Berlin. Die Fußgängerzonen sind im Teil-Lockdown vielerorts leer. Der Handelsverband fürchtet Pleiten der Einzelhändler – und fordert Hilfe.

Trotz goldener Herbsttage wirken die Einkaufsstraßen vieler Städte seit Wochenbeginn wieder trostlos. Die Restaurants, Bars und Hotels in den Fußgängerzonen sind aufgrund des neuen Teil-Lockdowns geschlossen, in den Geschäften dazwischen darf sich nur eine Person pro zehn Quadratmeter Fläche aufhalten. Viele Arbeitnehmer sind zurück im Homeoffice, es ist ruhig geworden in den Fußgängerzonen.

Die Ruhe könnte zu einem dauerhaften Zustand werden, fürchtet der Handelsverband Deutschland (HDE). „Das erneute Herunterfahren des öffentlichen Lebens bringt viele Einzelhändler in den Innenstädten in eine existenzbedrohende Lage“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth unserer Redaktion.

Lockdown: Handelsverband fordert Ausweitung der Nothilfen

Die Appelle der Politik, zu Hause zu bleiben, in Kombination mit heruntergefahrenen Fensterläden und aufeinandergestapelten Stühlen ermöglichen kein angenehmes Einkaufsgefühl, sagt Genth.

Während die Gastronomie und die Hotellerie aufgrund ihrer Zwangsschließungen auf Entschädigungen von bis zu 75 Prozent der Umsätze aus dem Vorjahres-November hoffen können, müssen sich viele Geschäfte mit der Trostlosigkeit der Einkaufsstraßen arrangieren.

Genth fordert daher, dass die Nothilfen auf den Einzelhandel ausgeweitet werden. „Denn ansonsten gehen viele innerstädtische Händler trotz geöffneter Geschäfte in die Insolvenz. Ergebnis wären öde Innenstädte mit zahlreichen Leerständen“, fürchtet der HDE-Chef. Es gelte, „Geisterstädte zu verhindern“.

Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), sieht den Einzelhandel in einer „existenzbedrohenden Lage“.
Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), sieht den Einzelhandel in einer „existenzbedrohenden Lage“. © imago images/Reiner Zensen

Immobilienverband warnt vor Leerständen auch in den Metropolen

Es ist eine Sorge, die auch der Zentrale Immobilien-Ausschuss (ZIA), Spitzenverband von rund 37.000 Unternehmen der Immobilienwirtschaft, teilt: „Je länger die Pandemie dauert, desto mehr Lücken werden in den Fußgängerzonen entstehen“, sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner unserer Redaktion.

Leer stehende Geschäfte in Fußgängerzonen sind nicht neu. Bisher betrafen sie aber meist kleinere, umsatzschwache Städte. Dort verschärfe sich nun der Trend, sagt Mattner. Und nicht nur das: „Neu ist, dass auch A- und B-Städte in die Bredouille kommen.“

Als sogenannte A- und B-Städte gelten florierende, umsatzstarke Städte wie Hamburg, Berlin oder München. Gerade dort lockt für gewöhnlich das große Geschäft – doch die Fixkosten sind hoch. In den sehr guten Einkaufslagen kostet der Quadratmeter gut und gerne 400 Euro. Bleibt dann die Kundschaft aus, kommen viele Einzelhändler an ihre Grenzen.

ZIA-Präsident: „Insolvenzwelle, die unsere Innenstädte in die Steinzeit katapultiert“

Der Bund will ihnen mit der jüngst verlängerten Überbrückungshilfe unter die Arme greifen. Wer zwischen September und Dezember im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Umsatzeinbruch von über 70 Prozent vorweisen kann, erhält 90 Prozent der Fixkosten erstattet.

Die Hilfen kommen bei den Wirtschaftsverbänden gut an – nur wachsen die Zweifel, wie oft und wie lange sich der Bund solche Maßnahmen noch leisten kann. „Irgendwann werden die Hilfsgelder und Kurzarbeitergelder aufgebraucht sein. Wenn es dann zu weiteren Lockdowns kommt, gibt es eine massive Insolvenzwelle, die unsere Innenstädte zurück in die Steinzeit katapultieren wird“, warnt Mattner.

Andreas Mattner, Präsident des ZIA, fürchtet einen größeren Leerstand in den deutschen Einkaufsstraßen.
Andreas Mattner, Präsident des ZIA, fürchtet einen größeren Leerstand in den deutschen Einkaufsstraßen. © imago/Metodi Popow

Immobilienwirtschaft dringt auf Öffnung auf Hotels

Schon jetzt rechnet Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) damit, dass bis Dezember zwei bis drei Milliarden Euro mehr abfließen werden als geplant. Da die Branchen auch zu Beginn des kommenden Jahres vom Normalzustand noch weit entfernt sein werden, arbeiten das Bundeswirtschaftsministerium und das von Olaf Scholz (SPD) geführte Bundesfinanzministerium an einer erneuten Verlängerung und Umgestaltung der Maßnahmen. Das dann dritte Paket der Überbrückungshilfe soll weiter vereinfacht werden, heißt es.

Der ZIA warnt davor, nach dem November-Lockdown erneut Hotels und Gaststätten zu schließen. Im Gegensatz zum ersten Lockdown im Frühjahr habe man dazugelernt. „Daher halte ich das Beherbergungsverbot für Touristen für fachlich nicht unterlegt und wünsche mir auch mehr Differenzierung bei den Restaurants. Denn diese Orte waren keine Corona-Hotspots“, sagt Mattner.

Einkaufsstraßen werden sich verändern

Doch trotz der Hilfen und auch ohne weitere Lockdowns geht der Verbandspräsident davon aus, dass sich die Innenstädte verändern werden. Mattner appelliert daher, sich bereits jetzt Gedanken zu machen, wie Lücken in den Fußgängerzonen nach der Pandemie geschlossen werden sollen: „Das kann zum Beispiel geschehen, indem Fußgängerzonen an den Enden verkleinert werden.“

Den Leerstand schnell beheben zu wollen, indem daraus neue Wohnungen entstehen, hält er für falsch, „Einkaufsstraßen leben davon, dass sich Geschäfte in Erdgeschossen ansiedeln. Das lockt Passanten an. Wenn Wohnungen in Erdgeschossen von Fußgängerzonen entstehen, werden diese noch leerer“, sagt Mattner.