Hamburg. Dirk Barthel darf sein Haus am Allermöher Deich nicht auf dem freien Markt verkaufen. Nun mache er Verluste von mehr als 100.000 Euro.
Dirk Barthel ist stocksauer. Er darf sein Haus am Allermöher Deich 95 nicht auf dem freien Markt verkaufen, sondern muss es an die Stadt Hamburg veräußern, die von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht. Der Verkauf zieht sich seit fast einem halben Jahr hin. Durch die Verzögerung und durch den Verkauf zum reinen Verkehrswert erleide er finanzielle Verluste von mehr als 100.000 Euro, sagt der 60-Jährige: „Ich schreibe fleißig Rechnungen an die Stadt.“
Die begründet die Ausübung ihres Vorkaufsrechts damit, dass die Häuser in der zweiten Deichlinie, auf dem Deichgrund, nur geduldet sind. Seit diesem Jahr macht sie erhöhte Ansprüche an den Hochwasserschutz geltend. „Dafür gibt es keinen politischen Beschluss. Das basiert alles auf einem Arbeitspapier des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer“, sagt Barthel. Von seinem Balkon aus könne er einen Neubau sehen, gebaut am Reitdeich. „Doch genau wie der Ochsenwerder Norderdeich zählt dieser nicht als Deich, sondern als Damm“, sagt Barthel. Er wundert sich über diese Unterscheidungen: „Jeder Fluss braucht doch Begrenzungen an zwei Seiten.“
Wegen Vorverkaufsrecht der Stadt macht Allermöher finanzielle Verluste
Häuser in der zweiten Deichlinie würden durch die Strategie der Stadt „komplett uninteressant“, meint Barthel. „Selbst die Häuser, die vom Deich weiter weg stehen, lassen sich kaum noch verkaufen, weil die Stadt die Randstreifen im Deichgrund erwirbt.“ Eigentümer würden also nur noch zum Verkehrswert an die Stadt verkaufen können – und der werde sinken, ganz anders als die sonstigen Immobilienpreise.
Barthel kennt sich mit diesen Preise aus. Der selbstständige Unternehmensberater ist seit einem Jahr auf der Suche nach einer neuen Bleibe. „Drei Reservierungen musste ich bislang zurücknehmen. Mir fehlt das Geld, weil sich die Stadt mit dem Kauf meines Hauses so viel Zeit lässt.“ Währenddessen steigen die Immobilienpreise weiter kräftig an. „Ich muss nun zehn Prozent mehr für eine neue Immobilie zahlen als vor einem halben Jahr“, sagte der 60-Jährige.
Auf der anderen Seite bekäme er auf dem freien Markt heute zehn Prozent mehr für sein Haus als noch vor sechs Monaten. Allein in diesem Punkt schulde ihm der zuständige Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG), der der Finanzbehörde unterstellt ist, viel Geld. Hinzu kämen Hypothekenzinsen, die Barthel weiter auf die Abzahlung seines Hauses von der Bank berechnet werden.
Mieter müssen vermutlich gegen Stadt Hamburg klagen
Vom LIG habe er nur Anordnungen erhalten, sagt der schwer genervte Hauseigentümer: „Eine Kommunikation ist mit denen nicht möglich.“ Barthel fragt sich, wie die Stadt das Haus überhaupt abreißen lassen will: „Die haben ja nur das Haus in seinem 187-Quadratmeter-Grundriss gekauft, plus einen Vier-Quadratmeter-Streifen entlang des Deichs. Nicht einmal den üblichen, 1,50 Meter breiten Streifen für solche Arbeiten haben die sich gesichert.“ Auf sein ihm verbleibendes Grundstück werde er keine Bauarbeiter lassen.
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Auch für die drei Mieter des Hauses würden die künftigen Besitzverhältnisse zum Problem werden: „Eine Mieterin kann nur über mein Grundstück in ihre Wohnung, Gärten, Pkw- und Fahrradstellplätze befinden sich ebenfalls auf meinen Flächen.“ Einer vernünftigen Regelung – sprich Abgaben eines Teils der Mieten, die die Stadt künftig von den Mietern kassieren wird, an Barthel – habe sich der LIG bisher verweigert. „Die Mieter werden wohl gegen mich und gegen die Stadt klagen müssen.“
Stadt kann Abriss des Gebäudes auch gegen Barthels Willen durchsetzen
Weil die Stadt in den ursprünglichen Kaufvertrag, den Barthel Ende Mai mit einem Wohnungsbauunternehmen schloss, eintritt, sei der jetzige Eigentümer alleinvertretungsberechtigt, sagt er. Deshalb habe er seine eigene Wohnung gerade neu vermietet – ab dem 1. Juli, unbefristet. Den Mietvertrag sende er nun an den Notar, der den Verkauf des Hauses an den LIG regelt.
Die Stadt habe keine Verzögerungen zu verantworten und verhandle seit Monaten mit Barthel – „leider erfolglos“, sagt Claas Ricker, Sprecher der Finanzbehörde. Der Stadt stehe „an den betroffenen Flächen ein gesetzliches Vorkaufsrecht“ gemäß dem Hamburgischen Wassergesetz zu. „Die Zustimmung des Senats für die Ausübung des Vorkaufsrechts liegt vor“, sagt Ricker.
Barthel habe die Erstreckung des Vorkaufsrechts auf das gesamte Grundstück verlangen können, dies aber nicht getan, erklärt der Sprecher der Finanzbehörde. Die Stadt könne den Abriss des Gebäudes auch gegen seinen Willen realisieren, und die Mieter hätten einen Rechtsanspruch darauf, zu ihren gemieteten Flächen zu gelangen.