Hamburg. Existenz des Schiffbaubetrieb damit gesichert. 360 Beschäftigte erleichtert. Erstmals nach zehn Monaten wieder Baggerarbeiten.
Schräg fällt die Herbstsonne auf das Este-Sperrwerk und spiegelt sich in den Wellen des Wassers. Langsam dümpelt die „Njörd“ in das dahinter liegende Hafenbecken der Pella Sietas Werft. Ein merkwürdig aussehendes kleines Schiff mit zwei überdimensionierten Rohren an Steuer- und Backbord ausgestattet. Dazu ein Rüssel am Heck, der nun ins Wasser bis kurz über dem Grund abgesenkt wird. Die Pumpen springen an und schießen mit 2,5 bar Druck 12.000 Liter Wasser in der Minute gegen den Schlick, der sich über Monate am Hafenboden abgesetzt hat. Es brodelt um das Schiff herum.
Der Schlick wird aufgewirbelt. Das dunkle Wasser färbt sich ockerbraun, der Schlick wird von der Strömung langsam aus dem Sperrwerk Richtung Elbe gezogen und die Werft auf diesem Weg von einer schweren Last befreit. Seit zehn Monaten war im Werfthafen nicht mehr gebaggert worden. An einigen Stellen hatte sich eine 4,20 Meter hohe Schlicksäule gebildet: Schwebstoffe, feinste Sedimente, die mit der Este ins Mündungsgebiet geschwemmt werden und das Hafenbecken verlanden lassen. Bei Ebbe kann man es trockenen Fußes durchqueren.
Pella Sietas ist dringend auf Wasser angewiesen
Dabei ist Pella Sietas aber dringend auf Wasser angewiesen. Denn ebenfalls seit zehn Monaten liegt dort ein fast fertig gebautes Schiff im Dock, das nicht hinausfahren kann. Damals hatten Umweltbehörde und die Hamburg Port Authority (HPA) der Werft die Wasser-Injektionsarbeiten, mit denen der Schlick weggespült wird, kategorisch untersagt – nach Jahrzehnten gängiger Praxis. Grund war, dass sich Teile der aufgewirbelten Sedimente am Este-Sperrwerk abgesetzt hatten, sodass dieses nicht mehr richtig schließen konnte. Und das gefährdet den Hochwasserschutz.
Die HPA musste baggern, wollte aber weitere Maßnahmen nicht mehr bezahlen. Seitdem wurde gestritten. Erst auf Vermittlung von Wirtschaftsstaatsrat Andreas Rieckhof gelang es, unlängst eine Sondergenehmigung für die Spülarbeiten zu erwirken. Und das wurde auch höchste Zeit. Denn bei dem Schiff, das in der Werft feststeckt, handelt es sich um nichts anderes als ein Baggerschiff, welches der Bund in Auftrag gegeben hatte. 132 Meter lang. Das größte Schiff, das Pella Sietas je gebaut hat. „Wieso habt ihr die Aufträge überhaupt angenommen?“, wurde der Werftleitung vorgeworfen.
Das Überleben der Werft stand auf der Kippe
Es stand Spitz auf Knopf. Noch länger hätten die Schiffbauer nicht warten können, da der Bund Vertragsstrafen wegen der Verspätung ankündigte. Das Überleben von Deutschlands ältester noch aktiver Werft stand auf der Kippe. Um so größer ist jetzt die Erleichterung bei den 360 Beschäftigten in Neuenfelde. Ein paar haben sich am Hafenbecken versammelt und schauen der „Njörd“ bei der Arbeit zu. „Bloß weg mit dem Dreck“, ruft einer, als eine neue Schlickwolke aufgeschwemmt wird.„Die Lage war bei uns sehr angespannt. Die Ungewissheit hat an den Nerven bei allen Mitarbeitern gezerrt. Jetzt gibt es wieder eine Perspektive“, sagt Beate Debold, Technische Geschäftsführerin bei Pella Sietas.
Auch Heino Rudolph ist nach draußen gekommen. Mit 15 hat er bereits bei Sietas angefangen zu arbeiten. Nun ist er 35 Jahre dabei, hat sich hochgearbeitet bis zum Werftkapitän mit eigenem Patent. Auch er grinst. Zugleich ist ihm aber die Unruhe anzumerken. Ständig klingelt sein Telefon. „Ich kann mich erst entspannen, wenn wir die 83.000 Kubikmeter Schlick los sind und das Schiff schwimmt“, sagt er. „Es kann immer was dazwischen kommen.“ Wie am Tag zuvor, als sich Sedimente an den aufgeklappten Toren des Sperrwerks absetzten. Taucher der HPA mussten sie mit Spül-Lanzen entfernen.
Arbeiten dürfen frühestens eine Stunde nach Hochwasser beginnen
Es sei schon ein Glück gewesen, dass der niederländische Baggerspezialist Van Oord noch so kurzfristig Zeit gefunden habe, ein Wasserinjektionsschiff zu schicken. „Es war das letzte mögliche Zeitfenster in diesem Jahr“, sagt Rudolph. 16 Arbeitsgänge sehe der Zeitplan vor. Und die seien sehr eng getaktet. Die Arbeiten dürfen frühestens eine Stunde nach Hochwasser beginnen und müssen drei Stunden vor dem Niedrigwasser enden. Das sieht die neunseitige Sondergenehmigung vor, von der drei Seiten nur Einschränkungen beinhalten. „So bleiben uns pro Tide nur drei Stunden zum Schlicklösen“, sagt Rudolph.
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„Da darf dann auch nichts dazwischen kommen.“ Wehmütig denkt Rudolph an die Zeit vor 20 Jahren zurück. „Damals haben wir bei der HPA angerufen und gesagt, wir müssen Schlick wegspülen – und sofort bekamen wir eine Jahresgenehmigung. Heute haben wir zehn Monate bis zu einer Sondergenehmigung diskutieren müssen.“ In der Woche vor dem 3. Oktober soll das neu gebaute Schiff ausgedockt werden. Dazu wird die schwimmende Plattform, auf der es steht, aus dem Hafenbecken in die Elbe gezogen. Dort lässt man dann das Schiff zu Wasser und fährt zurück in den Werfthafen an den Ausrüstungskai. Die Bauplattform kehrt ebenfalls zurück. Sie wird dringend für den Bau einer Fähre benötigt. Denn Pella Sietas muss wegen des Schlicks einen Auftragsrückstand aufarbeiten.