Hamburg/Potsdam. Hamburgs Grüne wollen trotz des Urteils aus Brandenburg weiter für eine Frauenquote auf Wahllisten kämpfen. Die politischen Reaktionen.
Hamburgs Grünen-Bürgerschaftsfraktion hält trotz bereits zweier abschlägiger Verfassungsgerichtsurteile an ihren Plänen für ein Paritätsgesetz fest. Das nun auch in Brandenburg gefällte negative Urteil sei zwar erneut ein herber Rückschlag für die Geschlechtergerechtigkeit in Politik und Gesellschaft, sagte der Grünen-Verfassungsexperte Till Steffen am Freitag in Hamburg. Er meinte aber: „Wir bleiben dabei: Wir werden weiter nach geeigneten Maßnahmen suchen, um Frauen die Hälfte der Macht und der Mitbestimmung zu sichern und eine gesetzliche Lösung auch in Hamburg erörtern.“
Das Brandenburger Verfassungsgericht hatte das Paritätsgesetz zu den Kandidatenlisten der Parteien für Landtagswahlen am Freitag gekippt. Dieses schrieb vor, dass abwechselnd gleich viele Frauen und Männer auf den Listen kandidieren müssen. Bereits im Juli hatte der Thüringer Verfassungsgerichtshof die dortige Regelung einkassiert. Die Richter argumentierten, das Paritätsgesetz beeinträchtige das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl sowie das Recht der politischen Parteien auf Betätigungsfreiheit, Programmfreiheit und Chancengleichheit.
CDU und AfD fordern Gallina zur Aufgabe auf
„Trotz des Urteils bleibt das Anliegen in der Sache gerechtfertigt“, sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Mareike Engels. „Die Hälfte der Macht muss den Frauen gehören, dafür reichen Selbstverpflichtungen leider nicht aus.“ Nun gelte es, auf Grundlage der Urteile zu schauen, wie in Hamburg die Gleichstellung der Geschlechter auch im parlamentarischen Raum wirksam befördert werden könne - „Priorität hat für uns dabei immer noch eine gesetzliche Lösung“.
CDU und AfD forderten Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) dagegen auf, die Pläne endlich aufzugeben. Diese seien mit den Urteilen endgültig gescheitert, sagte der CDU-Justizexperte Richard Seelmaecker. „Wichtig ist vielmehr, positiv auf eine tatsächliche Angleichung der Verhältnisse hinzuwirken und den Menschen nicht immer mit Verboten und Vorschriften zu kommen.“ AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sprach von einer weiteren „Niederlage für die rot-grünen Demokratieverächter, die mit aller Macht und entgegen der Verfassung die Frauenquote bei Parlamentswahlen durchsetzen wollten“.
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Die AfD hatte wie auch die NPD gegen das Paritätsgesetz in Brandenburg geklagt. Dieses schrieb vor, dass die Kandidatenlisten der Parteien für Landtagswahlen abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden müssen. Am Freitagmorgen kippte das Landesverfassungsgericht in Potsdam die Regelung. „Parität bedeutet Geschlechterapartheid. Die Trennung im Wahlrecht zwischen Männern, Frauen und noch dazu "Diversen" ist jetzt tot, und das ist auch gut so“, sagte die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch.
SPD-Bundesspitze „sehr enttäuscht“ über Urteil
Die SPD-Bundesspitze reagierte indes unzufrieden auf die Entscheidung von Freitag. „Ich bin sehr enttäuscht über das heutige Urteil“, erklärte Parteivize Klara Geywitz. Dieses ändere aber nichts an dem Einsatz der Sozialdemokraten für Gleichberechtigung und Parität in deutschen Parlamenten.
„Frauen in Deutschland wird der Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen strukturell noch immer erschwert“, kritisierte Geywitz. „So lange diese strukturellen Hürden bestehen, wird sich die SPD politisch dafür einsetzen, sie zu beseitigen.“
Frauen-Union fordert parteiübergreifende Initiative
Die Frauen-Union der CDU forderte das gesamte politische Spektrum zum Handeln auf. „Alle Parteien sind jetzt umso mehr in der Verantwortung, wirksame Maßnahmen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Politik in ihren Parteien umzusetzen“, kommentierte die Vorsitzende Annette Widmann-Mauz das Urteil.
„Für die CDU heißt das, die Beschlüsse der Struktur- und Satzungskommission für halbe-halbe in der CDU bis 2025 müssen kommen“, fuhr sie fort. Die Frauenquote ist in der CDU sehr umstritten. Für den Parteitag im Dezember war eigentlich eine Abstimmung darüber vorgesehen - wegen der Verkürzung des Treffens aufgrund der Corona-Pandemie musste dies auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
„Keine Option ist für mich der Status quo in Bezug auf den Anteil von Frauen in den Parlamenten“, betonte Widmann-Mauz. „Wir brauchen die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungen auf allen Ebenen. Das Urteil des Landesverfassungsgerichts ist deshalb kein Schlusspunkt, sondern muss der Beginn verstärkter neuer Überlegungen in den Parlamenten sein.“