Hamburg. Staatliche Kaufanreize für strombetriebene Pkw dürften bald steigen. Hansestadt ist Spitze bei Stromern. Doch es gibt ein Problem.

So schlecht ging es dem deutschen Automobilmarkt schon lange nicht mehr: Im April, als die Autohäuser mehr als die Hälfte des Monats Corona-bedingt geschlossen waren, ist die Zahl der Pkw-Neuzulassungen um 61 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat auf gerade einmal knapp 121.000 Fahrzeuge eingebrochen. Den zuvor niedrigsten Absatz in einem Einzelmonat seit der Wiedervereinigung verzeichnete man mit 165.000 Pkw im August 1991.

Doch ein Marktsegment widerstand dem heftigen Abschwung: Bei den E-Autos und den Pkw mit Hybridantrieb lagen die Verkaufszahlen jeweils nur geringfügig – im niedrigen einstelligen Prozentbereich – unter denen aus dem April 2019, die Hybrid-Pkw mit externer Lademöglichkeit (Plug-in-Hybrid) schafften sogar ein Plus. In Hamburg hat die Zahl der reinen E-Autos schon im vergangenen Jahr um 77 Prozent zugenommen.

Auch wenn ihr Anteil am gesamten Fahrzeugbestand in der Hansestadt noch gering ist, liegt Hamburg gemessen daran an der Spitze aller Bundesländer. Einer der Gründe dafür dürfte darin liegen, dass die viel diskutierte „Reichweitenangst“ in einem Ballungsraum keine so große Rolle spielt, weil die nächste Ladesäule im Alltagsbetrieb meist nicht weit weg ist: „Großstadtbewohner fahren im Schnitt nur höchstens 30 oder 40 Kilometer am Tag“, sagt Björn Böttcher, Geschäftsführer der Hamburger Autohandelsgruppe Dello. Pro Woche sind es ungefähr 200 Kilometer – eine Distanz, die mit der Batteriekapazität sehr vieler Elektro-Pkw zu schaffen ist.

E-Fahrzeuge sind noch immer deutlich teurer als Modelle mit Verbrennungsmotoren

Allerdings sind diese Fahrzeuge noch immer deutlich teurer als vergleichbare Modelle mit Verbrennungsmotoren. Bei gängigen Typen beträgt der Preisabstand nicht selten erheblich mehr als 5000 Euro. Um diesen Nachteil der Elektromobilität auszugleichen, hat die Bundesregierung gerade erst vor wenigen Monaten die Kaufprämie für E-Autos auf bis zu 6000 Euro erhöht. Demnächst dürfte es jedoch eine noch großzügigere Regelung geben: Die Herstellerkonzerne, aber auch die Bundesländer Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg drängen wegen der Corona-Krise auf staatliche Kaufanreize für Autos, wobei für Pkw mit Elektromotor 4000 Euro im Gespräch sind – zusätzlich zu den bestehenden Prämien.

So mancher Hamburger stellt sich damit die Frage, ob die Stadt auf einen deutlich höheren Anteil von E-Autos überhaupt vorbereitet wäre. An der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum dürfte es jedenfalls nicht fehlen. „Mit mehr als 1000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten ist Hamburg einer der Vorreiter in Deutschland und hat – insbesondere in Bezug auf Schnellladen im innerstädtischen Raum – eine Spitzenposition in Europa“, sagt Wirtschafts- und Verkehrssenator Michael Westhagemann (parteilos). Damit müssen sich derzeit gerade einmal vier E-Autos in Hamburg einen Ladepunkt teilen. Zum Vergleich: Laut Klimaschutzprogramm strebt die Bundesregierung für Deutschland bis 2030 eine Zahl von bis zu zehn Millionen Elektrofahrzeugen und eine Million öffentliche Ladepunkte an, geht also damit von zehn Autos pro Stromtankstelle aus.

Steigende Anzahl von Ladepunkten in Hamburg

In Hamburg wird das Angebot nach den Worten von Westhagemann „ergänzt um eine deutlich steigende Anzahl von Ladepunkten abseits der Straßen, etwa an Wohn- oder Gewerbeimmobilien oder auf Firmenarealen für betrieblich genutzte E-Autos oder das Laden von Mitarbeiterfahrzeugen beim Arbeitgeber.“ Das ist auch notwendig, denn nach Einschätzung von Experten finden 80 Prozent der Ladevorgänge zu Hause oder beim Arbeitgeber statt.

Daher hat die Stadt Hamburg im vorigen Jahr das Förderprojekt „Elbe“ gestartet, mit dem bis Ende September 2022 bis zu 7400 Ladepunkte in Tiefgaragen von Wohnblocks und in Parkhäusern, aber auch auf Firmengeländen entstehen sollen. Unternehmen und gewerbliche Immobilieneigentümer, aber auch Behörden und Vereine können Zuschüsse im Bereich von 40 Prozent bis 60 Prozent der Gesamtkosten für die Einrichtung der Stromtankstellen erhalten. Großstädte wie Hamburg haben im Hinblick auf die Akzeptanz von E-Autos bei privaten Nutzern jedoch auch einen Nachteil: Während im deutschlandweiten Schnitt jeder fünfte Pkw im öffent­lichen Straßenraum parkt, dürften es in der Hansestadt noch mehr sein.

„Wer keine eigene Garage oder einen Carport besitzt, hat es schwer“

„Wer keine eigene Garage oder einen Carport besitzt, hat es schwer“, sagt Dello-Geschäftsführer Björn Böttcher mit Blick auf die Autobesitzer in Stadtteilen wie Eimsbüttel oder Ottensen, die ihren Pkw in aller Regel nicht einfach über Nacht an die Garagensteckdose anschließen können: „Warum kann in solchen Quartieren nicht an jeder Straßenlaterne eine Lademöglichkeit eingerichtet werden?“ Beim städtischen Unternehmen Stromnetz Hamburg (SNH) ist man sich der Herausforderungen für die nahe Zukunft jedenfalls bewusst: Die SNH gehörte zu den Auftraggebern einer Studie der Helmut-Schmidt-Universität, die im Jahr 2017 mit bis zu 100.000 Elektroautos in Hamburg bis 2030 rechnete.

Zwar nützt dem Besitzer eines Batteriefahrzeugs auf einer langen Ferientour eine dichte Ladeinfrastruktur am Heimatort nichts. Aber auch dafür gibt es Lösungen: Im Rahmen von Leasingverträgen kann man zum Beispiel vereinbaren, für einen zweiwöchigen Urlaub ein Auto mit Benzinmotor zu erhalten.

Schon auf der Basis der aktuellen Kaufprämien kommen Vergleichsrechnungen des ADAC zu dem Ergebnis, dass es unter dem Strich durchaus auch nicht unbedingt teurer ist, ein Elektroauto zu fahren – eher im Gegenteil: Für etliche gängige Modelle errechnet der Club sogar schon bei einer Jahresfahrleistung von lediglich 10.000 Kilometern einen Kostenvorteil für die strombetriebene Variante. Dazu tragen die laut ADAC niedrigeren Wartungs- und Energiekosten erheblich bei.

Autoindustrie fordert Kaufanreize auch für ihre Modelle mit Verbrennungsmotor

Ob die E-Fahrzeuge schon bald noch besser abschneiden, weil die Kaufprämie für sie steigt, wird sich voraussichtlich Anfang Juni herausstellen. Allerdings fordert die Autoindustrie Kaufanreize auch für ihre Modelle mit Verbrennungsmotor – was Umwelt- und Klimaschützer auf die Palme bringt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Anti-Innovationsprämie“. Schließlich sind schon in den vergangenen Jahren die durchschnittlichen CO2-Emissionen neu zugelassener Pkw in der Europäischen Union sogar wieder gestiegen, weil die sogenannten SUVs immer beliebter werden und der Anteil der vergleichsweise sparsamen Diesel-Fahrzeuge abnimmt.

Für Manfred Braasch, Hamburger Landesgeschäftsführer des BUND, kommen Kaufprämien allenfalls für E-Autos infrage. „Wichtiger wären aber Investitionen in Fahrradwege mit einer besseren Entkoppelung von Straßen und Radwegen“, so Braasch: „Da hat Hamburg großen Nachholbedarf.“ Derartige Investitionen wären nicht nur gut für die Lebensqualität in der Stadt, sie würden auch Arbeitsplätze schaffen. Ein flächendeckendes Stadtbahnnetz wäre nach seiner Auffassung ebenfalls sinnvoll – und leichter realisierbar als die geplante U5. Der BUND-Landeschef spricht sich zudem dafür aus, Anbieter von stationsgebundenen Carsharing-Systemen in der Corona-Krise zu stützen.

Noch im ersten Halbjahr wollte eigentlich die Volkswagen-Tochter „We Share“ mit 1000 Fahrzeugen in Hamburg den Betrieb aufnehmen – zwar nicht stationsgebunden, dafür aber mit einer reinen E-Auto-Flotte. Nach Angaben der Wirtschaftsbehörde ist der Starttermin „angesichts der nach wie vor schwierigen Rahmenbedingungen nunmehr unrealistisch.“ Das Unternehmen prüfe derzeit „mögliche neue Zeitfenster für einen Start in Hamburg.“