Hamburg. Wegen der hohen Nachfrage werden sie sogar schon paarweise statt in Hunderter-Boxen verkauft. Auch Desinfektionsmittel betroffen.

Peer Rüdel bangt um seine Bestellung. Er ist geschäftsführender Teilhaber des Unternehmens Walter-CMP mit Hauptsitz in Kiel und Vertriebsbüros in Hamburg und Ratingen. Der mittelständische Betrieb ist ein Komplettversorger von Laboren und Arztpraxen im Norden mit Hygiene- und Schutzmittel, bis hin zur Instrumentenaufbereitung. Mit Corona wurde die Walter-CMP systemrelevant. Seitdem kämpft sie mit mächtigen Gegenspielern um die Sicherung ihres Nachschubs.

Im Frühjahr gab es bei Schutzmasken einen Engpass. Jetzt sind es Einweghandschuhe, die wegen der weltweiten Pandemie derzeit überall gefragt sind. „Erst waren es Latex-Handschuhe, dann die aus Nitril. Selbst wenn man eine Lieferung fest zugesagt bekommen hat, kann man nicht sicher sein, dass sie einem kurzfristig von einem anderen Land noch weggeschnappt wird“, sagt Rüdel. Am größten sei das Problem mit den USA. „Wenn die bei den Herstellern der Einweghandschuhe in Malaysia oder Thailand als Supermacht auftreten, kann es schon passieren, dass eine versprochene Lieferung noch umgeleitet wird.“

Binnen einer Woche kosteten 100 Stück 270 Prozent mehr

Das hat Auswirkungen, auf die Verfügbarkeit und auf die Preise. Bereits Anfang April hat die Walter-CMP ihre Kunden darauf hingewiesen, dass sie die Preise der Produktgruppen „Hygiene/Schutzbekleidung“ und „Hygiene/Desinfektion“ in ihrem Katalog außer Kraft setzen muss. „Preise werden nur noch tagesaktuell festgelegt“, sagt Rüdel. So kostete eine Box mit 100 Handschuhen vor ein paar Wochen noch 5,95 Euro. In der vergangenen Woche waren es plötzlich 22 Euro – plus 270 Prozent.

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Was das für Auswirkungen hat, erläutert Petra Kolle. „Einweghandschuhe sind im Moment schwer zu bekommen und so teuer, dass sie zum Teil nicht mehr in Hunderter-Boxen, sondern paarweise verkauft werden“, sagt die Apothekerin aus St. Pauli und Mitglied im Vorstand der Hamburger Apotheker-Kammer. „Einweghandschuhe sind rar, wie schon wieder das Toilettenpapier.“ Das Problem mit den Schutzmasken habe sich hingegen entspannt. Kosteten die qualitativ hochwertigen FFP2 und FFP3 Masken im Frühjahr noch neun Euro das Stück, würden sie jetzt zum Teil von Billiganbietern für einen Euro verramscht. Auch Kolle musste sich dem Markt anpassen und verkauft die Masken seitdem unter dem Einkaufspreis: „Ich nehme für die guten Masken fünf Euro, habe aber 6,95 Euro bezahlt.“

Handschuhe gibt es nur noch zu Tagespreisen

Als im Frühjahr die Infektionswelle nach Europa gelangte, wurde der Nachschub von Schutzmasken sehr schnell ein Problem. Ein Großteil der in Deutschland benötigten Schutzmasken wird in China hergestellt. Da aber die Corona-Krise dort ihren Anfang nahm, wurde die chinesische Produktion zunächst vor allem im eigenen Land benötigt. Zwar erhöhte China die Produktion schnell massiv, doch war Deutschland weltweit nicht der einzige Nachfrager. In der Folge wurden die Masken knapp und teuer. Daraufhin griff Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein, um die Versorgung zentral zu regeln. Doch die Beschaffungsämter kalkulierten schlecht, so dass es derzeit einen Überschuss an Masken gibt.

Ähnlich wie bei den Masken am Anfang läuft es jetzt bei den Handschuhen. Auch hier ist die Zahl der Hersteller begrenzt. Sie sitzen in asiatischen Ländern wie Malaysia, Thailand und China. Die Nachfrage ist aber überall groß, was sich auf die Preise niederschlägt. „Wir verzeichnen Preisanhebungen um das Drei- bis Zehnfache“, sagt Christoph Hardege, Mitgeschäftsführer des Händlers für Reinigungsbedarf Van Merhagen + Seeger. Das Unternehmen mit Sitz in Geesthacht ist der zweitgrößte Schutzkleidungslieferant Hamburgs.

Auch Desinfektionsmittel werden deutlich teurer

Wer die Internetseite der Firma aufruft, landet sofort bei einer Ad-hoc-Meldung: „Einmalhandschuhe sind noch am Lager. Wir werden aber bei allen Qualitäten Engpässe bekommen. Zudem gibt es seitens der Industrie sehr starke Erhöhungen der Preise (Tagespreise), die wir so an Sie weitergeben müssen“, heißt es auf der Homepage. Hardege erklärt den Grund dafür. „Es gibt keine festen Preise. Wenn ich derzeit einen Container mit Handschuhen bestelle, wird mir gar kein Preis genannt. Den erfahre ich wenige Wochen vor Lieferung. Zudem gebe es derzeit für Bestellungen Wartezeiten bis zum Januar des Jahres 2023. Sogar aus Kliniken, die normalerweise von Großlieferanten wie der Paul Hartmann AG versorgt werden, sei er schon angesprochen worden, ob er nicht Handschuhe besorgen könne, sagt Hardege.

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Auch die zentrale Beschaffung der Stadt Hamburg leidet unter dem Problem. Diese beschafft Schutzhilfen zentral für eigene Zwecke, also zum Beispiel den öffentlichen Gesundheitsdienst. Nicht versorgt werden von ihr aber alle Einrichtungen, die individuell ihre Bedarfe decken und sich bevorraten. Aber auch dort herrscht Alarmstimmung. „Zwar sind im städtischen Pandemielager noch Reserven verfügbar“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Gesundheitsbehörde. „Das Problem in der Beschaffung ist uns dennoch bekannt. Während sich der Markt zuletzt bei Masken und Desinfektionsmittel entspannt hat, ist dies bei Einmalhandschuhen nicht geschehen. Wir beobachten ebenfalls ein stark angestiegenes Preisgefüge.“

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Persönliche Schutzausrüstung wie Kittel und Schutzbrillen sind aktuell nicht knapp und können bestellt werden. Allerdings nehmen auch hier die Anbieter Tagespreise. Gleiches gilt für Desinfektionsmittel. „Wir haben täglich massive Preiserhöhungen seitens der Industrie, die wir umsetzen müssen und umgesetzt haben – auch bei laufenden Preiszusagen oder Ausschreibungen“, sagt Hardege. Dabei hatte die Bundesregierung zur ausreichenden Versorgung mit Desinfektionsmitteln bereits im Frühjahr Ausnahmegenehmigungen zur Herstellung an Apotheken und Spirituosenproduzenten erteilt.

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