Berlin. Beim Wohnen werden die ungleichen Lebensverhältnisse in Deutschland sichtbar. Die Metropolen boomen, kleine Kommunen dagegen veröden.
Boomende Metropolen auf der einen Seite, verödende Kommunen auf der anderen Seite. Während sich viele Menschen fragen, wie sie die steigenden Mieten und Immobilienpreise in Städten wie München, Stuttgart, Frankfurt am Main oder Berlin bezahlen sollen, werden im ländlichen Raum zuweilen händeringend Mieter und Eigentümer für leerstehende Gebäude gesucht, damit diese nicht verfallen.
Insbesondere beim Thema Wohnen zeigen sich in Deutschland ungleiche Lebensverhältnisse. Darauf wies bereits die vom Bundesinnenministerium eingesetzte Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hin. Zwölf Maßnahmen, die die Kommission erarbeitete, wollte das Bundeskabinett angehen. Den Punkt Städtebauförderung und sozialen Wohnungsbau sieht das Bundesinnenministerium mittlerweile als erledigt an.
Studie: Es fehlt an einer regional verankerten Wohnungsbaupolitik
Dass von erledigt aber keine Rede sein kann, legt eine Studie des Bonner Forschungsunternehmens Quaestio nahe, die unserer Redaktion vorliegt. Das auf Forschungen zur Stadt- und Regionalentwicklung spezialisierte Unternehmen begleitete zwei Jahre lang ein vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW organisiertes Projekt, mit dem regionale Unterschiede in der Wohnungswirtschaft untersucht werden sollten.
Das Fazit: Es fehle an einer regional verankerten Wohnungs- und Baulandpolitik, die Kommunen seien aufgrund von Schulden kaum handlungsfähig und die Städtebauförderung gehe an vielen Städten und Gemeinden gänzlich vorbei, da diese nicht in der Lage seien, ihre nötigen Eigenanteile aufzubringen.
Dazu passt, dass jüngst die Bundesregierung eingestehen musste, dass sich der Berg an nicht abgerufenen Fördermitteln für den Städtebau mittlerweile auf mehr als eine halbe Milliarde Euro angehäuft hat.
Kritik von der Wohnungswirtschaft
„Bisher ist nicht zu erkennen, dass für einen Ausgleich der bundesweit unterschiedlichen Lebensbedingungen der notwendige ‚Ruck‘ durch Deutschland geht“, kritisiert GdW-Präsident Axel Gedaschko. Knapp eineinhalb Jahre ist es her, dass die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ ihre Empfehlungen vorgelegt habe, „aber passiert ist nichts“, so Gedaschko.
Wie nah ungleiche Verhältnisse bisweilen zusammenliegen, zeigt die Studie am Beispiel von Jena und dem angrenzenden Saale-Holzland-Kreis auf. Auf der einen Seite die wachsende Universitätsstadt mit steigenden Mieten, auf der anderen Seite ländliche Strukturen mit leerstehenden, verfallenden Häusern.
- Lesen Sie auch:Smart Home: Wie sich das Wohnen im digitalen Haus anfühlt
Förderung von oben – und von unten
„Dort, wo öffentliche Investitionen mangels Finanzkraft ausbleiben, droht auch die private Investitionstätigkeit zu erlahmen“, heißt es in der Studie. Oder anders ausgedrückt: Wo Miet- und Kaufpreise kaum Renditeerwartungen wecken, wird nicht saniert und gebaut.
Um aber ländliche Gebiete attraktiver zu gestalten, brauche es nicht nur eine Förderung von Bund und Ländern, etwa in den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs. Es brauche auch Impulse „von unten“, aus den Kommunen selbst, etwa in Form regionaler Plattformen. In Jena etwa sei das erfolgt. Es habe sich eine kommunale Arbeitsgemeinschaft gebildet. Gemeinsam will man an Lösungen arbeiten, wie das Leben in Stadt und Land gleichermaßen attraktiv sein kann.
- Lesen Sie auch:Vermietern droht bei Mietsenkung ein Steuernachteil
Wohnungsunternehmen verstärkt für Rückbau gefordert
Ein ganz anderes Problem hat das Bundesland, das ebenfalls an den Saale-Holzland-Kreis grenzt: Sachsen-Anhalt. Die Bevölkerung wird durchschnittlich immer älter, junge Leute ziehen oft weg. „Sachsen-Anhalt steht vor erheblichen Herausforderungen“, heißt es daher in der Studie.
Versorgungsinfrastruktur breche weg, sowohl Wohnungsunternehmen als auch Privateigentümer fehlen Mittel für Sanierungs- und Umbaumaßnahmen. Naheliegend wäre ein Rückbau von Gebäude. Das aber sei insbesondere bei privaten Eigentümern unwahrscheinlich.
„Für private Eigentümer bedeutet ein Abriss ihrer Immobilien häufig, dass eine Einnahmequelle wegbricht, ohne dass dieser Verlust im erforderlichen Umfang ausgeglichen oder aufgefangen wird“, schreiben die Studienautoren. Hier seien verstärkt die Wohnungsunternehmen gefordert, den Bestand anzupassen und wo nötig auch Einzelgrundstücke zu erwerben.
- Lesen Sie auch:Wie Immobilieneigentümer nach der Krise profitieren könnten