Hamburg. Regierung will große Unternehmen zu Frauenquote in Vorständen verpflichten: Welche Firmen im Norden sie erfüllen und welche nicht.

Die schwarz-rote Koalition in Berlin will große Unternehmen zu einer Frauenquote in Vorständen verpflichten. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat eine Arbeitsgruppe am Freitagabend vorgelegt – er soll nach Willen von SPD und CDU möglichst rasch in Kraft treten.

„Wir wollen, dass der Gesetzgebungsprozess unbedingt noch vor der Bundestagswahl abgeschlossen wird“, sagte Unionsfraktionsvize Nadine Schön (CDU) am Sonntag. „Deshalb haben wir das Gesetz so angelegt, dass es nicht mitbestimmungspflichtig durch den Bundesrat wird.“

Frauenquote für Vorstände: Abschließende Entscheidung erwartet

Der Entwurf sieht vor, dass in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern spätestens ab einer Neubesetzung ein Mitglied eine Frau sein muss. Der Kompromiss der Arbeitsgruppe von Union und SPD soll in den kommenden Tagen den Koalitionsspitzen zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden.

Anschließend würden die Ressortabstimmung und die Länder- und Verbändebeteiligung eingeleitet, so dass der Kabinettsbeschluss zeitnah erfolgen könne, hieß es von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD).

Hamburger HASPAX-Firmen: Weniger als Hälfte haben Frauen im Vorstand

Tritt das Gesetz in der geplanten Form in Kraft, hätte das auch Auswirkungen auf Unternehmen in Hamburg und der Metropolregion. Der Börsenindex HASPAX listet die wichtigsten börsennotierten Unternehmen der Metropolregion auf.

Unter diesen fallen aber nicht alle in den Geltungsbereich des geplanten Gesetzes – einige, weil nur zwei Personen Vorstandsposten bekleiden, andere, weil sie aufgrund ihrer Größe keinen paritätisch besetzten Aufsichtsrat stellen müssen.

Weniger als die Hälfte der verbliebenen HASPAX-Firmen erfüllt die Quote von mindestens einer Frau im Vorstand – einige Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe nicht in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen würden, haben hingegen bereits weibliche Vorstände (Eurokai, New Work SE, Tag Immobilien AG, VTG).

Die für Gleichstellung zuständige Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) hatte sich bereits bei der Vorstellung des aktuellen "Gleichstellungsmonitors" der Stadt enttäuscht über die geringen Fortschritte bei der Gleichstellung gezeigt: „Zwar haben sich einige Zahlen verbessert, aber die Ergebnisse zeigen, dass wir weiterhin von einer geschlechtergerechten Welt weit entfernt sind.“

Diese Unternehmen haben bisher keine Frau als Vorstand:

  • Aurubis: Die Kupferhütte hat einen bislang vollständig männlichen, vier Personen starken Vorstand. Vier der zwölf Aufsichtsräte sind Frauen.
  • Bijou Brigitte: Der Modeschmuck-Hersteller hat weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat ein weibliches Mitglied.
  • Dräger: Das Lübecker Unternehmen hat derzeit einen rein männlichen Vorstand mit fünf Mitgliedern. Der Aufsichtsrat umfasst zwölf Personen, davon sind vier Frauen.
  • Fielmann: Der Vorstand des Optikers ist derzeit mit vier Männern besetzt. Von 16 Aufsichtsräten sind sechs Frauen.
  • Freenet: Das Telekommunikationsunternehmen mit Sitz in Büdelsdorf hat einen rein männlichen, fünf Posten umfassenden Vorstand. Von den sechs Aufsichtsräten sind zwei Frauen.
  • Hapag-Lloyd: Die Reederei beschäftigt derzeit keinen weiblichen Vorstand, alle vier Posten sind von Männern besetzt. Von den 16 Aufsichtsräten sind sechs weiblich.
  • Nordex: Das Rostocker Windkraftunternehmen hat einen rein männlichen, drei Personen starken Vorstand. Von den sechs Aufsichtsräten ist eine weiblich.

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    Diese Hamburger Unternehmen haben bereits weibliche Vorstände:

    • Beiersdorf: Unter den acht Vorstandsmitgliedern des Nivea-Konzerns ist bereits eine Frau. Fünf der zwölf Aufsichtsräte sind weiblich.
    • Eurokai: Die Geschäftsführung des Hafenunternehmens besteht aus einem Mann und einer Frau, im sechs Personen starken Aufsichtsrat sitzt ebenfalls eine Frau.
    • HHLA: Der vier Personen starke Vorstand des Hafenunternehmens wird von Angela Titzrath geführt. Vier der zwölf Aufsichtsräte sind weiblich.
    • Jungheinrich: Im vier Personen starken Vorstand des Staplerherstellers sitzt eine Frau. Ein Drittel des zwölf Stellen starken Aufsichtsrats ist weiblich.
    • New Work SE: Das Internet-Unternehmen, zu dem unter anderem Xing gehört, hat einen seiner fünf Vorstandsposten an eine Frau vergeben. Im sechs Personen starken Aufsichtsrat sitzt eine weitere Frau.
    • Tag Immobilien AG: Der drei Personen starke Vorstand wird von einer Frau geführt, dem sechs Stellen umfassenden Aufsichtsrat gehören zwei Frauen an.
    • VTG: Von vier Vorständen ist einer weiblich, im neun Personen umfassenden Aufsichtsrat des Eisenbahn-Logistikers sitzt eine weitere Frau.

    Wirtschaftsforscher zeigt sich optimistisch

    Der Entwurf der Arbeitsgruppe sieht zudem strengere Vorgaben für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes vor. Hier soll es eine Aufsichtsratsquote von mindestens 30 Prozent und eine Mindestbeteiligung in Vorständen geben.

    Bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts wie den Krankenkassen und bei den Renten- und Unfallversicherungsträgern sowie bei der Bundesagentur für Arbeit soll ebenfalls eine Mindestbeteiligung von Frauen eingeführt werden.

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    Der Vorstoß stieß auf geteiltes Echo: Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, geht davon aus, dass auch die Unternehmen von der Vorgabe profitieren werden – „denn viele Studien zeigen, dass diverse Vorstände erfolgreicher sein können, vor allem um die wichtige Transformation der deutschen Wirtschaft voranzubringen“, sagte der Ökonom dem „Handelsblatt“.

    Frauenquote: Freiwillige Selbstvorgaben zeigen kaum Effekte

    Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sagte der „Rheinischen Post“, es sei lange genug Zeit gewesen, Frauen über Nachwuchsprogramme mit den entsprechenden Führungsqualifikation auszustatten. „Zwar ist eine Quote immer starr und irgendwie kein besonders cleveres Instrument, aber wenn die cleveren Lösungen nur Ausreden waren, darf man sich nicht wundern.“

    Ein kürzlich veröffentlichtes Gutachten im Auftrag der Bundesregierung hatte gezeigt, dass freiwillige Selbstvorgaben kaum Effekte auf die Frauenquote bei Vorständen haben. Auch internationale Studien zeigen ähnliche Ergebnisse.

    Kritik aus der Opposition an Quotenvorschlag der Koalition

    Aus der Opposition gibt es dagegen viel Kritik an dem vorgelegten Entwurf – aus unterschiedlichen Richtungen. Während FDP und AfD eine verbindliche Quote als ungerecht ablehnen, geht das Vorhaben der Koalition für Grüne und Linke nicht weit genug.

    Für die Sprecherin für Frauenpolitik der Grünen im Bundestag, Ulle Schauws, ist das Vorhaben zu zaghaft. „Leider kann das, was SPD und Union jetzt vollmundig als Quote für Vorstände ankündigen, höchstens als Mindestbeteiligung bezeichnet werden.“

    Schließlich erhöhe sich die Zahl der Frauen in größeren Vorständen nicht automatisch. Zudem werde die Regel nur für rund 70 Unternehmen gelten. Linken-Politikerin Doris Achelwilm sprach von einer „Mikro-Version“ der Frauenquote, die viel zu kurz greife.