Hamburg. Hamburger Unternehmer liebäugeln mit entsprechendem Antrag. Wegweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bildet die Grundlage.
Hamburgs Kammerrebellen melden sich zurück. Zwar sind sie Anfang des Jahres krachend aus Präsidium und Plenum der Handelskammer gewählt worden. Innerhalb ihres Kreises führen sie aber jetzt Gespräche mit dem Ziel, die Handelskammer zum Austritt aus dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zu zwingen. Und die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts macht es möglich. Mancher Kammerrebell glaubt bereits, das dies dann der Anfang vom Ende der Pflichtorganisationen sei.
Die Aufregung in den Rechtsabteilungen der deutschen Kammern ist groß. Ein Windkraftunternehmer aus Münster hatte den Austritt seiner Industrie- und Handelskammer, der IHK Nord Westfalen, aus dem Dachverband DIHK gefordert. Seine Begründung: Der DIHK überschreite fortwährend seine Kompetenzen und äußere sich zu allgemeinpolitischen Themen, was dem Verband gar nicht zustünde. Nicht zuletzt ging es wohl darum, dass der DIHK sich gegen einen Ausbau der erneuerbaren Energien ausgesprochen hatte, was dem Kläger nicht passte.
DIHK hat mehrfach seine Kompetenzgrenzen überschritten
Die höchstrichterliche Instanz in Leipzig gab ihm nach 13 Jahren jetzt recht. Der DIHK habe mehrfach und nicht nur in atypischen Ausreißerfällen die gesetzlichen Kompetenzgrenzen der Kammern überschritten, heißt es in einer vorläufigen Begründung. „Das könnte und das wird Konsequenzen für das gesamte Kammerwesen in Deutschland haben“, sagt der ehemalige Vorsitzende des Innenausschusses und Ex-Vizepräses der Handelskammer Hamburg, Torsten Teichert, dem Abendblatt.
Brisanz hat das Urteil unter anderem, weil einzelne Mitglieder gegen den DIHK klagen können. Dieses Recht hatte der Dachverband bereits im Jahr 2016 den an die insgesamt 79 deutschen Industrie- und Handelskammern angeschlossenen Unternehmen nach einem Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts eingeräumt. Damit können auch einzelne Hamburger Unternehmer, gegen den DIHK klagen, selbst wenn sie keine Funktion mehr in der Handelskammer haben; so wie die ehemaligen Rebellen.
Handelskammer könnte jährlich 1,5 Millionen Euro sparen
„Wir erwägen in der Tat, die Handelskammer zum Austritt aus dem DIHK aufzufordern“, sagt Stefan Duphorn, einer der früheren Vorkämpfer und Betreiber einer Firmendatenbank. Darüber gebe es jetzt Gespräche. „Der Ball liegt im Feld der Handelskammer. Sie muss zeigen, wie sie mit dem Urteil umgeht“, sagt Teichert. „Wenn sie glaubt sie könne das Thema einfach nur aussitzen, werden sich eine Reihe von Unternehmern finden, die eine Klage anstrengen. Die Handelskammer zahlt jährlich 1,5 Millionen Euro an den DIHK. Mit dem Geld könnte man viel Gutes für die Hamburger Unternehmen tun.“
Am Adolphsplatz will man zunächst abwarten. „Wir werden das Urteil genau analysieren, dafür warten wir jetzt auf die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Malte Heyne, dem Abendblatt. Hamburgs Wirtschaft brauche eine starke Stimme in der bundespolitischen Interessenvertretung im Verbund mit den Partnerkammern. „Daher haben wir die feste Erwartung an den DIHK, dass er schnellstmöglich nochmals verbesserte Vorkehrungen trifft, um in allen seinen öffentlichen Äußerungen den gesetzlichen Anforderungen voll gerecht zu werden. Diesen Reformprozess werden wir konstruktiv begleiten.“
Verband fordert Rücktritt der DIHK-Führung
Beim DIHK heißt es, man werde alles dafür tun, um der IHK Nord Westfalen den Wiedereintritt zu ermöglichen. „Insbesondere werden wir weitere Vorkehrungen treffen, um die Wiederholung von Kompetenzverstößen zuverlässig zu verhindern“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Er betonte, dass die Industrie- und Handelskammern und der DIHK auch nach dem Urteil „handlungsfähig und funktionstüchtig“ blieben.
Der Bundesverband für freie Kammern (bffk), der sich für eine Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft in den Kammern starkmacht, hat indes einen Musterbrief vorbereitet, mit dem Unternehmen ihre Kammer auffordern können, dem DIHK den Rücken zu kehren. Zudem fordert der bffk den Rücktritt der DIHK-Spitze. „Der DIHK-Präsident und der DIHK-Hauptgeschäftsführer sind aus Sicht des bffk aktiv für den jahrelangen Rechtsbruch und das Organisationsversagen verantwortlich“, sagte Hauptgeschäftsführer Kai Boeddinghaus.
Auch Handwerkskammer betroffen?
„Dieses bahnbrechende Urteil hat nicht nur Auswirkungen auf die Industrie- und Handelskammern, sondern auch auf die Handwerkskammern und den ZDH“, glaubt Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des DGB. Die Handwerkskammer sollte sich zukünftig sehr genau anschauen, zu welchen Themen und Forderungen sie sich öffentlich äußert. „Äußerungen zur Anhebung der Minijobgrenze oder zu den Dokumentationspflichten beim Mindestlohn, die den Interessen der in den Handwerkskammern vertretenen Arbeitnehmern klar zuwiderlaufen, gehören jetzt der Vergangenheit an. Ohne Ab- und Zustimmung der Arbeitnehmer ist dies so leicht nicht mehr möglich.“
Das sieht die Handwerkskammer Hamburg etwas anders: „Die Auswirkungen des Urteils lassen sich noch gar nicht abschätzen. Und bei uns in der Handwerkskammer ist das kein Thema“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.