Bad Oldesloe. Gewerbe boomt trotz Corona. Firmen bieten Ausbildungsplätze an, doch vor allem im Hochbau und bei Bauinstallationen fehlt Nachwuchs.

Rainer Gehrmann, stellvertretender Obermeister der Baugewerbe-Innung Stormarn und Inhaber eines Holzbauunternehmens in Hoisdorf, hat Glück: „Die Zimmerei ist zum Modeberuf geworden. Viele machen diese Ausbildung auch, um danach ein Architektur- oder Hochbaustudium zu beginnen. Wir können unsere zwei Ausbildungsplätze ab 1. August wieder neu besetzen.“ In anderen Gewerken des Baugewerbes sehe das anders aus. „Im Rohbau war die Bewerbernachfrage dieses Jahr sehr schlecht“, sagt Gehrmann.

Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ist weiterhin hoch

Den Nachwuchs-Engpass in der Baubranche bestätigt auch Kathleen Wieczorek, Chefin der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe: „Aktuell sind noch 102 Lehrstellen in den verschiedenen Bauberufen vakant, also fast 60 Prozent aller ursprünglich gemeldeten. Gerade im Hochbau und bei Elektro-, Gas-, Wasser- und Heizungsinstallation suchen die Unternehmen händeringend Nachwuchs.“

Die gute Nachricht für Schulabgänger: Unternehmen aus dem Baugewerbe im Kreis Stormarn hielten ihr Ausbildungsangebot auch in Zeiten der Corona-Pandemie weiter aufrecht, so Wieczorek. „Sie haben uns seit Herbst vergangenen Jahres 176 Ausbildungsstellen für den Ausbildungsstart 2020 gemeldet, lediglich fünf weniger als im Vorjahr. Die Betriebe wissen, dass sie nur über die Ausbildung junger Menschen ihren Fachkräftebedarf decken können.“

Auf Bau durfte trotz Corona weitergearbeitet werden

Dennis Hauke, stellvertretender Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, kennt den Bedarf an Nachwuchs im Bauhauptgewerbe, zu dem Maurer, Zimmerer, Straßenbauer und Fliesenleger zählen. „Anders als die Friseure hat die Corona-Pandemie diese Gewerke nicht so schwer getroffen. Auf dem Bau durfte trotz Corona weitergearbeitet werden.“ Doch durch die Schließung der Schulen, die bei ihren Schülern für Berufsorientierung sorgen, sowie das Veranstaltungsverbot, dem auch Berufsinformationsmessen zum Opfer fielen, seien Anbieter von Ausbildungsplätzen und Nachfrager nicht zusammengekommen. „Dabei ist der Bedarf an Maurern, Zimmerern und Fliesenlegern nach wie vor groß“, sagt Hauke.

Angesichts des herrschenden Fachkräftemangels steht Stormarn dennoch gut dar: Während der gesamte Kammerbezirk Lübeck, zu dem auch Stormarn zählt, bis Ende Juni 15,46 Prozent weniger eingereichte Ausbildungsverträge im Vergleich zum Vorjahr vorlagen, verzeichnet die Kreishandwerkerschaft in Stormarn mit 243 Ausbildungsverträgen nur zwei weniger als im Vorjahr. „Und das Vorjahr war sehr gut“, sagt Hauke.

Neues Online-Portal für Betriebe und Bewerber

In der Online-Lehrstellenbörse der Handwerkskammer (HWK) Lübeck, die auch für Stormarn zuständig ist, sind derzeit noch rund 90 freie Lehrstellen eingetragen. Vor allem Lehrlinge als Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie Elektroniker werden noch gesucht. Auch die Agentur für Arbeit habe Ende Juni noch viele freie Lehrstellen vermeldet, sagt Anja Schomakers, Sprecherin der Handwerkskammer. Kammerweit gebe es noch 800 offene Stellen. Hier hat Stormarn weniger mit Nachwuchssorgen zu kämpfen als andere Kreise und kreisfreien Städte der Kammer: „Im Kammerdurchschnitt sind es 8,3 Prozent weniger Lehrverträge als 2019, in Stormarn lediglich 3,4 Prozent“, sagt Schomakers. Wie sich nun die neuen Lehrverträge auf die einzelnen Gewerke verteilen, ließe sich aktuell noch nicht ermitteln. „Die Nachfrage war coronabedingt sehr verzögert. Es herrscht große Unsicherheit bei den Jugendlichen, aber die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ist weiterhin hoch.“

Damit Anbieter und Lehrstellensuchende auch jetzt noch zusammentreffen können, bereitet die Handwerkskammer gerade gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern Lübeck, Kiel und Flensburg die Aktion „Ausbildung jetzt!“ vor. „Wir wollen Betriebe und potenzielle Bewerber online über ein Azubi-Match-Portal zusammenbringen“, sagt Schomakers. Das Vermittlungsportal www.sh.azubi-match.com soll am 10. August starten. Bis zum 27. Juli können sich Betriebe dafür noch vorab registrieren. „Wir hoffen, so noch möglichst viele unversorgte Schulabgänger und Ausbildungsbetriebe zusammen zu bringen.“ Es müsse niemand in Panik geraten, der noch keine Lehrstelle oder keinen Auszubildenden gefunden habe, beruhigt Kathleen Wieczorek von der Agentur für Arbeit. „Viele glauben, dass der Ausbildungsbeginn am 1. August oder 1. September zwingend vorgeschrieben ist. Diese Termine sind nicht bindend. Die Kammern bestätigen, dass es möglich ist, auch später einen Ausbildungsvertrag abzuschließen und in die Ausbildung einzusteigen. Deshalb mein Appell an die Jugendlichen: Geht jetzt auf die Unternehmen zu, bewerbt Euch und sichert Euch den Berufseinstieg.“

Gewerkschaft fordert bessere Arbeitsbedingungen

Ob manchen Schulabgänger auch die Arbeitsbedingungen im Baugewerbe vor dem Einstieg zögern lassen, ist nicht bekannt. Die Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen bedeuteten nicht immer, dass in dem betreffenden Berufsfeld ein Fachkräftemangel herrsche, so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zum Personalengpass in der Baubranche. In ihrem jetzt veröffentlichten DGB-Index „Gute Arbeit“, für den Fachkräfte im Tief- und Straßenbau über einen Zeitraum von fünf Jahren befragt wurden, machen die Gewerkschaftler auch die unattraktiven Arbeitsbedingungen dafür verantwortlich. Gut zwei Drittel aller Baubeschäftigten gingen davon aus, wegen der körperlich belastenden Arbeit nicht bis zum Rentenalter durchzuhalten, so die Studienergebnisse. Auch die langen Fahrzeiten zur Baustelle sowie die Einkommenssituation würden als besonders negativ wahrgenommen.

„Der Zusammenhang zwischen Fachkräftemangel und Arbeitsbedingungen liegt auf der Hand“, sagt Carsten Burckhardt, Bundesvorstandsmitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Zudem hätten sich die Einkommen im Handwerk seit langem von denen in der Industrie entkoppelt. „Zugleich zeigt die Studie aber die Chance auf, die Baubranche durch bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zukunftsfest zu machen. In nur wenigen Branchen sehen Beschäftigte einen so großen Sinn in ihrer Arbeit wie am Bau.“

Mit einem Klick zum Ausbildungsplatz

Lehrstellenbörse der Handwerkskammer: www.hwk-luebeck.de/ausbildung/wege-ins-handwerk/lehrstellenboerse.html

Lehrstellenbörse der Kreishandwerkerschaft: www.finde-deinen-job.jetzt

Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammer: www.ihk-lehrstellenboerse.de/

Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit: www.jobboerse.arbeits ­agentur.de

Unterstützung bei der Ausbildungssuche bietet die Berufsberatung der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe: Termine für die telefonische Berufsberatung gibt es unter Tel. 04531/167 54 oder per E-Mail: badoldesloe.­berufsberatung@ arbeitsagentur.de.