Hamburg. Der Hamburger Arzt erklärt, wo die Probleme beim Essen liegen – und was ein Kohlenhydrate-Verzicht bewirken kann.
Sicher haben Sie schon irgendwo einmal eine Nährstoffpyramide gesehen. Eine solche Darstellung illustriert sehr anschaulich, von welchen Dingen Sie reichlich essen dürfen und bei welchen Sie sich besser zügeln sollten. Deshalb möchte auch ich Ihnen eine solche Pyramide an die Hand geben, die sich allerdings von einigen gängigen Ernährungspyramiden unterscheidet, weil sie kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel im oberen Bereich einordnet.
Stufe 1 der Ernährungspyramide:
Bei manch anderer Ernährungspyramide spielen Getränke eine Nebenrolle, tatsächlich aber sind sie für unseren Körper wichtiger als feste Nahrung. Deshalb bilden gesunde, kalorienarme Getränke bei mir die Basis. An erster Stelle sind natürlich Wasser und Früchte- oder Kräutertees zu nennen. Davon dürfen Sie so viel trinken, wie Ihnen guttut. Zwei Liter pro Tag sollten es mindestens sein. Wer viel schwitzt, weil es warm ist oder er Sport treibt, braucht auch schnell drei Liter oder mehr Flüssigkeitsaufnahme.
Vorsicht ist geboten nicht nur bei zuckerhaltigen Limonaden, Cola und Energydrinks, sondern auch bei Fruchtsäften, die höchstens als Fruchtschorlen getrunken werden sollten, deren Fruchtsaftanteil unter 50 Prozent liegt. Buttermilch und Molke können gelegentlich eine Alternative sein, ebenso Gemüsesäfte. Auch gegen schwarzen Tee und Kaffee gibt es, in Maßen genossen, keine Bedenken. Gelegentlich ein Glas Wein ist sogar für die Gesundheit förderlich, das zeigen jedenfalls die Ergebnisse verschiedener Studien.
Stufe 2 der Ernährungspyramide:
Auf dieser Stufe finden Sie Obst und Gemüse. Gemüse dürfen Sie im Prinzip grenzenlos essen. Denn es enthält vergleichsweise wenige Kalorien bei reichlich Volumen. Das heißt: Ihr Magen wird Ihnen rechtzeitig ein Völlegefühl melden. Überessen ist praktisch unmöglich. Etwas anders sieht es bei Obst aus, da dieses reichlich Fruchtzucker und teilweise auch Stärke enthält, besonders Bananen, Ananas und Weintrauben.
Wenn Sie aber in etwa ein Verhältnis von 80 Prozent Gemüse und 20 Prozent Obst einhalten, dann liegen Sie auch hier im unbedenklichen Bereich. Am gesündesten sind Beeren, da sie einen geringen Fruchtzuckergehalt haben und und reich an sekundären Pflanzenstoffen sind. Weiterhin befinden sich gute pflanzliche Öle auf dieser Ebene, wie Lein-, Raps- und Walnussöl. Sie enthalten wichtige Omega-3-Fettsäuren, die wir vermehrt zu uns nehmen sollten.
Stufe 3 der Ernährungspyramide:
Hier befinden sich alle gesunden, eiweißreichen Produkte, die länger sättigen: mageres Fleisch, insbesondere Geflügel. Fisch sollte mindestens zweimal wöchentlich auf dem Teller landen, am liebsten fette Seefische wie Lachs, Hering, Makrele, weil diese reichlich Omega-3-Fettsäuren enthalten. Weiterhin Eier, Milchprodukte, möglichst fettreduziert, Hülsenfrüchte, wie Linsen, Kichererbsen, Bohnen, Nüsse und Ölsaaten (Leinsamen, Chia). All diese Lebensmittel sollten natürlich nicht in rauen Mengen gegessen werden. Wenn Sie aber auf Ihr natürliches Hungergefühl achten, dann sollte es Ihnen leicht möglich sein, auch hier das richtige Maß zu finden. Gut ist es immer, Obst oder Gemüse mit eiweißreichen Lebensmitteln zu kombinieren.
Stufe 4 der Ernährungspyramide:
Nun folgen Vollkornprodukte: Vollkornbrot, Vollkornnudeln, Vollkornreis und ungesüßte Vollkorn-Cerealien, die zwar kohlenhydratreich sind, aber den Blutzuckerspiegel aufgrund ihres Ballaststoffanteils nicht in schwindelerregende Höhen treiben.
Wenn Sie gesund sind und mit Ihrem Gewicht zufrieden, dürfen Sie kleine Portionen davon in Ihren Speisezettel einbauen. Wollen Sie aber abnehmen oder sind Sie genötigt, Ihren Blutzuckerspiegel zu senken, dann ist diese Stufe der Pyramide für Sie weitgehend tabu! Halten Sie sich an die guten Produkte von Stufe 2 und 3, bis Ihre Probleme behoben sind. Übrigens: Je länger man Pasta & Co kocht, desto mehr wirkt sich die Stärke auf den Blutzuckergehalt aus.
Stufe 5 der Ernährungspyramide:
An der Spitze der Pyramide schließlich stehen alle Nahrungsmittel, die absolute Ausnahme bleiben sollten: Süßigkeiten aller Art, Limonaden, Kekse, Kuchen, weißes Brot und sonstige Weißmehlprodukte, aber auch Kartoffeln, Mais, Cornflakes und andere gesüßte Cerealien. Je weniger Sie davon zu sich nehmen, desto besser ist es.
Kohlenhydrate werden oft zum großen Problem
Patienten machen immer wieder ein ungläubiges Gesicht, wenn sie hören, dass ein Verzicht auf bestimmte Kohlenhydrate ihre Probleme lösen kann. Zellen leben vorwiegend von einem einzigen Brennstoff: Glukose, umgangssprachlich Traubenzucker genannt. Die Kohlenhydrate in unserer Nahrung liegen entweder schon als Traubenzucker vor oder können vom Körper sehr leicht in solchen umgewandelt werden.
Im Dünndarm wird die Glukose dann direkt in den Blutkreislauf aufgenommen und steht als Energie für Muskeln und Gehirn zur Verfügung. Das ist eine prima Sache, wenn man gerade Schwerarbeit leistet. Allerdings sind die wenigsten von uns Leistungssportler oder müssen auf der Arbeit richtig schwer malochen.
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Großteil der Glukose bleibt ungenutzt
Ein Großteil der Glukose in unserem Blut bleibt also erst einmal ungenutzt. Und genau das ist ein Problem. Denn ein hoher Glukosespiegel im Blut ist auf Dauer gefährlich. Jeder Diabetiker kann ein Lied davon singen. Es gibt Modelle wie den Glyx-Index, den ich im Buch ausführlicher erkläre. Wenn man will, kann man lange Tabellen studieren, um die Werte aller Lebensmittel zu errechnen, die auf dem Teller liegen.
Aber im Prinzip ist solche Erbsenzählerei nicht nötig. Im Wesentlichen gilt: Fisch, Fleisch, Hülsenfrüchte, Nüsse, Eier, Milchprodukte, die meisten Gemüse und viele Obstsorten lassen den Blutzuckerspiegel gar nicht oder nur wenig ansteigen. Alles, was Zucker und leicht verdauliche Stärke enthält, treibt ihn hingegen in mittlere oder höchste Höhen.
Übrigens: Es gibt Getreide- und Gemüsesorten, die sättigen, den Blutzuckerspiegel aber nicht so treiben, wie Reis und Nudeln das tun. Ein besonders interessantes Exemplar ist Topinambur.
Wie sich ungesunde und gesunde Fette unterscheiden
Fette lassen sich unterteilen in gesunde Öle, die einen hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren aufweisen, und weniger gesunde Fette, die vor allem gesättigte Säuren enthalten (zu finden häufig in verarbeiteten Lebensmitteln wie Chips).
Wo genau liegt der Unterschied? Fettsäuren bestehen im Wesentlichen aus einer Kette von Kohlenstoffatomen. Bei einfach ungesättigten Fettsäuren gibt es zwischen zwei solchen Atomen eine Doppelbindung, bei mehrfach ungesättigten bestehen diese zwischen mehreren Atomen. Wenn die Doppelbindungen in unserem Organismus „halb“ gelöst werden, können sich andere Stoffe an die Fettsäure anlagern. Diese Fähigkeit spielt für allerlei Stoffwechselvorgänge eine sehr wichtige und gesundheitsfördernde Rolle. Zwei Fettsäuren gelten als überlebensnotwendig für uns: die Linol- und die Alpha-Linolensäure (ALA).
Beide sind in pflanzlichen Ölen enthalten, es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied: Linolsäure ist ein Allerweltstyp. Man findet sie in vielen Ölen in recht großen Mengen. Linolensäure dagegen macht sich gerne rar. Also gilt es bei der Suche nach dem gesündesten Fett vor allem darum, auf die Linolensäure zu achten.
Leinöl wird gut mit Quark verwertet
Leinöl enthält bis zu 90 Prozent ungesättigte Fettsäuren, darunter 45 bis 70 Prozent Linolen- und 12 bis 24 Prozent Linolsäure. Besonders gut wird Leinöl in Verbindung mit schwefelhaltigen Aminosäuren im Körper aufgenommen, die zum Beispiel in Quark, Schnittlauch, Bärlauch, Knoblauch oder Zwiebeln enthalten sind. Leinöl ist immer kaltgepresst und nicht zum Braten geeignet. Dafür empfehle ich Rapsöl, das immerhin noch zwischen fünf und 15 Prozent Linolensäure sowie 15 bis 30 Prozent Linolsäure enthält.
Prinzipiell lässt sich Rapsöl auch für die Kalte Küche verwenden. Doch hier gibt es auch andere gute Öle, die zwar nicht ganz so hochwertig wie das Leinöl sind, dafür aber länger halten und zudem einen wunderbar nussigen Geschmack haben: Walnussöl (16 Prozent Linolensäure, 60 Prozent Linolsäure) und Hanföl (bis zu 29 Prozent Linolensäure, 50 Prozent Linolsäure). Und was ist mit dem Olivenöl? Auch das ist zweifellos ein wirklich gesundes und wohlschmeckendes Produkt. Aber das Bessere ist eben der Feind des Guten.