Essen. Thyssenkrupp plant in der Corona-Pandemie einen heftigen Arbeitsplatzabbau: Der angeschlagene Essener Konzern streicht 11.000 Stellen.
Der angeschlagene Essener Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssenkrupp verschärft massiv sein Sparprogramm und will 11.000 Arbeitsplätze abbauen. „Wir befinden uns mitten im größten Restrukturierungsprozess seit Bestehen von Thyssenkrupp. Dazu gehört auch ein weiterer Stellenabbau, daran führt leider kein Weg vorbei“, sagte Oliver Burkhard, der Personalvorstand des Konzerns.
Das Unternehmen hatte im Mai 2019 einen Abbau von 6000 Stellen innerhalb von drei Jahren angekündigt, davon sei ein Abbau von etwa 3600 Stellen realisiert, berichtete der Konzern bei der Präsentation der Jahresbilanz .
„Um den langfristigen Marktentwicklungen und den Auswirkungen von Corona gerecht zu werden, sieht Thyssenkrupp momentan weiteren Abbaubedarf von – gemessen an der Ausgangssituation – insgesamt 11.000 Stellen“, erklärte das Unternehmen in einer Mitteilung. „Diese zusätzlichen 7400 Stellen sollen in den kommenden drei Jahren reduziert werden.“ Lesen Sie auch: Corona-Krise: Wie sich die deutsche Wirtschaft erholt
Thyssenkrupp schließt betriebsbedingte Kündigungen nicht aus
Personalvorstand Burkhard betonte, Ziel sei eine Umsetzung des Stellenabbaus „gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern vor Ort“, um – je nach Ausmaß und Härte der wirtschaftlichen Lage in den jeweiligen Betrieben – „passende Instrumente“ zu finden.
Betriebsbedingte Kündigungen seien dabei nur „die Ultima Ratio“, also das letzte Mittel, falls es keine andere Lösung gebe, sagte Burkhard. „Wir können sie im Moment aber nicht ausdrücklich ausschließen.“
Corona-Pandemie sei „Gewaltige Belastungsprobe für Thyssenkrupp“
Das Unternehmen müsse an weiteren Kostensenkungen arbeiten, hieß es in der Mitteilung, die der Konzern am Donnerstagmorgen (19. November) verschickte. Die Corona-Pandemie sei „eine gewaltige Belastungsprobe für Thyssenkrupp“, sagte Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz.
Für das Geschäftsjahr 2019/2020 , das am 30. September zu Ende ging, weist Thyssenkrupp einen Auftragseingang von 28,2 Milliarden Euro aus – 17 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch der Umsatz verringerte sich deutlich um 15 Prozent auf 28,9 Milliarden Euro. Im laufenden Geschäft häuft der Konzern Verluste an – die entsprechende Bilanzkennziffer (bereinigtes Ebit) lag mit einem Minus von 1,6 Milliarden Euro erheblich unter dem Vorjahreswert, als bereits ein Verlust von 110 Millionen Euro anfiel.
Jahresbilanz von Thyssenkrupp: Dividende fällt abermals aus
Allerdings hatte das Management die Öffentlichkeit und die Aktienmärkte auf desaströse Zahlen vorbereitet. Eine im August angepasste Ergebnisprognose sah ein Minus zwischen 1,7 und 1,9 Milliarden Euro vor. Dank einer „Stabilisierung der Geschäfte“ im vierten Quartal und „strikter Maßnahmen zur Liquiditätssicherung und Kostensenkung“ sei dieser Negativwert nicht ganz erreicht worden, hob das Management hervor.
Abermals soll die Dividende bei Thyssenkrupp ausfallen. Aufgrund der bestehenden Herausforderungen sei „für eine Dividende in diesem Jahr kein Raum“, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens. Auch interessant: Top-Ökonom warnt: „Eine Welle on Insolvenzen steht bevor“
Corona: Stahlsparte massiv unter Druck
Die Thyssenkrupp-Stahlsparte mit großen Werken in Duisburg, Bochum und Dortmund litt schwer unter den Folgen der Corona-Pandemie. In Summe lagen Auftragseingang und Umsatz Unternehmensangaben zufolge im Gesamtjahr um 17 beziehungsweise 20 Prozent unter den Vorjahreswerten. Im laufenden Geschäft fiel aufgrund der schwachen Auslastung der Stahlwerke ein Verlust in Höhe von 946 Millionen Euro an.
Ein Sondereffekt führt dazu, dass Thyssenkrupp unter dem Strich schwarzen Zahlen schreibt: Durch den milliardenschweren Verkauf der Aufzugsparte an Finanzinvestoren sowie die Essener RAG-Stiftung verbucht Thyssenkrupp einen Jahresüberschuss in Höhe von 9,6 Milliarden Euro – im Vorjahr war ein Verlust von 260 Millionen Euro angefallen. Der erzielte Gewinn aus dem Verkauf des Aufzuggeschäfts betrage rund 15 Milliarden Euro, erklärte das Unternehmen.
Corona-Krise: Hohe Abschreibungen und Kosten für die Sanierung
Stark negativ zu Buche schlagen die Folgen der Corona-Pandemie . Diese seien ein maßgeblicher Grund für Abschreibungen, die das Management nun vornimmt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr habe das Unternehmen insgesamt rund drei Milliarden Euro auf langfristige Vermögensgegenstände abgeschrieben – insbesondere in der Stahlsparte und im Autozuliefergeschäft. Kosten in Höhe von rund 600 Millionen Euro fallen auch für die Sanierung an.
Durch den Jahresüberschuss habe sich das Eigenkapital des Konzerns zum Stichtag 30. September auf 10,2 Milliarden Euro erhöht (Vorjahr: 2,2 Milliarden Euro). Die bislang überaus magere Eigenkapitalquote von sechs Prozent im Vorjahr verbesserte sich damit auf 28 Prozent. „Mit einer gestärkten Bilanz schaffen wir die Basis für die zukünftige Aufstellung von Thyssenkrupp“, sagte Finanzvorstand Klaus Keysberg .
Thyssenkrupp: Auch die Aussichten für das laufende Geschäftsjahr sind trübe
Bei den sogenannten „fortgeführten Aktivitäten“, also ohne die Aufzugsparte, verbuchte Thyssenkrupp in der Jahresbilanz einen Fehlbetrag von 5,5 Milliarden Euro. Die Lage bleibt zunächst einmal angespannt: Auch für das gerade angelaufene Geschäftsjahr erwartet der Konzern erneut rote Zahlen . Lesen Sie auch: Lockdown: Warum in der Wirtschaft dennoch Hoffnung herrscht
Trotz Verbesserungen im operativen Geschäft und der bereits erfolgten Abschreibungen rechnet der Vorstand mit einem Jahresfehlbetrag von mehr als einer Milliarde Euro. Darin seien auch Aufwendungen für die weitere Sanierung im „mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich vorgesehen“.
„Wir sind noch nicht da, wo wir hin müssen“, sagte Vorstandschefin Merz. „Die nächsten Schritte können schmerzhafter werden als die bisherigen. Wir werden sie dennoch gehen müssen.“ Es gebe nach wie vor keine Sicherheit darüber, wie es mit der Corona-Pandemie weitergehe, fügte Merz hinzu. „Deshalb werden wir noch härter in allen Geschäftsbereichen an der Performanceverbesserung arbeiten.“
• Dieser Artikel ist zuerst bei WAZ.de erschienen