Hamburg. Bilanz zeigt nur minimalen CO2-Rückgang – und Zunahme im Verkehr. BUND kritisiert Senat. Der verweist auf neue Methodik.

Zwar hat sich Hamburg zuletzt große Ziele beim Klimaschutz gesetzt: Bis 2030 soll der Ausstoß des maßgeblich für die Erderwärmung verantwortlichen Kohlendioxids (CO2) um 55 Prozent gegenüber 2030 reduziert werden. Und, so haben es sich SPD und Grüne in ihren neuen Koalitionsvertrag geschrieben, schon „deutlich vor 2050“ will die Stadt klimaneutral werden.

Die gerade vom Statistikamt Nord vorgelegte jüngste CO2-Bilanz allerdings liest sich etwas anders. Gerade einmal um 0,5 Prozent ist der Ausstoß des Klimagases 2018 gegenüber 2017 reduziert worden. Nach der immer erst mit zwei Jahren Verspätung vorgelegten Statistik sanken die CO2-Emissionen in der Hamburger Verursacherbilanz 2018 um gerade einmal 77.000 Tonnen gegenüber dem Vorjahr. Statt 16.398.000 Tonnen wie 2017 wurden 2018 in Hamburg noch 16.321.000 Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen.

Ausstoß des Klimagases im Verkehrsbereich sogar angestiegen

Der Rückgang liegt dabei unter den im Klimaplan geschätzten Einsparungen. Dort sind für die Jahre 2018 und 2019 zusammen 602.000 Tonnen als „übergreifende Einsparungen“ beziffert, also gut 300.000 Tonnen pro Jahr. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte bei der Vorstellung des Klimaplans betont, dass sich die CO2-Emissionen zuletzt „in Hamburg jedes Jahr im Durchschnitt um über 400.000 Tonen pro Jahr“ verringert hätten. In der Realität ist es in der neuen Bilanz nicht einmal ein Fünftel davon.

Auffällig an den Zahlen ist, dass der Ausstoß des Klimagases im Verkehrsbereich sogar angestiegen ist. Hier gab es 2018 einen Zuwachs um 1,4 Prozent gegenüber 2017. Der CO2-Ausstoß stieg hier von 4.641.000 auf 4.706.000 Tonnen.

Schifffahrt konnte ihren Ausstoß reduzieren.

Verantwortlich dafür waren der Luftverkehr mit einem Zuwachs von 91.000 auf 1.019.000 Tonnen und der Schienenverkehr mit einem Plus von 18.000 auf 258.000 Tonnen. Der aus dem Straßenverkehr stammende Ausstoß sank zwar leicht von 3.333.000 auf 3.298.000 Tonnen.

Der Rückgang blieb mit diesen 1,05 Prozent allerdings gering, zu gering jedenfalls, um die deutlichen Zuwächse in anderen Verkehrsbereichen auszugleichen. Die Schifffahrt konnte ihren Ausstoß laut der Statistik im Jahr 2018 um 7000 auf 133.000 Tonnen CO2 reduzieren.

Hamburgs Industrie erbrachte größte Reduktion

Die größte Reduktion hat gemäß der neuen Bilanz die Industrie erbracht. Sie senkte ihre Kohlendioxid-Emissionen binnen eines Jahres um 181.000 Tonnen oder fast vier Prozent auf jetzt 4.408.000 Tonnen. Die Belastung durch private Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen nahm dagegen 2018 leicht zu: Sie stieg um 0,5 Prozent oder 39.000 auf jetzt 7.206.000 Tonnen. Damit ist der in der Statistik gemeinsam ausgewiesene Bereich Privathaushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen in Hamburg mit Abstand der größte Emittent von CO2 vor Verkehr und Industrie.

Für den Umweltverband BUND zeigen die Zahlen, dass Hamburg „erneut den prognostizierten Einsparpfad“ verfehle. „Die Klimapolitik des Senats droht zu scheitern“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. „Die CO2-Einsparung bewegt sich im Promillebereich, die Lücke zur erforderlichen Reduktion wird immer größer. Das ist in Anbetracht der Klimakrise eine glatte ,Sechs‘ für die Klimaschutzpolitik des Senates.“ Hamburg droht nach Einschätzung des BUND „an den Herausforderungen der Klimakrise zu scheitern“.

Umweltbehörde: "Methodenwechsel bei der Datenerfassung"

Das im Klimaplan „erst Ende letzten Jahres beschlossene Ziel, bis 2030 mit einem Mix aus Maßnahmen des Bundes (2,9 Millionen Tonnen) und Hamburgs (4,1 Millionen Tonnen) einzusparen, wackelt gewaltig“, so der BUND. Das Jahr 2018 sei im Klimaplan bereits nur für den Hamburger Anteil mit einer Reduktion von 300.000 Tonnen CO2 eingepreist worden.

„Die Realität hat also den Klimaplan deutlich überholt“, so Braasch. „Der BUND fordert daher, umgehend die Anstrengungen für eine konsequente Verkehrswende zu verstärken, die Sanierungsrate im Gebäudebestand auf mindestens drei Prozent pro Jahr zu erhöhen und den Kohleausstieg schneller umzusetzen.“ Vor allem brauche Hamburg „einen durchfinanzierten Klimaplan und in den nächsten Wochen volle Budget-Transparenz“.

BUND-Chef Braasch: Hamburg spart zu wenig CO ein

Laut Umweltbehörden-Sprecher Björn Marzahn geht die geringe Reduktion des CO2-Ausstoßes teilweise auf einen „Methodenwechsel bei der Datenerfassung infolge der Novellierung des Energiestatistikgesetzes“ zurück. So seien jetzt zusätzliche Fernwärmeversorger und Blockheizkraftwerke erfasst worden. „Die methodischen Änderungen führen dazu, dass in der Energiebilanz 2018 durch verfeinerte Datenerfassung Energieverbräuche erfasst wurden, die immer schon existierten, in den vorherigen Bilanzen aber nicht enthalten waren“, so Marzahn.

„Die Umweltbehörde ist dabei, die Verursacherbilanz und die durch die methodischen Änderungen verbundenen Auswirkungen auszuwerten.“ Dabei machte auch der Sprecher von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) klar: „Die Daten der aktuellen Energiebilanz zeigen deutlich auf, wie wichtig es ist, intensiv daran zu arbeiten, die Maßnahmen des Klimaplans umzusetzen.“

Auch BUND-Chef Braasch sagte mit Blick auf die Methodik: „Wir gehen nicht davon aus, dass die Erfassung von wenigen zusätzlichen Daten die Trendaussage grundlegend ändert. Hamburg spart zu wenig CO2 ein. In jedem Fall sollte aber dringend eine Transparenz und Vergleichbarkeit in den Zeitreihen hergestellt werden. Und wir brauchen in Hamburg ein schnelleres Monitoring, damit wir auf das Versagen der Klimaschutzpolitik zügig reagieren können.“

Senat hat Bilanz 2018 noch nicht analysiert

Senatssprecher Marcel Schweitzer betonte, dass der Bürgermeister sich mit dem Satz über Einsparungen von jährlich 400.000 Tonnen auf den Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2017 bezogen und keine Prognose abgegeben habe. Die Bilanz für 2018 habe seinerzeit noch nicht vorgelegen. „Eine Analyse und Beurteilung der CO2-Bilanz 2018 sind durch den Senat noch nicht erfolgt.

Er wird diese aber vornehmen und bei seinen Entscheidungen berücksichtigen“, so Schweitzer. „Aus unserer Sicht bestätigt sich mit der Bilanz für 2018 die Notwendigkeit des Klimaplans und die Priorität, die der Senat und der Erste Bürgermeister dem Klimaschutz in Hamburg einräumen.“