Hamburg. Aktien sind im Minus, die Verluste können aber steuerlich geltend gemacht werden. Doch dabei müssen Anleger einiges beachten.

Ein Börsenjahr mit steigenden und fallenden Kursen geht zu Ende. Viele Hamburger Anleger haben Aktien mit großen Verlusten in ihren Depots. Aussitzen oder verkaufen? Das muss jeder selbst entscheiden. Wer sich für einen klaren Schnitt der Verlustbringer entscheidet, kann die Verluste verrechnen und spart so Steuern. Aber wie funktioniert das? Welche Neuerungen gibt es für das laufende Steuerjahr 2020? Und vor allem: Was übernimmt die Bank, und wann muss der Anleger selbst aktiv werden? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie entstehen Aktienverluste?

Bei Verlusten ist der Verkaufskurs niedriger als der Kaufkurs. Aktiengewinne oder -verluste werden so ermittelt: Verkaufserlös der Aktie abzüglich der Veräußerungskosten, der Anschaffungskosten und Bearbeitungsgebühren. Depotkosten spielen keine Rolle.

Wie kann ich Verluste aus Aktienverkäufen geltend machen?

Verluste aus Aktien im Privatvermögen können bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steuerlich berücksichtigt werden. „Allerdings gilt hier, dass Verluste aus Aktien nur mit Gewinnen aus Aktien verrechnet werden dürfen“, sagt Katrin Dorn, Steuerberaterin bei der Hamburger Kanzlei Möhrle Happ Luther. „Liegen derartige Gewinne aus Aktien nicht vor, ist keine Verrechnung möglich.“ Eine Verlustverrechnung mit Zinsen oder Dividenden ist verboten.

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Was bedeutet das in der Praxis für den Anleger?

Wer nur ein Depot bei einer Bank hat, muss nichts weiter unternehmen, für ihn übernimmt die Bank die Arbeit. Im Hintergrund des Depots hat sie für jeden Anleger mehrere Verlustverrechnungstöpfe. In einen kommen die Verluste aus Aktiengeschäften, in einen anderen Topf andere Verluste, etwa die Stückzinsen, die Sparer beim Kauf von Anleihen gezahlt haben. Wird nun ein Verlust mit Aktien realisiert, füllt sich der entsprechende Verlusttopf und bei einem Aktiengeschäft mit Gewinnen werden die vorhandenen Verluste von den Gewinnen abgezogen (s. Grafik). So kann es sein, dass nur ein Teil des Gewinns versteuert werden muss, oder der Gewinn bleibt komplett steuerfrei. Wenn sich in diesem Jahr der Verlusttopf füllt und keine Gewinne mit Aktien erzielt werden, „ist die Verrechnung dann im nächsten Jahr oder erst später möglich, wenn der Anleger wieder Gewinne mit Aktien erzielt“, sagt Expertin Dorn.

Kann man gegen die eingeschränkte Verrechnung vorgehen?

Die eingeschränkte Verrechnungsmöglichkeit von Aktienverlusten nur mit Aktiengewinnen empfinden viele Anleger als ungerechnet. Denn umgekehrt gilt das nicht. So können Aktiengewinne durchaus mit früheren oder aktuellen Verlusten bei anderen Wertpapieren, etwa Investmentfonds, Zertifikate oder Anleihen verrechnet werden. Folglich hat ein Anleger Klage beim Bundesfinanzhof (BFH) eingereicht. Er wendet ein, es sei kein verfassungsrechtlich anzuerkennender Grund ersichtlich, weshalb allein die Aktienverluste von der Verrechnung mit anderen Kapitalerträgen ausgeschlossen sind (Aktenzeichen VIII R 11/18). Wer Aktienverluste verbucht, sonst aber Gewinne mit Fonds, Anleihen, Zertifikaten erzielt hat, kann Einspruch gegen den kommenden Steuerbescheid erheben. Nur so kann man von einer anlegerfreundlichen Entscheidung der Gerichts profitieren.

Was ist, wenn Verluste bei verschiedenen Banken anfallen?

Hat ein Anleger bei mehreren Banken in Aktien investiert, muss er selbst tätig werden. „Ist eine Kapitalanlage für den Anleger zum Verlustgeschäft geworden und eine andere hat Gewinne gebracht, muss er eine Verlustbescheinigung von seiner Bank anfordern, bei der die defizitäre Anlage lag“, sagt Christina Georgiadis vom VLH, Deutschlands größtem Lohnsteuerhilfeverein. „Das Finanzamt wird den Verlust von den Gewinnen abziehen und dadurch den steuerpflichtigen Gewinn verkleinern.“ Sind aber die Verluste höher als die Gewinne, erstellt das Finanzamt dafür eine gesonderte Verlustfeststellung. Um die restlichen Verluste im Folgejahr geltend machen zu können, müssen Anleger erneut eine Steuererklärung mit Anlage KAP abgeben.

Wichtig: Die Verlustbescheinigung, wofür es entsprechende Vordrucke gibt, muss bei der betroffenen Bank bis zum 15. Dezember des laufenden Jahres beantragt werden.

Ist die Verrechnung von Aktienverlusten beschränkt?

„Die Verrechnung von Verlusten aus Aktienveräußerungen ist weder der Höhe nach noch zeitlich beschränkt“, sagt Steuerberaterin Dorn. Die Verluste verfallen also nicht nach einer bestimmten Zeit, nur weil man keine Gewinne aus Aktienverkäufen mehr realisiert.

Gibt es Besonderheiten bei der Insolvenz eines Unternehmens?

Dann besteht die Gefahr, dass Einschränkungen bei der Verlustverrechnung greifen. Mit Aktien, Anleihen und Zertifikaten erlittene Totalverluste sind schon dieses Jahr nicht mehr unbegrenzt, sondern nur noch bis zur Höhe von 10.000 Euro jährlich mit Gewinnen verrechenbar. Nicht berücksichtigte Verluste können auf das nächste Jahr vorgetragen werden. Aber auch im Folgejahr bleibt es bei der Grenze von 10.000 Euro. „Allerdings können die Verluste dann mit allen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden“, sagt Dorn. „Eine Begrenzung der Verrechnung auf Gewinne aus Aktienveräußerungen gilt dann nicht.“ Dennoch rät die Expertin solche Insolvenz-Aktien zeitnah zu veräußern, solange sie noch zu einem geringen Wert an der Börse gehandelt werden. „Denn in diesen Fällen kann argumentiert werden, dass diese noch nicht ,wertlos‘ sind“, sagt Dorn.

Auch ein Verkauf an Ehegatten oder volljährige Kinder zum Kurswert sichere die Verlustverrechnungsmöglichkeit. Die Gefahr der beschränkten Anrechnung von Aktienverlusten droht vor allem, wenn die Papiere aus dem Depot ohne Veräußerung einfach ausgebucht werden. Üblicherweise gelten Wertpapiere als wertlos, wenn der Veräußerungserlös nicht mehr die Transaktionskosten deckt. Denn dann macht ein Verkauf der Papiere auch keinen Sinn. Der Bundesrat hat angeregt, dass die zeitlich gestreckte Verlustnutzung aufgehoben wird. „Ob dieser Vorschlag tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten“, sagt Dorn.

Kann man die Regeln zu Aktien auch auf Aktienfonds anwenden?

Nein, Aktienfonds wie auch Zertifikate oder bestimmte Termingeschäfte fallen nicht unter die Beschränkung, dass Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden dürfen. „Verluste aus Aktienfonds könnten daher mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen wie etwa Zinsen verrechnet werden“, sagt Dorn.

Wie hoch ist die Abgeltungssteuer bei Aktiengewinnen?

„Die Gewinne aus Aktien, die nach dem 31.12.2008 angeschafft wurden, unterliegen grundsätzlich der Abgeltungsteuer, sofern der Sparerfreibetrag ausgeschöpft ist“, sagt Dorn. Die Abgeltungsteuer beträgt 25 Prozent. Zusätzlich müssen auf den zu versteuernden Betrag noch Solidaritätszuschlag (5,5 Prozent) und eventuell Kirchensteuer (in Hamburg neun Prozent) bezahlt werden. Maximal liegt die Belastung dann bei rund 28 Prozent, ohne Kirchensteuer bei 26,4 Prozent. Diese Steuer behält die Bank gleich ein, führt sie an das Finanzamt ab. Darüber erstellt die Bank jährlich eine Bescheinigung für den Kunden.

Auch Zinsen und Dividenden unterliegen der Abgeltungssteuer. Für Investmentfonds, die aus ihrem Fondsvermögen Körperschaftsteuer zahlen, gelten besondere Regeln. Als Ausgleich bleiben je nach Art des Fonds zwischen 15 und 80 Prozent der Erträge beim Anleger steuerfrei.

Kann ich Negativzinsen steuerlich geltend machen?

Negativzinsen auf Spareinlagen gelten indes nicht als Verluste aus Kapitalvermögen. Laut Bundesfinanzministerium handelt es sich um „eine Art Verwahr- oder Einlagegebühr“.

Fällt der Soli auf Kapitaleinkünfte im nächsten Jahr weg?

Nein, auf Zinsen und Gewinne aus Wertpapiergeschäften, also auch Aktienverkäufe, muss weiterhin der Solidaritätszuschlag entrichtet werden. „Ist der Sparerpauschbetrag von 801 Euro für Sin­gles oder 1602 Euro für Ehepaare ausgeschöpft, müssen alle Banken neben der 25-prozentigen Abgeltungssteuer weiterhin 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag abziehen“, sagt Stefanie von Carlsburg, Sprecherin der Hamburger Sparkasse (Haspa). „Auch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung gibt es hier keine Erstattungsmöglichkeit“, ergänzt Ullrike Hamer von der Comdirect Bank.