Hamburg. Kosten müssen privat übernommen werden. Staat gibt Zuschuss von 900 Euro. Hamburger Unternehmen spüren hohe Nachfrage.
Noch ist es ein hohes Wachstum auf niedriger Basis: Gerade einmal knapp 6000 Elektroautos und Hybrid-Pkw mit externer Lademöglichkeit gab es im Januar in Hamburg, doch angesichts des von Branchenexperten erwarteten Anteils an den Neuzulassungen dürfte sich diese Zahl bis zum Jahresende etwa verdreifachen.
Zwar sollte eine Metropole wie Hamburg mit ihren kurzen Wegen und einer hohen Dichte an öffentlich zugänglichen Ladesäulen eigentlich ideale Voraussetzungen für die Nutzung von batterieelektrischen Fahrzeugen bieten. Aber nach bisherigen Erfahrungen, die deutschlandweit mit solchen Autos gemacht wurden, findet mehr als jeder zweite Ladevorgang zu Hause statt – und in Hamburg wohnen sehr viele Menschen eben nicht im Einfamilienhaus mit der eigenen Garage oder dem Carport, sondern in Häuserblöcken in Eimsbüttel, Ottensen oder Barmbek. Selbst wenn der Wagen dort in einer Tiefgarage oder auf einem eigenen Stellplatz parkt, steht da in der Regel keine Ladesteckdose zur Verfügung.
100.000 Elektroautos dürfte es 2030 in Hamburg geben
Ein Gesetz, das am 1. Dezember in Kraft tritt, soll das nun ändern. Denn das neue „Wohnungseigentumsmodernisierungs-Gesetz“ gibt Wohnungsbesitzern und Mietern das Recht auf die Einrichtung einer privaten Lademöglichkeit an ihrem Stellplatz. Zudem kann man vom 24. November an 900 Euro staatliche Förderung für die Installation beantragen. „Die neue Rechtslage wird zu einer erheblich schnelleren Verbreitung der Elektromobilität führen“, erwartet Tajo Adler, Geschäftsführer der Hamburger Firma Adler Smart Solutions. Sie hat nach seinen Angaben bisher deutschlandweit rund 500 Elektroauto-Ladepunkte eingerichtet, davon etwa ein Drittel für die Wohnungswirtschaft und zwei Drittel für gewerbliche Kunden, also auf Firmenparkplätzen und an Shell-Tankstellen.
Für Mieter und für Wohnungseigentümer in einem Mehrparteienhaus wird es nun viel leichter, auf eigene Kosten eine Lademöglichkeit für ihren batterieelektrischen Pkw installieren zu lassen. Bisher kann der Vermieter oder die Eigentümergemeinschaft das abblocken – was in den meisten Fällen bis heute auch geschehen ist. Nach der neuen Rechtslage aber können sie lediglich noch über die Art der Ausführung abstimmen. „Wir spüren schon ein deutlich verstärktes Interesse an der Installation von Ladepunkten in Wohnanlagen“, berichtet Adler.
Massentauglich wird Elektromobilität erst mit privaten Lademöglichkeiten
Ähnliche Erfahrungen macht Bernhard Rönsberg, Geschäftsführer der Bramfelder Firma NWG Power. Sie hat sich auf Energielösungen für die Immobilienwirtschaft spezialisiert und zählt nach eigenen Angaben mehrere Tausend Kunden aus dieser Branche, hat bisher aber lediglich gut 50 E-Auto-Ladeboxen im privaten Raum realisiert. „Aktuell stapeln sich bei uns die Anfragen von Hausverwaltungen“, so Rönsberg: „Es geht um mehr als 200 Ladepunkte allein bis Jahresende.“
Zwar gebe es jetzt großzügige Kaufprämien für Elektrofahrzeuge und attraktive Modelle wie den VW ID.3, „aber wirklich massentauglich wird die Elektromobilität erst mit privaten Lademöglichkeiten“, sagt Rönsberg. Nach seiner Beobachtung waren es bisher üblicherweise nicht die Kosten, an denen der Bau einer Ladesäule in einer Tiefgarage oder an einem Stellplatz scheiterte. „Man konnte sich in der Regel nicht darauf einigen, den Aufwand überhaupt in Kauf zu nehmen, weil die meisten Mitglieder einer Hausgemeinschaft ja noch kein Elektroauto wollen.“
Auch die Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum wird weiter ausgebaut
Einer Beispielrechnung der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), bei der man den Zuschuss von insgesamt 900 Euro ab dem 24. November beantragen kann und der zufolge dieser Betrag mehr als die Hälfte der Kosten ausmachen kann, traut Rönsberg aber nicht so recht: „In der Praxis dürfte der Förderbetrag häufig etwa 25 bis 30 Prozent der Gesamtkosten abdecken. Eine einzelne Ladesäule kostet um die 1500 Euro, aber wenn ein neuer Hausanschluss erforderlich wird, kommen noch etwa 3000 Euro hinzu.“
Videografik: So funktioniert ein Elektroauto
Doch nicht nur auf privatem Grund und Boden, sondern auch im öffentlichen Raum wird die Ladeinfrastruktur in Hamburg weiter ausgebaut. Dabei steht die Hansestadt im bundesweiten Vergleich in dieser Hinsicht durchaus gut da: Nach Angaben der Wirtschaftsbehörde sind hier aktuell 1121 öffentlich zugängliche Ladepunkte – sie sind mit rund 15.000 Euro pro Säule mit je zwei Ladepunkten erheblich teurer als eine einfache „Wallbox“ – in Betrieb. Jährlich sollen 200 weitere hinzukommen. Nach jüngsten Daten des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) verfügt nur München mit 1185 Stromtankstellen über eine noch bessere Versorgung, in Berlin seien es 1052.
Wirrwarr der unterschiedlichen Tarife
Manche E-Auto-Fahrer, die außerhalb ihrer Heimatregion eine solche Säule nutzen, klagen aber über das Wirrwarr der unterschiedlichen Tarife: Allein in Deutschland gibt es laut ADAC mehr als 300 unterschiedliche Ladekarten. „Ein möglichst einheitlicher und problemloser Zugang zur vorhandenen Ladeinfrastruktur ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die Elektromobilität voranzubringen“, sagt daher Bastian Pfarrherr, Leiter Innovationsmanagement bei Stromnetz Hamburg, dem Betreiber von 1000 der 1121 öffentlichen Ladepunkte in der Hansestadt.
Wie sich jetzt zeigt, bemüht sich das städtische Unternehmen, diese Voraussetzung zu schaffen: Inzwischen ist eine Million Funkchip-Ladekarten von mehr als 70 Anbietern aus ganz Europa in das IT-System von Stromnetz Hamburg eingebunden. Das bedeutet: Wenn der Besitzer einer dieser Karten an einem der 1000 Ladepunkte der Firma Strom tankt, kann er dies ohne umständliche Registrierung und zu dem gewohnten Tarif seines Autostromanbieters tun. Damit konnte dieser Service enorm ausgeweitet werden: Zum Start im Jahr 2015 waren gerade einmal 1500 Karten von zwei Stromanbietern registriert.
Zehn Tankvorgänge pro Tag
Zuletzt jedoch ist die Zahl der E-Autos deutlich schneller als die der Ladesäulen gestiegen. War ein Stromtankvorgang anfangs an manchen von ihnen ein doch eher seltenes Ereignis, so ändert sich das gerade rasant. „Die Nutzung unserer Ladepunkte hat über die vergangenen Jahre sehr stark zugenommen“, sagt Pfarrherr. „Aktuell liegen wir mit knapp 30.000 Ladevorgängen im Monat wieder über dem Vor-Corona-Niveau, nachdem es im April kurzzeitig einen Rückgang um fast 50 Prozent gab.“ An einzelnen Standorten in der Innenstadt wird mit zehn Tankvorgängen pro Tag die Kapazität des Ladepunkts schon ausgeschöpft.
Dabei dürfte es einer Prognose der Helmut-Schmidt-Universität zufolge im Jahr 2030 schon bis zu 100.000 Elektroautos in Hamburg geben – es wären also noch weit mehr Stromtankstellen nötig als heute. „Ich gehe davon aus, dass wir in Hamburg im Jahr 2030 zwischen 2500 und 4000 öffentlich zugängliche Ladepunkte haben werden“, so Pfarrherr: „Das bedeutet auch: Im privaten und gewerblichen Bereich muss es parallel einen erheblichen Zubau an Ladeinfrastruktur geben.“
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Darauf setzt auch die Wirtschaftsbehörde. Sie verweist dazu unter anderem auf das Hamburger Förderprojekt „Elbe“, das bis 2022 den Aufbau von Betrieb von Ladestationen auf Privatflächen durch Immobilienfirmen, andere Unternehmen und Vereine finanziell unterstützt. Nach Angaben der Behörde hat die Investitions- und Förderbank Hamburg bereits Bewilligungsbescheide für eine „hohe dreistellige Anzahl an Ladepunkten“ ausgestellt.
Unter den Mietern in der Hansestadt dürften nach Ansicht von Siegmund Chychla, Vorstand des Mietervereins zu Hamburg, allerdings die meisten nicht von dem Gesetz profitieren können: „90 Prozent des Mietwohnungsbestands hier haben gar keine Tiefgarage.“ Vor allem Neubauten im höherwertigen Marktsegment seien damit ausgestattet.
Gestern Abend hat der sogenannte „Autogipfel“ mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über Anreize für E-Autos beraten. Die Kaufprämie von bis zu 9000 Euro wird bis 2025 verlängert.