Hamburg. Neubauvermietung läuft schleppend. Makler schieben das auf Corona, doch Experten sagen das Ende der hohen Mietsteigerungen voraus.

In den vergangenen Jahren kannten die Mieten in Hamburg nur eine Richtung – steil nach oben. Im Bezirk Altona legten sie bei Neuvermietungen seit 2015 um fast 45 Prozent zu, in Hamburg-Nord um knapp 43 Prozent und in Harburg um 47 Prozent.

Nach einer Studie des Immobiliendienstleisters PREA, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt, kommt diese Entwicklung nun nahezu zum Stillstand. Danach werden die Mieten in Hamburg bis 2025 nur noch im Schnitt zwischen 1,2 Prozent (Hamburg-Nord) und 4,5 Prozent (Altona) zulegen. Diese Werte beziehen sich auf den gesamten Fünf-Jahres-Zeitraum.

Mieten in Hamburg – Stagnation wegen Corona

„Die Corona-Pandemie sorgt für eine stärkere preisliche Stagnation als in der Vergangenheit“, sagt Juri Ostaschov von der PREA Group, die das Maklergeschäft vorwiegend für professionelle Investoren betreibt.

Das Problem: Nach Meinung von Experten werden Löhne und Kaufkraft in Folge der Pandemie deutlich geringer wachsen als in den vergangenen Jahren. „Die Eigentümer können nur so viel verlangen, wie die Mieter bereit sind zu zahlen“, bringt es Ostaschov auf den Punkt.

In Hamburg steht eine größere Zahl an Neubauwohnungen lange leer

Ohnehin steht in Hamburg bereits eine größere Zahl an Neubauwohnungen lange leer, wie das Abendblatt bei Recherchen auf mehreren Immobilienportalen festgestellt hat. Dabei geht es sowohl um Wohnungen am Stadtrand wie in Neugraben-Fischbek, aber auch in zentraleren Lagen. Zum einen schrecken die hohen Mieten für Neubauten auf dem freien Wohnungsmarkt Interessenten ab, zum anderen ist das Angebot in Hamburg stark gestiegen – allein von Oktober 2019 bis Oktober 2020 um knapp 14 Prozent, wie das Onlineportal ImmoScout24 ermittelt hat.

Zwar fehlen laut Mieterverein in der Stadt noch 30.000 bezahlbare Mietwohnungen, aber Ökonomen nennen als einen wichtigen Grund für das Ende der Mietsteigerungen den kräftigen Zuwachs an Wohnraum in den vergangenen Jahren. „Hamburg hat im Vergleich zu anderen Großstädten deutlich entschlossener den Wohnungsbau unterstützt“, sagt der Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Voigtländer. So wurden in der Stadt seit 2015 jährlich knapp 9000 Wohnungen fertiggestellt, wie aus einer Studie von Colliers International hervorgeht. Das dürfte sich für Mieter nun auszahlen.

Mieten in Hamburg – so wandelt sich der Markt

Acht große, moderne Mehrfamilienhäuser stehen im Neubaugebiet Fischbeker Heidbrook: Seit Sommer können die Wohnungen im Süden der Stadt bezogen werden, doch nur an wenigen Klingelschildern befinden sich bereits Namen. So sind Im Fischbeker Heidbrook 15 von 18 Wohnungen nur zwei belegt, und auch in Hausnummer 13 wohnt lediglich ein Mieter in einem Haus mit 15 Wohnungen, als das Abendblatt vor wenigen Tagen dort vorbeischaut.

Hausnummer 9 mit 26 Wohnungen ist auch nur knapp zur Hälfte bewohnt, und einer der ersten Mieter, der bereits im August eingezogen ist, kann dieser Situation sogar Vorteile abgewinnen. „Mich stört das überhaupt nicht, so kann ich meine Musik schön laut hören“, sagt er und lacht. Die Wohnungen seien ja auch nicht gerade billig, ergänzt er. Die Kaltmieten liegen laut Anzeigen auf dem Onlineportal ImmoScout24 zwischen 12,50 und 14,40 Euro je Quadratmeter. Eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung (51 Quadratmeter) kostet so mit allen Nebenkosten rund 950 Euro. Von insgesamt 165 Wohneinheiten in acht Häusern sind rund 100 nicht bezogen.

Auch in zentraleren Lagen Hamburgs gibt es Probleme

Hängt der Leerstand nur mit der städtischen Randlage zusammen? So befindet sich das Wohngebiet auf dem ehemaligen Gelände der Röttiger-Kaserne im Grünen unmittelbar an der Fischbeker Heide, also naturnah. Aber die S-Bahn ist eben nur mit Bus oder Fahrrad zu erreichen. Doch auch in zentraleren Lagen Hamburgs gibt es Probleme mit der Vermietung von Neubauwohnungen.

Seit dem Sommer hat Projektentwickler Otto Wulff 112 Mietwohnungen am Tarpenbeker Ufer in Groß Borstel fertiggestellt. Anfangs mühte sich das Bauunternehmen noch selbst mit der Vermietung zu Quadratmeterpreisen von rund 18 Euro. Doch inzwischen wurde der Restbestand der freien Wohnungen an den Hamburger Makler Grossmann & Berger übergeben. Rund 40 Wohnungen warten jetzt noch auf zahlungskräftige Mieter.

Zum offiziellen Mietbeginn am 1. November steht immerhin noch rund die Hälfte von 95 Wohnungen im Sonninpark am Nagelsweg in der City Süd leer. Die Kaltmiete liegt zwischen 16 und 19 Euro pro Quadratmeter. Insgesamt entstehen dort über 300 Wohnungen. Üblicherweise sollten ein, zwei Monate nach Fertigstellung die neuen Wohnungen bezogen sein, doch darauf können die Investoren nicht mehr vertrauen.

Die Mieten in Hamburg sind über Jahre stark gestiegen

Über viele Jahre sind die Mieten in Hamburg zum Teil dramatisch gestiegen. Vor allem, wer neue Immobilien vermietete, konnte hohe Renditen einfahren. Die Entwicklung ergibt sich nach einer Analyse des Immobiliendienstleisters PREA aus der Auswertung von mehreren Hunderttausend Anzeigen aus Immobilienportalen für Hamburg. Die Werte werden jedes Quartal erfasst.

Dabei zeigt sich, dass 2020 Bewegung in die Angebotsmieten gekommen ist – und zwar nach unten. In fünf der sieben Bezirke sanken die Mieten bereits. So fiel die durchschnittliche Angebotsmiete in Bergedorf um drei Prozent, in Hamburg-Mitte um 1,7 und in Altona um 1,5 Prozent.

Alarmierende Prognose für Immobilienbesitzer

Noch interessanter und alarmierender dürfte für Immobilienbesitzer aber die Prognose der PREA-Experten für Hamburg sein. Danach werden die Mieten bis 2025 nur noch in sehr geringem Umfang steigen (s. Grafik). Prozentuale Veränderungsraten von drei oder vier Prozent, die bisher für ein Jahr standen, gelten nun für den gesamten kommenden Fünfjahreszeitraum.

Das liege an der Corona-Pandemie, die für eine stärkere preisliche Stagnation als in der Vergangenheit sorge, so Juri Ostaschov von der PREA Group, die das Maklergeschäft für vorwiegend professionelle Investoren betreibt. Ein Parameter für die Prognose ist die Kaufkraft, die laut Experten nicht mehr so stark steigen wird wie in der Vergangenheit. „Die Eigentümer können nur so viel verlangen, wie die Mieter bereit sind zu zahlen“, bringt es Ostaschov auf den Punkt. Nur wenn die Corona-Pandemie überraschend schnell verschwinden sollte, wären für die Vermieter positivere Annahmen möglich.

Diese Prognose dürfte die Vermietung neuer, teurer Wohnungen weiter erschweren. Noch mehr Mietwillige dürften mit Verweis auf die Leerstände und schlechten Vermietungsperspektiven nun versuchen, die geforderten Mieten zu drücken. Gleichzeitig haben die potenziellen Mieter eine immer größere Auswahl.

Zahl der Mietwohnungen steigt binnen eines Jahres um 14 Prozent

Innerhalb eines Jahres von Oktober 2019 bis Oktober 2020 ist das Angebot an Mietwohnungen in Hamburg um knapp 14 Prozent gestiegen, ermittelte ImmoScout24. Das zeigt sich auch im Neubaugebiet Fischbeker Heidbrook. Unweit der acht nur mäßig vermieteten Häuser errichtet ein Bauherr aus Buxtehude gerade 63 weitere Mietwohnungen.

Fast fertig sind bereits 100 Reihenhäuser der Saga im Heidbrook, die ebenfalls auf Mieter warten. „Die Hälfte der Reihenhäuser wurde im preisgedämpften frei finanzierten Wohnungsbau errichtet und kann ohne Berechtigungsschein bezogen werden“, sagt Saga-Sprecher Gunnar Gläser.

Die Kaltmiete der kompakten Reihenhäuser liegt bei niedrigen acht Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und kann frühestens nach drei Jahren leicht erhöht werden. Weiterhin plant die Saga-Unternehmensgruppe in dem Quartier den Bau von rund 54 Wohnungen in vier Mehrfamilienhäusern.

In Hamburg fehlen weiterhin 30.000 Wohnungen

Und wem das ehemalige Kasernengelände etwas abgelegen ist, der findet knapp drei Kilometer entfernt direkt an der Bahnstation im benachbarten Neu Wulmstorf rund 70 Neubauwohnungen, die der Hamburger Makler Wentzel Dr. vermarktet. Die Kaltmiete liegt hier bei rund 13 Euro je Quadratmeter, die Anbindung an Nahverkehr und Einzelhandel ist zudem deutlich besser als im Heidbrook. Insgesamt entstehen dort 232 Mietwohnungen. „Wie die Nachfrage ist, können wir noch nicht beurteilen, da wir gerade erst mit der Vermietung gestartet sind“, sagt Gina Schmidt-Trenz, Prokuristin bei Wentzel Dr.

„In Hamburg fehlen weiterhin 30.000 Wohnungen, aber viele Wohnungen, die jetzt auf den Markt kommen, kann sich eine große Zahl an Singles und Familien nicht leisten“, sagt Siegmund Chychla vom Mieterverein zu Hamburg. „Als geförderte Wohnungen mit akzeptablen Mieten wären sie schon längst bezogen.“ Nach Chychlas Einschätzung hat ein Drittel der 720.000 Mieterhaushalte in der Stadt nicht mehr als 1600 Euro netto im Monat zur Verfügung. Da sind Warmmieten von 20 Euro pro Quadratmeter unbezahlbar.

Nachfrage im hohen Mieten-Segment wird geringer

Es geht nicht nur um die aktuell hohen Mieten, von denen selbst Maklerin Schmidt-Trenz sagt, „dass die Nachfrage im hohen Preissegment geringer wird“. Darunter versteht sie Kaltmieten ab 18 Euro, so wie sie zum Teil im Sonninpark und am Tarpenbeker Ufer gefordert werden. Viele Vermieter versehen ihre Mietverträge mit Staffel- und Indexklauseln. Damit wollen sie sich gegen bevorstehende Einbrüche auf dem Mietmarkt absichern.

So steigen bei vielen Objekten die Mieten laut Vertrag im gleichen Tempo wie die Verbraucherpreise. Am Tarpenbeker Ufer legen die Mieten in den ersten vier Jahren sogar um jährlich drei Prozent zu. Aus einem Quadratmeterpreis von 18,30 Euro werden so nach vier Jahren rund 20 Euro. Eine 56 Qua­dratmeter große Wohnung verteuert sich so bis 2024 um knapp 100 Euro auf 1120 Euro – bei der Kaltmiete. „Es ist nicht verwunderlich, wenn sich Mieter jetzt solche Wohnungen nicht leisten, weil sie durch Corona in Kurzarbeit sind oder um ihren Job fürchten“, sagt Chychla.

Nicht nur die Corona-Pandemie bremst die Vermietung

Doch nicht nur die Pandemie bremst die Vermietung. Staffel- und Indexmieten sind auch ein Ausdruck für die exorbitant hohen Kaufpreise für Neubauwohnungen in Hamburg, die im Schnitt bei 6200 Euro je Quadratmeter Wohnfläche liegen. Wer teuer kauft, kommt an einer teuren Vermietung nicht vorbei, wenn er weiterhin eine Rendite erzielen will.

Schon in der Vergangenheit seien die Mieten nicht den exorbitant gestiegenen Wohnungspreisen gefolgt, was ein Indiz für eine Immobilienblase sei, sagt der Hamburger Wirtschaftsprofessor Hans-Werner Hansmann. „Die Finanzierungskosten sind mittlerweile so niedrig, da riskieren die Vermieter lieber einen längeren Leerstand, als Abstriche bei der Miete zu machen.“

Laut Haferkamp-Immobilien, die Mehrfamilienhäuser im Fischbeker Heidbrook vermieten, läuft das Geschäft nicht schlecht. Verzögerungen gebe es durch einen Eigentümerwechsel der Häuser und das Konkurrenzangebot in der Umgebung. Die Makler machen vor allem die Pandemie für die schleppende Vermietung verantwortlich.

Eppendorf: 123 Wohnungen innerhalb von zwei Wochen vermietet

„Wir sind im Frühsommer mit der Vermarktung der Wohnungen am Tarpenbeker Ufer gestartet, da waren viele in Kurzarbeit“, sagt Michael Nowak vom Bauunternehmen Otto Wulff. Dabei habe man selbst erfahren, wie schnell Mietwohnungen vermittelt werden können – wenn der Preis stimmt. Zwei Wochen hat es gedauert, 123 Wohnungen in Eppendorf zu vermieten, es gab mehr als 2000 Anfragen. Die Kaltmiete pro Quadratmeter lag bei dem geförderten Wohnungsbau zwischen 6,60 Euro und 8,70 Euro.

Nowak hofft nun, dass bis Ende des Jahres alle Wohnungen am Tarpenbeker Ufer vermietet sind. Und was sagt der beauftragte Makler Grossmann & Berger? „Die Nachfrage in diesem Quartier ist aktuell etwas weniger geworden, aber insgesamt noch gut“, so Vertriebsleiter Zoran Vujovic. In acht Wochen seit der Übernahme des Restbestandes von Otto Wulff habe man etwa 20 Mietverträge abgeschlossen. Bis Anfang nächsten Jahres will der Makler dann die restlichen 40 Einheiten vermittelt haben.

Lange Phase im Homeoffice verunsichert Pendler

Im Sonninpark am Nagelsweg ist die Mieterzielgruppe derweil massiv wegen Corona verunsichert. „Zu 80 Prozent handelt es sich um kompakte Zwei-Zimmer-Wohnungen, die vor allem für Pendler interessant sind, die nicht jeden Tag in ihren Heimatort fahren wollen“, sagt Schmidt-Trenz von Wetzel Dr.

Doch nach der langen Phase im Homeoffice wissen die Pendler nicht, wie es nach der Pandemie in ihrem Unternehmen weitergeht. Vielleicht müssen sie auch künftig kaum noch ins Büro. „Wir haben schon die Mindestmietzeit von zwei auf ein Jahr halbiert, um den Pendlern entgegenzukommen“, sagt Schmidt-Trenz. Doch bei Warmmieten von rund 1250 Euro für eine Zwei-Zimmer-Wohnung, dürfte das nur ein kleiner Anreiz sein.

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Vor drei Wochen startete Wentzel Dr. mit der Vermietung von mehr als 270 Wohnungen im Charlie-Mills-Quartier in Wandsbek. Die meisten Wohneinheiten liegen am Friedrich-Ebert-Damm und kosten rund 15,50 Euro pro Quadratmeter. Ein Teil der Quartiere wird unter „preisgedämpftes Wohnen“ ohne Berechtigungsschein zu 9,50 Euro vermietet.

Vermieter ist die Bayerische Versorgungskammer. Bisher sind auf der Internetseite des Projekts kaum Vermietungen zu sehen. Schmidt-Trenz verweist auf 30 Mietabschlüsse in zwei Wochen, was sehr gut sei. Die Internetseite werde nicht täglich aktualisiert. Zur Fertigstellung Mitte März 2021 sollen 80 Prozent der Wohnungen vermietet sein.

Ökonom sieht deutliche Entspannung des Hamburger Wohnungsmarktes

Auch der Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Voigtländer, sieht für Hamburg eine deutliche Entspannung des Wohnungsmarktes. Dafür gebe es eine Reihe von Gründen. „Erstens, weil nur noch geringe Zuwanderung stattfindet und man auch nicht weiß, ob die internationale Fachkräftemigration wieder einsetzt“, sagt Voigtländer. „Und zweitens, weil Hamburg im Vergleich zu anderen Großstädten deutlich entschlossener den Wohnungsbau unterstützt hat.“

So wurden im Schnitt der letzten fünf Jahre knapp 9000 Wohnungen jährlich fertiggestellt, so eine Studie von Colliers International. Im Vergleich von 42 deutschen Städten, die in die Studie eingeflossen sind, liegt Hamburg bei Neubauten immerhin auf Rang neun. Im fünfjährigen Mittel kommen 8,5 neu gebaute Wohnungen auf 1000 Haushalte.

Mieten in Hamburg – Abwarten könnte sich auszahlen

Jetzt ernte man die Früchte dieser Strategie, so Voigtländer. „Die Auswahl wächst, und die Mieten werden langsamer steigen. Zudem entstehen nun gerade dort Vermietungsprobleme, wo die Forderungen besonders hoch sind.“ Manchmal helfen auch Bauverzögerungen bei der schleppenden Vermietung.

Im Milchgrund in Heimfeld sollten sieben „exklusive“ Mietwohnungen eigentlich schon ab dem vierten Quartal bezogen sein. Doch nun sind sie laut Vermittler frühestens im Februar beziehbar.

Den Vermieter dürfte das kaum stören, zumindest noch nicht. Denn erst für zwei Wohnungen hat er Mieter gefunden. Nun bleibt also noch etwas Zeit.

Fest steht: Wer eine neue Wohnung sucht, wird in den nächsten Monaten und Jahren eine große Auswahl haben. Abwarten könnte sich dann auszahlen.

Lesen Sie hier den Leitartikel zur Mieten-Wende: Rote Karte für Hamburgs hohe Mieten