Berlin/Stuttgart. Daimler-Chef Ola Källenius hat die neue Mercedes-Benz S-Klasse vorgestellt - wie üblich, ist sie vollgestopft mit neuester Technik.

Zwei Milliarden Euro Verlust innerhalb von nur drei Monaten – die Corona-Pandemie hat auch den einst so erfolgsverwöhnten Autobauer Daimler im Frühjahr mit voller Wucht getroffen. Konzernchef Ola Källenius, seit 15 Monaten im Amt, muss sein Sparprogramm noch mal verschärfen. Dabei lief schon das Jahr 2019 nach einem heftigen Gewinneinbruch alles andere als glänzend.

Den Glanz soll bei dem Hersteller mit dem Stern jetzt die neueste Auflage der prestigeträchtigen Mercedes-Benz S-Klasse zurückbringen. Die neueste Auflage des Dickschiffs aus Stuttgart feierte am Mittwoch ihre Weltpremiere. Daimler-Chef Ola Källenius präsentierte das Modell pandemiebedingt in einer Online-Show, an seiner Seite Winfried Kretschmann, Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident. Der Autohersteller setzt zum Befreiungsschlag an.

S-Klasse bringt Daimler besonders viel Geld ein

Jede neue Version des Spitzenmodells setzt für die ganze Branche die wichtigsten Techniktrends der kommenden Jahre. Traditionell sind so ziemlich alle neuen Technologien in der S-Klasse zu finden, die Daimlers Entwickler ausgetüftelt haben. Nach und nach fließen sie später in die anderen Modelle des Konzerns ein. „Es ist das Herz unserer Marke“, sagte Källenius.

Dem Konzern liegt viel an seinem Technologieträger. Die Luxuslimousine gilt bei Daimler als besonders renditestarkes Produkt. Daher war der Anlauf des neuen Spitzenmodells in der Corona-Pandemie auch nicht von Kurzarbeit und vorübergehenden Werksschließungen betroffen. „So viele Dinge mussten wir umplanen in diesem Jahr, im Privat- wie im Berufsleben“, sagte Vorstandschef Källenius. „Dieses hier nicht.“ Ende des Jahres soll die neue S-Klasse nun in Europa auf den Markt kommen, in der ersten Hälfte 2021 dann auch in China und den USA.

Eine Mitarbeiterin von Mercedes-Benz arbeitet im Werk
Eine Mitarbeiterin von Mercedes-Benz arbeitet im Werk "Factory 56" an einer Tankdeckelabdeckung einer S-Klasse. In der neuen komplett digitalisierten und vernetzten Fabrik wird die neue S-Klasse gebaut. © dpa | Silas Stein

Was kann das neue Daimler-Flaggschiff? Zunächst einmal ist die neue S-Klasse noch ein paar Zentimeter größer als ihr Vorgänger. Die Luxuslimousine ist in zwei Längen zu haben, 5,18 und 5,29 Meter. Zu den wichtigsten Innovationen zählt bei Mercedes die nächste Generation des Infotainment-Systems mit einer neuen Bildschirmlandschaft, digitalem 3D-Cockpit, riesigem Head-up-Display und einem Interieur-Assistenten, der an Bewegung und Blickrichtung erkennt, was der Fahrer verstellen will.

Zehn Massageprogramme und autonomes Fahren

Für die Insassen gibt es zehn Massageprogramme, ein Soundsystem mit Sitzvibration und für die Hinterbänkler den ersten Frontairbag. Und: Lassen es die Gesetze zu, soll autonomes Fahren auf ausgewählten Strecken bis Tempo 60 im zweiten Halbjahr 2021 verfügbar sein. Fahrer können dann im Stau etwa E-Mails schreiben.

Zum Start ist die neue S-Klasse mit vier verschiedenen Motoren zu haben: Zwei Diesel und zwei Benziner mit jeweils drei Liter Hubraum sollen es auf 286 bis 435 PS bringen und 250 Stundenkilometer Spitzentempo ermöglichen. Schnelle Autos bleiben trotz Klima- und Corona-Krise beliebt.

Rein elektrisches Spitzenmodell EQS schafft 700 Kilometer am Stück

Den Verbrauch und Schadstoffausstoß will Daimler deutlich reduziert haben, indem Luftwiderstand und Gewicht gesenkt wurden und die Motoren etwa mit Mild-Hybrid-Technik sparsamer werden. So kommt das Dickschiff auf einen Normwert von 6,6 Liter Diesel (163 g/km CO2) oder 7,8 Liter Benzin (178 g/km). Noch sparsamer soll der in einigen Monaten verfügbare Plug-in-Hybrid sein. Diese Variante könne bis zu 100 Kilometer rein elektrisch zurücklegen.

Zeitgleich zur Premiere des neuen Spitzenmodells nimmt Daimler in Sindelfingen bei Stuttgart die Produktion in der „Factory 56“ auf. Wie die S-Klasse soll die Autofabrik mit Spitzentechnologie neue Maßstäbe setzen – vollkommen digital, mit 5G-Mobilfunk vernetzt, CO2-neutral.

Neben der S-Klasse will Daimler in dem Werk das entsprechende Top-Modell der rein elektrischen Baureihe EQ, den EQS, bauen. Es soll 700 Kilometer mit einer Akkuladung schaffen – und über kurz oder lang die S-Klasse mit Verbrennungsmotor ablösen, vermuten Branchenexperten.

„Factory 56“ soll Produktion deutlich effizienter machen

Mit Technologien aus der Musterfabrik will Källenius die Produktion bis ins Jahr 2022 um bis zu 15 Prozent effizienter machen. Bewährt sich die „Factory 56“, dient das Werk als Blaupause für das weltweite Produktionsnetzwerk. Rund 730 Millionen Euro hat der Konzern in den Standort investiert. Innerhalb kürzester Zeit könne die Produktionsstraße auf jedes andere Modell umgerüstet werden, hieß es.

Auf einen Erfolg ist Daimler dringend angewiesen. Während Hersteller wie Opel mit einem knapp positiven Ergebnis mit einem blauen Auge durch die Corona-Krise schrammten, fuhren die Stuttgarter von April bis Juni den Milliardenverlust ein. Konzernchef Källenius muss jetzt noch stärker sparen als ohnehin schon vorgesehen. Immerhin – betriebsbedingte Kündigungen sind wieder vom Tisch. Und, so betonte der Daimler-Chef am Mittwoch, das dritte Quartal laufe schon wieder weitaus besser: „Wir haben uns vom freien Fall erholt.“ Coronavirus: So profitiert Tesla von der deutschen Autokrise.