Hamburg. Anbieter müssen wegen Corona Umsatzeinbrüche verkraften. Versandhändler vermittelt Touren. Hoffnung liegt auf der Weihnachtszeit.
Morgens um 8 Uhr ist der Betriebshof im Sommer normalerweise gut gefüllt. Dicht an dicht parken dort die knallroten Doppeldecker-Busse, bevor sie zu den täglichen Stadtrundfahrten Richtung Innenstadt starten. Jetzt ist der Parkplatz in Hammerbrook gerade mal halb voll. Neun der 20 Doppeldecker stehen im Winterquartier. „Wir fahren im Moment nur mit acht Bussen im Linienverkehr“, sagt die Geschäftsführerin der Roten Doppeldecker, Katharina Fest. Und auch die sind selten voll besetzt. Die Corona-Pandemie sorgt für massive Umsatzverluste im Geschäft mit den Stadtrundfahrten. Nicht nur der Marktführer, auch die anderen Anbieter haben ihr Angebot deshalb deutlich reduziert. „Es kommen wieder Touristen, aber es sind immer noch viel weniger als sonst“, sagt die 38-Jährige.
Klassische Stadtrundfahrten sind ein Saisongeschäft. In Hamburg haben sieben Unternehmen eine Konzession für den Linienverkehr zu den wichtigsten Hamburger Sehenswürdigkeiten. Der Corona-Lockdown Mitte März hatte die Betriebe kurz vor dem Saisonbeginn hart getroffen. „Damit hatten wir nicht gerechnet“, sagt die Chefin der Roten Doppeldecker, die das Unternehmen gemeinsam mit Gründer Heinrich Schuster und seiner Frau Marlis führt. Schließlich sitzen die Fahrgäste mit offenem Dach meist an der frischen Luft. Zudem hatte Fest in zwei Busse eine Holzwand einbauen lassen, um Fahrer und Stadtführer von den Passagieren zu trennen. „Und dann ging gar nichts mehr“, sagt die Geschäftsfrau. Zwei Monate lang stand die komplette Flotte des Stadtrundfahrten-Pioniers still. Das gab es noch nie in der 40-jährigen Firmengeschichte.
Alle Linien fahren wieder
Inzwischen fahren alle Linien wieder. Die anfängliche 50-Prozent-Belegungsquote hat die Politik nach Protesten kassiert. Aber an den Haltepunkten für die Rundtouren zum Beispiel am Rathausmarkt warten sowieso selten mehr als eine Handvoll Menschen. In den Bussen gilt wie in allen öffentlichen Verkehrsmitteln Maskenpflicht. Das könnte für manchen ein Grund sein, doch lieber zu Fuß und auf eigene Faust durch die Stadt zu streifen.
„Anfang der Woche setzen wir nur noch einen Bus ein“, sagt Heike Januzi-Schlatermund, Geschäftsführerin der Hamburg Citytours. Donnerstag bis Sonntag sind es zwei bis drei. „Es rentiert sich sonst nicht. Wir würden nur Minus machen“, sagt die Chefin der hellblauen Doppeldecker, die auch Geschäftsführerin des Unternehmens AGT Busvermietung ist. Um Geld für eine zusätzliche Arbeitskraft zu sparen, fährt sie abends nach Fahrtende selbst zu den Bussen, um die Abrechnung zu machen. „Überlebt haben wir als kleines Stadtrundfahrtenunternehmen nur, weil wir Busse auch noch anderweitig vermieten“, sagt Heike Januzi-Schlatermund.
Werkstouren für Versandhändler Amazon
Auch bei den Gelben Doppeldeckern ist die Lage mehrere Monate nach dem Neustart noch weit von der Vor-Corona-Zeit entfernt. „Normalerweise haben wir zwischen 200 und 300 Fahrgäste am Tag, jetzt sind es gerade mal gut 100“, sagt Christa Rduch. Gemeinsam mit ihrer Tochter Ina managt sie das Unternehmen Stadtrundfahrt Hamburg – Die Gelben Doppeldecker. Nur am Sonnabend setzen sie noch alle vier Busse ein, sonst fahren nur zwei. „Als wir kurz vor Himmelfahrt wieder starten durften, dachten wir, jetzt geht’s los“, erinnert sich Rduch. Aber an dem Freitag nach dem Feiertag, normalerweise mit bis zu 700 Passagieren einer der umsatzstärksten Tage des Jahres, seien gerade mal 19 Kunden in die Gelben Doppeldecker gestiegen. Chefin Rduch, die den Betrieb 1991 gegründet hatte, lacht trocken.
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Gerettet habe sie über die vergangenen Monate, dass sie für den Versandhändler Amazon Werkstouren übernehmen konnten. Die Mitarbeiter wurden im Doppeldecker vom Bahnhof in Winsen (Luhe) zum Versandzentrum kutschiert. Trotzdem hat Rduch von zwölf Beschäftigen inzwischen dreien gekündigt. Ein weiterer Busfahrer habe das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen, sagt sie. Erst Anfang des Jahres hatte das Mutter-Tochter-Duo zudem den Anbieter Die Hanse – Stadtrundfahrten mit sechs Mitarbeitern übernommen. „Wenn wir gewusst hätten, dass Corona kommt, hätten wir das nicht gemacht“, so Christa Rduch. Jetzt käme es darauf an, wie sich die Pandemie weiterentwickelt – und damit der Städtetourismus in Hamburg. „Der August war schon mal nicht so schlecht wie erwartet.“
Auch die Busunternehmen mussten Kurzarbeit anmelden
Auch die Chefin der Roten Doppeldecker, Katharina Fest, hofft darauf, dass sich die Lage weiter normalisiert – und will ihre Busse auch in den nächsten Monaten weiterfahren lassen. „Wenn man keine Normalität zeigt, wie soll sie dann wiederkommen“, sagt sie. Inzwischen haben sich die Geschäftszahlen verbessert. Während das Umsatzminus im Mai noch bei dramatischen 95 Prozent im Vergleich zum Vorjahr lag, waren es im August „nur noch“ 35 Prozent. Insgesamt, beziffert die Betriebswirtin den Einnahmenverlust von April bis Juli auf etwa 1,7 Millionen Euro. „Wir machen in der Saison im Schnitt 550.000 Euro Umsatz im Monat, jetzt waren es in den vier Monaten insgesamt keine 500.000 Euro“, sagt sie. Denn auch Feiern und Firmenevents, sonst ein wichtiger Teil der Einnahmen, fallen praktisch komplett weg.
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Bislang konnte Fest, die vor elf Jahren über ein Praktikum ins Unternehmen gekommen war, mithilfe von Kurzarbeit alle 50 festen Mitarbeiter weiterbeschäftigen. Sie hat staatliche Überbrückungshilfen und vergünstige Kredite beantragt. „Unser Vorteil ist, dass die Gründerfamilie Schuster immer für eine solide Basis gesorgt hat und die Fixkosten nicht so hoch sind“, sagt sie. Parallel wurden Investitionen, wie zum Beispiel die Umstellung der ersten Busse auf Elektroantrieb, die eigentlich für dieses Jahr geplant war, erst mal verschoben. Alle Anbieter sehen jetzt dem Herbst und Winter mit Sorgen entgegen. Wichtig ist, dass die Weihnachtsmärkte stattfinden“, sagt Katharina Fest. Ohne die zusätzlichen Gäste sähe es sonst für die nächsten Monate düster aus.
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Denn Hamburger steigen kaum in die Touristenbusse – auch wenn sie für Teilstrecken Tickets ab 3 Euro lösen können. Ein Fahrschein für eine komplette Rundtour mit dem Prinzip Hop on, Hop off kostet für einen Erwachsenen 18,50 Euro, ermäßigt 16 Euro. Daran hat sich auch in der Corona-Zeit nichts geändert. „Es ist eine schwierige Situation für alle im Tourismus“, sagt Anneke Müller, Geschäftsführerin der Anbieter Stadtrundfahrt in Hamburg und Hansa Rundfahrt. Die Unternehmerin lässt ihre Busse inzwischen immer häufiger stehen – und vermietet sie als ungewöhnliche Orte für Veranstaltungen.