Hamburg. „Erdbeerkönig“ Enno Glantz spricht von “der aufregendsten Ernte“, die er je erlebt hat. Kunden mussten im Juni deutlich mehr bezahlen.

Wer in der gerade abgelaufenen Woche zum Erdbeerstand seines Vertrauens ging, stand mitunter auf verlorenem Posten. Entweder war der Verkaufstresen schon abgebaut. Oder er sah bereits mittags ein Schild mit der Aufschrift „Heute leider keine Ware mehr“.

Die Saison der roten Früchte aus heimischen Landen neigt sich stark dem Ende zu. Und Hamburgs „Erdbeerkönig“ Enno Glantz, der seit fast 50 Jahren im Geschäft ist, sagt: „Das ist eine der aufregendsten Ernten, die ich erlebt habe.“

Hamburger Erbeersaison neigt sich dem Ende

Natürlich hängt das vor allem mit dem Coronavirus zusammen, das sich ab März in Deutschland breitmachte. Lange war fraglich, ob die benötigten Erntehelfer aus Osteuropa überhaupt kommen dürfen. Es mussten Hygienekonzepte (auch für die Unterkünfte) erstellt werden.

Als diese fertig waren und von den Behörden abgenickt wurden, schlossen sich die Landwirte zusammen und charterten Flugzeuge, um die Erntehelfer aus Osteuropa einfliegen zu lassen. Doch trotz der Probleme fällt Glantz’ Fazit positiv aus: „Der finanzielle Aufwand war riesig, aber es hat sich gelohnt.“

Qualität und Geschmack der Früchte seien gut gewesen

An diesem Sonnabend plant der größte Direktvermarkter in der Me­tropolregion seinen letzten Verkaufstag. Rund 160 seiner roten Häuschen hatte er hier aufgebaut, ein Teil von ihnen ist nun bereits geschlossen. Mit Qualität und Geschmack der Früchte sei er sehr zufrieden gewesen – und mit der Ausbeute auch, sagt der Landwirt aus Delingsdorf (Kreis Stormarn): „Wir haben eine gute Ernte eingefahren.“ Im Vergleich zum Vorjahr sei die Menge um etwa 15 Prozent gestiegen.

Auch rund 50 Kilometer weiter südlich ist Felix Löscher grundsätzlich zufrieden. In Winsen/Luhe betreibt er den gleichnamigen Erdbeer- und Spargelhof, von dem aus er Supermärkte und seine eigenen 40 Verkaufsstellen beliefert. „Über das Jahr gesehen war es eine durchschnittliche Ernteausbeute, vielleicht einen Tick besser als im Vorjahr“, sagt Löscher.

Deutschlandweit sinkt Erntemenge um 13 Prozent

Die Betriebe im Norden schneiden damit deutlich besser ab als im bundesweiten Mittel. In Deutschland werde für dieses Jahr im Freilandanbau mit einer Ausbeute von 99.000 Tonnen Erdbeeren gerechnet, sagt Claudio Gläßer von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). „Im Vergleich zum Vorjahr werden rund 13 Prozent weniger Erdbeeren geerntet.“ Zum Durchschnittswert der vergangenen sechs Jahre fehlen sogar 25 Prozent.

Zum einen liege dies daran, dass die Freilandfläche seit Jahren schrumpfe. Mit 10.800 Hektar waren es sieben Prozent weniger als 2019. Im Gegenzug werden mehr Früchte in Tunneln gepflanzt, die besseren Schutz vor Kälte und frühere Ernten ermöglichen. Zum anderen habe es aber auch an Corona gelegen. In einigen Betrieben hätten Arbeitskräfte nicht in vollem Umfang zur Verfügung gestanden. Nicht alle reifen Erdbeeren konnten also vom Feld geholt werden.

Spätfröste im Mai verursachten Schäden

Und drittens spielte die Standardvariable in der Landwirtschaft beim Mengenminus eine Rolle – das Wetter. Die Trockenheit im Frühjahr und die jetzige Hitzeperiode fallen dabei kaum ins Gewicht, weil die meisten Felder bewässert werden. Anfang Mai habe es aber Spätfröste gegeben, die für Schäden an den Pflanzen sorgten. Unterm Strich verteuerte dies die Erdbeeren. „Das Preisniveau war durchweg sehr hoch“, sagt AMI-Experte Gläßer. Zum Start der Saison im Mai hätten die Verbraucher im Schnitt 6,63 Euro für ein Kilogramm deutsche Ware ausgegeben.

Die AMI stützt sich bei den Preisermittlungen auf das GfK-Haushaltspanel. Die Nürnberger Marktforscher fragen regelmäßig mehr als 10.000 Haushalte, wie viel sie für bestimmte Produkte bezahlt haben. Dabei wird nicht unterschieden, ob im Supermarkt oder direkt beim Bauern gekauft wurde. Im Juni sank der Preis dank größerer Erntemengen auf 5,97 Euro – allerdings waren das satte 27 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Für Juli liegen noch keine Daten vor.

Regionale Vermarktung in Corona-Zeiten im Trend

Auch im Norden mussten die Kunden mehr für Erdbeeren zahlen als im Vorjahr. Das Pfund sei über die Saison gesehen um rund 30 Cent teurer geworden, sagt Löscher. Zuletzt verlangte der Niedersachse für ein Kilogramm 7,50 Euro. Im schleswig-holsteinischen Delingsdorf macht man sich jetzt erst an die konkrete Auswertung der Ernte. Wahrscheinlich habe der mittlere Preis bei rund sieben Euro pro Kilogramm und damit 70 Cent höher als im Vorjahr gelegen, sagt Glantz.

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Der Grund seien die hohen Kosten durch die Corona-Auflagen gewesen. Die Gewinnmarge sei nicht höher als im Vorjahr. Wer auf die Felder zum Selbstpflücken ging, sparte rund einen Euro pro Kilo. „Wir mussten die Preise anziehen, aber unsere Kundschaft hatte volles Verständnis dafür“, sagt Glantz: „Von Kaufzurückhaltung war nichts zu spüren.“ Das sieht auch Löscher so: „Unser Glück ist, dass die regionale Vermarktung in Corona-Zeiten noch mehr als vorher im Trend liegt.“