen Auslegung betrete man „ganz neues Terrain“, sagte Hadag-Vorstand Haack bei der Ankündigung der Ausschreibung vor einem Jahr, denn bislang gebe es in Europa noch keine vergleichbaren Konzepte für Hafenfähren.

Die neuen, elektrisch angetriebenen Schiffe werden mit 33 Metern etwas länger sein als die bisherigen Fähren, die seit gut 20 Jahren auf der Elbe unterwegs sind und wegen ihrer Form den Spitznamen „Bügeleisen“ erhielten. Die Hadag transportierte zuletzt mit 26 Fähren rund neun Millionen Passagiere pro Jahr.