Berlin. Gebäude verursachen Treibhausgase. Deshalb wollte die Regierung Sanierungen fördern. Legt sie angesichts der Krise nach?

Häuser sind Klimaschädlinge. Zumindest wenn es nach der Statistik geht. Während im vergangenen Jahr die Treibhausgasemissionen um 6,3 Prozent zurückgingen, stiegen sie im Gebäudesektor um 4,4 Prozent an. 122 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente stießen Gebäude 2019 aus, damit verursachen sie rund 15 Prozent aller Treibhausgase in Deutschland.

Mit ihrem Klimapaket wollte die Bundesregierung daher eigentlich die energetische Gebäudesanierung voranbringen. Doch jetzt könnte die Corona-Krise ihr einen Strich durch die Rechnung machen. Denn wer kauft sich in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg schon in eine neue Heizung oder dämmt das Dach neu, wenn es nicht notwendig ist?

Corona-Krise: Eigentümerverband fordert 73,5 Milliarden Euro

Um den begonnenen Wandel nicht zu stoppen, fordert der Eigentümerverband Haus und Grund daher ein Milliarden schweres Förderprogramm. „Der Klimaschutz darf nicht in Vergessenheit geraten. Es kann uns jetzt gelingen, nachhaltige Impulse in die Konjunktur zu setzten, die private Vermieter und den Staatshaushalt nicht überfordern und die trotzdem einen spürbaren Effekt für das Klima haben“, sagte Haus und Grund-Präsident Kai Warnecke unserer Redaktion.

Der Eigentümerverband hat daher ein Positionspapier entwickelt und an die Ministerien verschickt. Die darin enthaltenen Forderungen reichen von einer erweiterten Abwrackprämie für alte Ölheizkessel über ein ein Förderprogramm zur Dachdämmung bis hin zu kostenlosen Energieberatungen. Kostenpunkt für alle Maßnahmen: 73,5 Milliarden Euro verteilt über einen Zeitraum von zehn Jahren.

Förderung soll zur Einsparung von knapp 42 Tonnen CO2 führen

„Wir brauchen kein konjunkturelles Strohfeuer, sondern echte Anstrengungen, die nachhaltig für Klimaschutz und Wirtschaft sind“, sagt Warnecke. Aber warum sollte der Staat so viele Milliarden in die Hand nehmen, um die Gebäudesanierung voranzubringen? Immerhin müssen auch irgendwann die Belastungen der Krise zurückgezahlt werden. Haus und Grund verspricht sich Folgeeffekte.

Die 73,5 Milliarden Euro könnten dazu führen, dass von Staat und Hauseigentümern zusammen 145,2 Milliarden Euro investiert werden würden. So könnte einerseits Geld in die für die Konjunktur wichtige Baubranche fließen. Andererseits wäre es nach Haus und Grund-Berechnungen möglich, damit 41,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen bis 2030 einzusparen. Es wäre ein wichtiger Schritt für die Erreichung der Klimaziele.

Haus und Grund-Präsident Kai Warnecke möchte mit einem Milliarden schweren Förderprogramm die Investitionen in die Gebäudesanierung voranbringen.
Haus und Grund-Präsident Kai Warnecke möchte mit einem Milliarden schweren Förderprogramm die Investitionen in die Gebäudesanierung voranbringen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Staat soll Mehrkosten für energetischen Umbau übernehmen

Konkret schwebt dem Eigentümerverband vor, dass der Staat neben einer Abwrackprämie für alte Ölheizungen beispielsweise die Mehrkosten, die der Einbau eines erneuerbaren Heizsystems wie etwa einer Wärmepumpe gegenüber einem konventionellen Heizsystem verursacht, erstattet. Ohnehin gibt es aktuell schon Einschränkungen für die Nutzung von Ölheizungen.

Wer sein Hausdach dämmen möchte, soll eine Sofortprämie erhalten, auch für moderne Elektro- und Informationstechnik soll der Staat Zuschüsse finanzieren. Ein Hausdach kann sich auch für die eigene Energiewende eignen.

Neben einer kostenlosen Energieberatung will Haus und Grund auch mehr auf die Eigenverstromung setzen. Die Mieterstromversorgung mit Solarstrom soll erleichtert, die EEG-Umlage bei Eigenverstromung abgeschafft werden. Zudem will Haus und Grund eine vereinfachte steuerliche Förderung.

Immobilienverband fordert zehn Milliarden Euro pro Jahr

Auch der Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW dringt auf mehr staatliche Unterstützung. Um das Ziel, bis 2030 im Vergleich zu 1990 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent zu senken, braucht es laut GdW-Präsident Axel Gedaschko allein für die Sanierung der vermieteten Gebäude in Deutschland zehn Milliarden Euro – pro Jahr.

Bereits vor der Krise hatte der GdW in einer Initiative zusammen mit dem Deutschen Mieterbund Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung für mehr Unterstützung zur Sanierung von Mietwohnungen geworben. „Weil Projekte zur Steigerung der Energieeffizienz durch die Corona-Krise verschoben werden müssen, wird das die Erreichung des 2030-Klimaziels weiter erschweren“, sagte Gedaschko unserer Redaktion.

Er befürchtet eine Kettenreaktion. Laut einer Haus und Grund-Umfrage kamen im März bereits 1,6 Millionen Haushalte ihren Mietzahlungen nicht nach. Auch der GdW befürchtet Mietausfälle. „Dadurch sinkt unmittelbar die Investitionsfähigkeit der Wohnungsunternehmen, auch in Klimaschutzmaßnahmen“, warnt Gedaschko.

Grüne wollen zweistelliges Milliardenprogramm auflegen

Zustimmung für ein Förderprogramm finden die Vermieter- und Eigentumsverbände bei den Grünen. „Die energetische Sanierung könnte die Konjunkturlokomotive nach der Corona-Krise sein. Das würde dem Klimaschutz helfen und Arbeitsplätze in Deutschland sichern“, sagte Chris Kühn, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen, unserer Redaktion.

Er forderte, dass das nächste Konjunkturprogramm Investitionen in Klimaschutz, öffentliche Gebäude und private Haushalte auslösen müsse. „Es braucht eine Markteinführung seriellen energetischen Sanierens. Dies würde in Deutschland eine Sanierungswelle auslösen, die wir auch für unsere nationalen Klimaschutzziele dringend brauchen“, sagte der Grünen-Politiker. Auch befürwortete er eine Abwrackprämie für alte Öl- und Gasheizungen.

Chris Kühn, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen, hofft auf eine „Sanierungswelle“ in Deutschland.
Chris Kühn, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen, hofft auf eine „Sanierungswelle“ in Deutschland. © imago stock&people | imago stock&people

SPD will „gegebenenfalls nachjustieren“

Zurückhaltend sind dagegen die Regierungsparteien. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte unserer Redaktion: „Wir haben im letzten Jahr massiv Anreize für die energieeffiziente Gebäudesanierung gesetzt.“

Er verwies darauf, dass Eigentümer bis zu 20 Prozent der Kosten für einen klimagerechten Umbau von der Steuer abziehen könnten. Auch werde man weiter Bürokratie abbauen und bestehende Förderprogramme nachbessern, sodass Förderungen von bis zu 40 Prozent möglich seien.

Ausschließen will er weitere Förderprogramm aber nicht: „Natürlich beobachten wir den Markt und das Investitionsverhalten, um gegebenenfalls nachzujustieren.“

Union will bei Rückgang der Sanierungen Konjunkturmaßnahmen prüfen

Kai Wegner, baupolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, sieht das ähnlich: „Die Bundesregierung hat die Bedingungen für die energetische Gebäudesanierung vor kurzem spürbar verbessert.“ Diese Maßnahmen solle man erstmal wirken lassen.

Aber: „Wenn sich Anhaltspunkte für einen coronabedingten Rückgang der Sanierungstätigkeit ergeben, sollte dies bei der Prüfung konjunktureller Maßnahmen einbezogen werden“, sagte Wegner unserer Redaktion.

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