Hamburg. 87 von 124 Lehrstellen in Hamburg blieben bis Juli unbesetzt. Gewerkschaft warnt vor einem Nachwuchsproblem.
Ungeachtet der Corona-Krise steigen die Umsätze und die Beschäftigtenzahlen in der Baubranche weiter. Doch den Unternehmen dieses prosperierenden Wirtschaftszweigs geht allmählich der Nachwuchs aus: Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind viele Baufirmen in Hamburg vergeblich auf der Suche nach Auszubildenden. Darauf weist die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) unter Berufung auf aktuelle Zahlen der Arbeitsagentur hin.
Demnach blieben im Juli 70 Prozent aller Ausbildungsstellen auf dem Bau unbesetzt. Von 124 ausgeschriebenen Plätzen in der Stadt waren noch 87 zu vergeben. Das Problem ist offenbar nicht neu, hat sich aber zuletzt deutlich verschärft: Bereits im vergangenen Jahr waren zum selben Zeitpunkt 42 Prozent aller Ausbildungsplätze im Hamburger Bauhauptgewerbe unbesetzt.
IG Bau fordert ein monatliches Einkommensplus von 100 Euro für Azubis
Matthias Maurer, der Vorsitzende des Bezirks Hamburg der IG BAU, sieht in den Zahlen ein „Alarmsignal“. Wenn es den Firmen nicht gelinge, Schulabgänger für die dringend gebrauchte Arbeit als Maurer, Straßenbauer oder Baugeräteführer zu finden, dann gerate das Fundament der ganzen Branche ins Wanken. „Aber nur wenn die Arbeitsbedingungen auf Baustellen attraktiver werden, lässt sich das Nachwuchs-Problem lösen“, ist der Gewerkschafter überzeugt.
Vor diesem Hintergrund fordert die IG Bau ein monatliches Einkommensplus von 100 Euro für Azubis. Außerdem solle die „lange, meist unbezahlte Fahrerei zur Baustelle“ entschädigt werden. Die meisten Berufseinsteiger hätten Schwierigkeiten, Familie, Freizeit und Arbeit unter einen Hut zu bringen, so Maurer. Diese Unzufriedenheit spiegele sich auch in einer hohen Abbrecherquote wider: Jeder dritte Azubi der Branche bringe die Ausbildung nicht zu Ende.
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Von den Arbeitgebern kommen allerdings andere Zahlen zur Lehrstellensituation: Aktuell seien 143 von 215 Ausbildungsplätzen besetzt, sagt Torsten Rendtel, Geschäftsführer des Ausbildungszentrums Bau in Hamburg. „Die Betriebe suchen aber immer noch händeringend weitere Bewerber“, so Rendtel. Auch Geflüchtete seien willkommen. Sie stellten 114 der 584 jungen Menschen, die sich derzeit in einer Ausbildung in der Hamburger Baubranche befänden – und mit ihnen mache man gute Erfahrungen. Bundesweit legten die Umsätze im Bauhauptgewerbe in den ersten vier Monaten 2020 um 8,7 Prozent zu. Die Zahl der Beschäftigten kletterte im gleichen Zeitraum um 1,9 Prozent.