Hamburg. Die Pandemie hat tiefe Spuren in Kliniken, Gesundheitswesen, Wirtschaft, Haushalt und Bildung hinterlassen. Wo steht die Stadt?
Es war einer dieser grauen Wintertage, als die Corona-Pandemie Hamburg erreichte: Vor einem halben Jahr, am Abend des 27. Februar, konnte das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) die erste Infektion mit dem neuartigen Virus Sars-CoV-2 in der Hansestadt nachweisen. Der Betroffene, ein Kinderarzt des Klinikums, war vier Tage zuvor aus seinem Urlaub in der italienischen Provinz Trentino zurückgekehrt. Als er dann an seinem zweiten Arbeitstag erste Symptome einer Covid-19-Erkrankung bemerkte, brach er seinen Dienst ab und ließ sich testen. In einem „stabilen Zustand“ begab der Mann sich dann in häusliche Quarantäne an seinem Wohnort in Henstedt-Ulzburg. Es war der Auftakt zu einem halben Jahr, wie es die Hansestadt so noch nicht erlebt hat. Eine Bilanz und ein Ausblick.
Die drei Phasen der Pandemie
Die Entwicklung war in Hamburg von drei Phasen geprägt: Zu Beginn der Pandemie im März schnellten die täglichen Neuinfektionen rasch nach oben – genau das „exponentielle Wachstum“, vor dem die Virologen gewarnt hatten. Ein Auslöser waren die Hamburger „Skiferien“ in den ersten zwei März-Wochen, die es so in keinem anderen Bundesland gibt. Ohne zu wissen, dass das Virus bereits in österreichischen Skiorten wie Ischgl angekommen war, steckten sich dort viele Hundert Urlauber an und brachten die Gefahr mit in die Heimat. Vom 20. März an wurden in der Stadt täglich rund 150 Neuinfektionen nachgewiesen – mit Ausreißern nach unten und oben –, wobei der Spitzenwert von 248 Infektionen am 24. März in erster Linie auf Nachmeldungen vom Wochenende zurückzuführen war.
Bedingt durch das weitgehende Runterfahren des öffentlichen Lebens gingen die Zahlen vom 10. April an wieder zurück – Phase zwei –, bis Hamburg am 19. Mai erstmals keinen neuen Corona-Fall zu vermelden hatte. Mehr als zwei Monate lang, vom 20. Mai bis zum 22. Juli, wurden nie mehr als zehn Infizierte pro Tag registriert.
Doch ähnlich abrupt wie im März begann dann Phase drei: Vom 23. Juli an wurden wieder kontinuierlich zweistellige Zahlen vermeldet – und spätestens als am 7. August 80 Neuinfektionen nachgewiesen wurden, war die Debatte über eine vermeintliche zweite Welle da. Ebenso wie im Frühjahr die 248 waren jedoch auch die 80 Fälle im August bislang nur ein Ausreißer – seitdem werden im Schnitt rund 30 Fälle pro Tag entdeckt. Großer Unterschied zum März: Während der Anstieg damals durch harte Maßnahmen und Eingriffe in den Alltag der Bevölkerung eingedämmt wurde, haben sich die Infektionszahlen im Spätsommer bislang ohne weitere Maßnahmen von allein eingependelt. Zum 1. September greifen sogar weitere Lockerungen, etwa für den Mannschaftssport.
Die Zahl der Corona-Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten und derer, die an Covid-19 verstarben, verlief im Prinzip parallel, wenn auch zeitlich leicht versetzt. Auf den Intensivstationen der Klinken war der Höhepunkt der Auslastung durch Corona am 10. April erreicht: An diesem Tag wurden 107 Intensivbetten für Covid-19-Patienten gebraucht – ein Bruchteil der Kapazitäten. Am 25. April wiederum registrierten die Rechtsmediziner am UKE den Höchstwert von 15 Corona-Toten an einem Tag. In den Sommermonaten kamen dann nur noch einzelne Fälle hinzu.
Infizierte: Jung und männlich
Die letzte Statistik der Sozialbehörde zu Alter und Geschlecht der Infizierten betrachtet den Stichtag 24. August: Damals waren von 6040 Infizierten 3041 oder 50,3 Prozent Männer und 2999 oder 49,7 Prozent Frauen – was insofern interessant ist, als die Frauen 51 Prozent der Hamburger Bevölkerung stellen. Männer infizieren sich also etwas häufiger.
Nach Alter gestaffelt, fällt auf, dass Corona eher ein Thema für die jüngere Bevölkerung ist: Unter den männlichen Infizierten stellen mit 560 Fällen die 20- bis 29-Jährigen die größte Gruppe, gefolgt von den 50- bis 59-Jährigen (524 Fälle) und den 30- bis 39-Jährigen (515). Diese Altersgruppe ist unter den weiblichen Infizierten mit 528 Fällen am stärksten vertreten, gefolgt von den 20- bis 29-Jährigen (489) und den 40- bis 49-Jährigen (477). Kinder sind hingegen auffallend selten von Corona betroffen: So haben sich nur 143 Kinder bis neun Jahre mit dem Virus infiziert, aber 534 über 80-Jährige – obwohl diese Altersgruppe nur rund halb so groß ist wie die der unter Zehnjährigen.
Hamburg-Mitte – der Hotspot
Vergleicht man, wie viele Infizierte es pro 100.000 Einwohner in den sieben Hamburger Bezirken gibt, liegt Bergedorf mit 186 im positiven Sinn abgeschlagen am unteren Rand, während Hamburg-Mitte mit einem Wert von 381 negativ herausragt. Alle anderen Bezirke liegen eng beieinander dazwischen: Hamburg-Nord kommt auf 293 Infizierte pro 100.000 Einwohner, Eimsbüttel auf 304, Harburg auf 311, Altona auf 337 und Wandsbek auf 338.
Noch auffälliger wird dieser Trend, wenn man die Neuinfektionen in den zwei Wochen vom 10. bis 23. August betrachtet: Da lag Mitte mit 111 Fällen (37 pro 100.000 Einwohner) weit vor allen anderen Bezirken, gefolgt von Harburg (39 absolut / 23 pro 100.000 Einwohner), Altona (49 / 18), Wandsbek (67 / 15), Eimsbüttel (38 / 14), Bergedorf (15 / 12) und Nord (36 / 11). Mögliche Erklärungen für beide Beobachtungen: Bergedorf ist der am dünnsten besiedelte Bezirk, dort ist Abstand halten vermutlich leichter als im dicht besiedelten Eimsbüttel. Und: Aus den Stadtteilen mit sehr hohen Ausländeranteilen in Mitte und Harburg dürften viele Bewohner die Sommerferien in der Türkei oder auf dem Balkan verbracht haben – aus heutiger Sicht Corona-Risikogebiete.
Wo Menschen sich anstecken
Eine Auswertung zu den Ansteckungsorten gibt es für Hamburg zwar nicht. Aber einige klare Tendenzen: Waren es anfangs vor allem die Skiurlauber, die das Virus in die Stadt brachten, kann die Sozialbehörde auch den Wiederanstieg der Zahlen im Sommer relativ klar zuordnen: Einerseits auf „Vergnügungstourismus“, also günstige Reisen vor allem junger Menschen nach Kroatien, Bulgarien oder Spanien. Zweitens sei auffällig, dass sich oft mehrere Mitglieder einer Familie infiziert hätten, die gemeinsam in einem Risikoland Urlaub gemacht hätten – das könnte auch den relativ hohen Anstieg im Bezirk Mitte erklären.
Todesfälle: Risikofaktor Alter
Obwohl sich mehr jüngere Menschen mit Corona infizieren als die ältere Generation, sind bei Letzteren die meisten Todesfälle zu verzeichnen. Von den 235 Corona-Toten in Hamburg sind allein 97 zwischen 80 und 89 Jahre alt gewesen. Weitere 68 waren 70 bis 79 Jahre alt und 34 waren 90 Jahre alt und älter. Das bedeutet: 85 Prozent der Toten waren älter als 70 Jahre. In die Gruppe der 60- bis 69-Jährigen fielen nur 19 Todesfälle, zwölf waren zwischen 50 und 59 Jahre und nur fünf jünger als 50. Mit 129 Fällen stellen die Männer knapp 55 Prozent der Corona-Toten in Hamburg.
Gesundheitsämter am Limit
Die Gesundheitsämter sind bundesweit die wichtigsten Behörden bei der Bekämpfung der Pandemie: Sie registrieren die Infizierten, ermitteln und informieren Kontaktpersonen und ordnen Maßnahmen wie Quarantäne an. Am 1. März gab es in den sieben Hamburger Gesundheitsämtern aber gar kein Personal, das ausschließlich dafür eingesetzt werden konnte – daher musste es eingestellt oder aus anderen Behörden abgezogen werden. Mittlerweile seien 360 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Covid-19-Kontaktverfolgung eingesetzt, so die zuständige Sozialbehörde. „Darunter befinden sich 114 externe Arbeitskräfte, die wir anwerben konnten“, sagte Sprecher Martin Helfrich. Er betont: „Die Gesundheitsämter sind Stand jetzt in der Lage, die Kontaktverfolgung der Covid-19-Erkrankten zu bewältigen.“ Da die Bundesregierung fünf Mitarbeitende je 20.000 Einwohner empfiehlt, bräuchte Hamburg aber 475 Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern. Diese Zielgröße solle auch erreicht werden. Mit anderen Worten: Es wird noch Personal gesucht.
Ein Desaster für die Wirtschaft
Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) schätzte im Mai in einer Prognose im Auftrag der Wirtschaftsbehörde den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (real) auf 5,1 Prozent für 2020. Für 2021 rechneten die Forscher dann mit einer Erholung um 4,3 Prozent – wobei diese Prognosen aufgrund der Dynamik der Pandemie mit großen Unsicherheiten behaftet sind.
Hinzu kommt, dass die Branchen höchst unterschiedlich betroffen sind. So wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres im Hafen nur 61,2 Millionen Tonnen umgeschlagen, ein Rückgang von zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das verarbeitende Gewerbe beklagte im Mai sogar Umsatzrückgänge von 37,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Und der Hamburg-Tourismus war im April sogar um 97 Prozent eingebrochen – mittlerweile hat er sich etwas erholt. Am Bau machte sich Corona hingegen kaum bemerkbar: Hier lagen die Umsätze im März noch um zwölf Prozent über dem Vorjahresmonat, fielen dann im April und Mai zwar unter die Vorjahreswerte, lagen im Juni aber schon wieder rund 14 Prozent im Plus.
Die wenigen positiven Beispiele konnten jedoch nicht verhindern, dass die Arbeitslosigkeit dramatisch anstieg: Waren vor der Krise noch je nach Jahreszeit 65.000 bis 67.000 Menschen ohne Arbeit, stieg diese Zahl binnen weniger Monate um mehr als 35 Prozent auf rund 91.000 an. Die Arbeitslosenquote kletterte von 6,3 auf 8,5 Prozent Ende Juli.
Gewaltiges Loch im Haushalt
Dass Unternehmen ohne Umsätze weniger Gewerbe- und Körperschaftssteuern abführen, dass Menschen ohne Arbeit keine Lohnsteuern zahlen, weniger konsumieren und im Gegenzug Geld vom Staat benötigen – das alles schlägt sich natürlich auch im Hamburger Haushalt nieder: Mit der Mai-Steuerschätzung wurden die Einnahmeerwartungen der Stadt bis 2024 um insgesamt 4,7 Milliarden Euro nach unten korrigiert – davon allein für das laufende Jahr um 1,7 auf nur noch knapp elf Milliarden Euro.
Die Halbjahreszahlen lassen jedoch hoffen, dass es nicht ganz so schlimm kommen wird. Einem Senatsbericht zufolge liegen die Steuereinnahmen bislang „nur“ um gut 450 Millionen Euro unter denen des Vorjahres. Da jedoch parallel auch die Ausgaben für die Bewältigung der Krise steigen, sieht es im Etat deprimierend aus: Hatte die Stadt 2019 zum Halbjahr noch einen Überschuss von 926 Millionen Euro erwirtschaftet, steht sie 2020 bereits mit 227 Millionen Euro im Minus. Ebenfalls besorgniserregend: Die Verschuldung im Kernhaushalt (ohne öffentliche Unternehmen und Schulbau) ist bereits um knapp 1,2 auf 24,4 Milliarden Euro gestiegen.
Die finanzielle Schieflage ist auch den enormen Hilfspaketen geschuldet: So wurden nach Angaben der Finanzbehörde allein für die „Hamburger Corona-Soforthilfe“ bis Ende Mai 64.600 Anträge gestellt – vor allem von Kreativen und Soloselbstständigen. Mehr als 530 Millionen Euro wurden bereits ausgezahlt, wovon allerdings der größere Anteil aus Bundesmitteln stammt. An steuerlichen Hilfen (Herabsetzungen und Stundungen von Steuerforderungen) hat die Stadt bislang rund 3,6 Milliarden Euro gewährt – dieses Geld muss allerdings später nachgezahlt werden. Und auch die „Neustartprämie für Kulturschaffende“ ist gut angelaufen: Bislang wurden rund 6000 Anträge gestellt, knapp 5000 bewilligt und schon mehr als neun Millionen Euro ausgezahlt.
Droht eine zweite Welle?
„Ich glaube, dass eine zweite Welle kommt, es möglicherweise sogar mehrere Wellen werden, bis es einen Impfstoff geben wird“, sagte Prof. Dr. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), dem Abendblatt. „Wichtig ist dann, nach Bedarf und abgestimmt so zu agieren, dass diese Infektionsgeschehen beherrschbar sind und die Menschen nicht zu sehr eingeschränkt werden. Wenn sich im Herbst die Menschen wieder verstärkt in Innenräumen aufhalten und die Grippesaison beginnt, ist zu befürchten, dass die Infektionszahlen wieder steigen.“ Daher sei es wichtig, dass sich alle an die geltenden AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken) halten.
Der Virologe Prof. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin geht trotz der jüngsten Zunahme von Neuinfektionen dagegen nicht davon aus, dass es im Herbst in der Hansestadt zu einer sehr starken Ausbreitung des Coronavirus kommen wird. „Wir verstehen das Virus immer besser“, sagt Schmidt-Chanasit. „Große Probleme wären nur zu erwarten, wenn wir bisher wichtige Faktoren bei der Übertragung des Erregers und bei der Prävention übersehen hätten.“ Das sei jedoch unwahrscheinlich. Insbesondere die AHA-Regeln hätten dafür gesorgt, das Infektionsgeschehen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau zu halten. „Eine Verschärfung der Corona-Regeln ist nicht nötig.“ Wie Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist aber auch Schmidt-Chanasit dafür, privat organisierte Treffen, etwa Familienfeiern, auf eine Höchstzahl von 50 Teilnehmern zu beschränken. Das Risiko, dass die AHA-Regeln verletzt werden, sei bei solchen Zusammenkünften erheblich höher als bei öffentlichen Veranstaltungen.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Hohe Infektionszahl in Hamburg – Engpässe bei Globetrotter
- Hamburger Ärzte klagen an: Corona-Warn-App ein großer Flop
- Corona-Patienten erhielten Cortison – keine Beatmung nötig
Bis zu 19.000 Tests – am Tag
Zu Beginn der Pandemie wurden in erster Linie Menschen mit Krankheitssymptomen getestet – in Hamburg bis zu 3500 am Tag. Später ging man zu der Strategie „Testen, testen, testen“ über, um das Dunkelfeld in der Bevölkerung aufzuhellen. Die Kapazitäten wurden immer weiter ausgebaut: Mittlerweile können bis zu 19.000 Tests am Tag in Hamburg durchgeführt werden – 11.000 am Tag waren es tatsächlich Mitte August. Große Testzentren betreibt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Altona und Farmsen sowie am Flughafen je eins die Stadt und die Firma Centogene. Kommende Woche wird zudem wohl ein Testzentrum der KV am Hauptbahnhof in Betrieb gehen. Die Abstriche werden in zwölf Laboren untersucht.
Von der aus Bayern forcierten Idee, alle Reiserückkehrer aus Risikogebieten am Flughafen zu testen – erst freiwillig, dann sogar verpflichtend –, war der rot-grüne Hamburger Senat nicht sonderlich überzeugt. Denn es hat die Laborkapazitäten ausgereizt, wenig positive Befunde hervorgebracht (0,6 Prozent am Flughafen) und enorm viel Geld gekostet. Daher wurde die Testpflicht auch auf Drängen Hamburgs bundesweit wieder gekippt. Nur bis zum 15. September übernimmt die Stadt noch die Testkosten für Rückkehrer aus Risikogebieten. Ansonsten gilt wieder die frühere Pflicht, sich nach Rückkehr aus einem Risikogebiet umgehend 14 Tage in Quarantäne zu begeben – was nur aufgehoben werden kann, wenn man sich freiwillig und auf eigene Kosten testen lässt und das Ergebnis negativ ist. Die Testzentren am Flughafen bleiben aber vorerst bestehen.
Kliniken: Bislang kein Engpass
Nach Angaben der Gesundheitsbehörde gibt es in Hamburgs Kliniken aktuell 884 Intensivbetten, an denen Kinder, Jugendliche und Erwachsene invasiv beatmet werden könnten. Hinzu kommen 76 Intensivbetten für die Versorgung von Neugeborenen. Zusätzliche Behandlungsplätze für Schwerkranke seien nicht nötig, so die Sozialbehörde. Selbst auf dem Höhepunkt der ersten Welle seien die Intensivbetten insgesamt (also inklusive Nicht-Corona-Patienten) zu maximal 61,4 Prozent ausgelastet gewesen – das war am 3. April.
Der Klinikbetreiber Asklepios erklärte, auch angesichts der steigenden Infektionszahlen sei keine vermehrte Inanspruchnahme von Intensivbetten zu beobachten. Das Durchschnittsalter der Infizierten sei aktuell „deutlich niedriger als im Frühjahr, was sich offenbar auch in einem günstigeren Krankheitsverlauf widerspiegelt“. Im besten Fall halte dieser Trend an.
Patienten kehren zurück
Zuletzt habe die Belegung der Normalstationen Hamburger Krankenhäuser wieder erheblich zugenommen, so die Sozialbehörde. Aktuell liege die Auslastung der Kliniken bei 74 Prozent. Von Asklepios hieß es, man verzeichne seit Ende Juni einen „konstanten Anstieg der Kontakte“, wobei die Auslastung „weiterhin noch nicht auf Vorjahresniveau“ sei. Das UKE teilt mit, dass die Gesamtauslastung zwischenzeitlich bei nur rund 60 Prozent lag – vor allem auch, weil viele nicht dringliche Operationen und Eingriffe verschoben worden seien. In der Zentralen Notaufnahme des Uniklinikums seien im März zeitweise sogar weniger als 50 Prozent der normalen Patientenzahlen verzeichnet worden. Inzwischen sei das Patientenaufkommen in der Notaufnahme wieder normal.
Die Behandlung von Covid-19
„Wir haben extrem viel gelernt“, heißt es etwa aus dem UKE. Da Studien gezeigt hätten, dass einige Covid-19-Patienten Thrombosen und Lungenembolien entwickeln, würden diese häufig mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt. „Darüber hinaus erhalten ausgewählte stationäre Patienten das Medikament Remdesivir, da sich dadurch der Krankheitsverlauf verkürzen kann“, so die Uniklinik. Weiter heißt es: „Beatmete Patienten erhalten in der Regel Dexamethason, da in einer großen Studie gezeigt werden konnte, dass durch die Gabe des Kortisonmedikaments die Sterblichkeit reduziert wird.“
Die Suche nach dem Impfstoff
UKE-Forschende arbeiten mit Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung und der Firma IDT Biologika GmbH an einem sogenannten Vektor-Impfstoff gegen das Coronavirus. Dabei handelt es sich um gentechnisch veränderte und damit harmlose Viren, die als Transportvehikel dienen, um das genetische Material des Erregers Sars-CoV-2 in Zielzellen einzuschleusen. So soll eine Infektion vorgegaukelt und die Produktion von Antikörpern ausgelöst werden. Die klinische Phase eins der Studie unter Leitung von Prof. Marylyn Addo, Leiterin der Infektiologie des UKE, soll Ende September beginnen.
Kitas: kein positiver Test
Im Gegensatz zu den Schulen waren die Kindertagesstätten in Hamburg nie ganz geschlossen, sondern haben durchgehend wenigstens eine Notbetreuung angeboten. Wurde die anfangs nur für weniger als fünf Prozent der Kinder in Anspruch genommen, stieg dieser Anteil mit den Lockerung Ende April stetig an, und spätestens seit Ende der Sommerferien herrscht in fast allen 1100 Kitas in der Stadt wieder Regelbetrieb. Die Kinder müssen keine Masken tragen, im Gegensatz zu den Eltern, die in der Regel nicht in die Kita hineindürfen und ihre Kinder am Eingang übergeben müssen.
Der „Notfallplan“ für die Kitas ist relativ schlicht: Hygieneregeln werden großgeschrieben, und nur wenn Kinder unter Fieber oder Husten leiden oder sonstige Krankheitssymptome zeigen (etwa Halskratzen, Gliederschmerzen oder Durchfall), dürfen sie nicht in die Betreuung – was im Prinzip auch unabhängig von Corona gilt. Auch wenn für eine Person aus dem Haushalt des Kindes Quarantäne angeordnet wurde, darf es nicht in die Kita.
Sollte es unter den Kindern, Mitarbeitern oder im Umfeld der Kita eine Corona-Infektion geben, entscheidet jeweils das örtliche Gesundheitsamt, was zu tun ist – wobei eine Schließung der kompletten Einrichtung nur als letztes Mittel gilt. Bislang war das nicht nötig: Zwar habe es mehr als ein halbes Dutzend Verdachtsfälle und infolge auch Reihentestungen in Kitas gegeben, so die Sozialbehörde. Dafür seien mitunter auch Einrichtungen tageweise geschlossen gewesen. Aber da kein einziger Test positiv ausfiel, habe noch keine Kita schließen müssen.
Schulen: Plan A hat Priorität
Hamburgs Schulen blieben nach den März-Ferien geschlossen. Erst von Ende April an wurde in vorsichtigen Schritten wieder Unterricht für ausgewählte Stufen angeboten. Die Rückkehr zum Präsenzunterricht für alle Schüler erfolgte nach den Sommerferien am 6. August. Nun gilt: In Grundschulen müssen die Schüler keine Maske tragen, ab Klasse fünf schon – außer am Platz im Klassenraum. Seit Schuljahresbeginn wurden Infektionen bei 86 Schülern und Lehrern von insgesamt 60 Schulen gemeldet. 37 Klassen oder Teilklassen wurden in eine präventive Quarantäne geschickt. Aktuell sind es 14 – von 9500. Von einem Infektionsgeschehen an Schulen könne man daher nicht sprechen, betont die Schulbehörde. „Hamburgs Schulen wieder ganz zu öffnen hat sich als richtig und angemessen erwiesen.“
In Abstimmung mit anderen Ländern, Experten, Fachverbänden und Schulleitungen seien Pläne für unterschiedliche Szenarien erarbeitet worden. Priorität hat für den Senat der Regelschulbetrieb – Plan A. Er umfasst zahlreiche Einzelregelungen vom Abstand beim Singen im Musikunterricht über die Maskenpflicht auf dem Schulgelände bis zur Frage von ärztlichen Attesten für Schulbeschäftigte. Die Pläne B und C setzen Regeln für den Distanzunterricht – einzelner Schülerinnen und Schüler (etwa bei Vorerkrankungen oder falls es im Haushalt eine Corona-Infektion gibt) oder ganzer Klassen und Schulen. Plan D behandelt das „Hybridmodell“, eine Mischung aus Präsenz- und Distanzunterricht, die bei steigenden Infektionszahlen nötig werden könnte. Dieser Plan sei „derzeit in Erarbeitung“, so die Schulbehörde. „Bis zu den Herbstferien haben sich alle Länder darauf vereinbart, den Regelbetrieb mit Ausnahmen für Quarantänefälle aufrechtzuerhalten.“
Unis – Start erst im November
Das kommende Wintersemester soll als „Hybrid-Semester“ stattfinden, kündigte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) an. Dabei gelte der Grundsatz: „So viel Präsenzveranstaltungen wie möglich, so viel digitale Lehre wie nötig“. Der Vorlesungsbeginn im Wintersemester ist statt für Anfang Oktober für den 2. November geplant. Details kann die Behörde noch nicht absehen und erklärt nur: „Für die genauen Semesterplanungen wird jede Hochschule rechtzeitig vor Semesterbeginn auf die Studierenden zugehen.“ Sollte sich das Infektionsgeschehen verschärfen, müsse „unter Umständen ein höherer digitaler Lehranteil erbracht werden“.
Durch die Corona-Pandemie musste der gesamte Lehrbetrieb im Sommersemester von April an fast vollständig auf Digitalformate umgestellt werden. Für die Hochschulen sei das auch ein finanzieller Kraftakt gewesen, sagte Fegebank. Als Ausgleich für die coronabedingten Aufwendungen hatte der Senat den staatlichen Hochschulen und Universitätsbibliotheken zuletzt 15,4 Millionen Euro für die digitale Lehre versprochen.
Wie geht es „Patient 1“ heute?
Das darf das UKE aus Datenschutzgründen nicht sagen; Interviewanfragen lehnt der Mann ab. Offenbar hat er die Infektion aber gut überstanden, denn auf Anfrage teilte die Klinik mit: Der Arzt ist wieder im Dienst.