Hamburg. Trotz vieler Rückschläge wollen die Reedereien ihre Schiffe wieder in Fahrt bringen. Doch es gibt erhebliche Risiken.

Das Coronavirus hat die Kreuzfahrtbranche schwer getroffen. Sie musste ihr Geschäft im März von 100 Prozent auf Null zurückfahren. Die Crews wurden nach Hause geschickt, die Schiffe stillgelegt. Nach jahrelanger Expansion mit hohen Gewinnen machten die Unternehmen nur noch Verluste. Jetzt wollen sie in Deutschland langsam wieder in Fahrt kommen. Doch der Neustart war alles andere als erfolgreich. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur aktuellen Situation.

Welche Kreuzfahrten gibt es derzeit?

Die Lage ist sehr unübersichtlich und ändert sich täglich. Der amerikanische Kreuzfahrtanbieter Crystal Cruises hat am Montag seinen Saison komplett ins kommende Jahr verschoben. Die für die französische Reederei Ponant fahrende „Paul Gauguin“ musste nach der Erkrankung eines Gasts an Corona ihre Rundfahrt durch Französisch Polynesien absagen. Nach dem Corona-Ausbruch auf der „Roald Amundsen“ hat die norwegische Reederei Hurtigruten alle ihre Expeditionsreisen mit diesem Schiff sowie auf der „Fridtjof Nansen“ und der „Spitsbergen“ vorerst wieder eingestellt. Nur der Liniendienst der Postschiffe an der norwegischen Küste ist weiterhin in Betrieb.

Die deutschen Anbieter nehmen derweil ihre Kurz-Kreuzfahrten ohne Landgang vor. Deutschlands größter Anbieter, Aida Cruises, rechnet nach der Verschiebung der ersten Reisen jetzt damit am 16. August mit 4-tägigen Kurzreisen der „Aidamar“ ab Warnemünde und der „Aidablue“ ab Kiel wieder zu starten. Hapag-Lloyd Cruises bietet Kurzreisen mit einer Länge von fünf bis acht Tagen ab Hamburg und ohne Landgang mit dem Luxusschiff „Europa 2“ sowie dem Expeditionsschiff „Hanseatic inspiration“ an. Die Routen führen zum Beispiel in die Dänische Südsee und die Schärengärten Skandinaviens. Bei Tui Cruises heißen die Kurzkreuzfahrten „Blaue Reisen“. Aktuell läuft die vierte Blaue Reise mit der „Mein Schiff 2“ ab Hamburg. Die „Mein Schiff 1“ ist am Montag zu ihrer ersten Blauen Reise ab Kiel aufgebrochen. Es folgen Panorama-Fahrten ab Deutschland in die norwegischen Fjorde – auch ohne Hafenanläufe.

Was kosten die Kreuzfahrten?

Alle Anbieter sagen, dass sich an der Preisstruktur nichts geändert hat. Es gibt also keine Abschläge. Kurzreisen ab Kiel für drei Tage sind bei Aida ab 798 Euro pro Person buchbar. Die 7-tägige Reise ab Hamburg oder Kiel ohne Anreise kostet inklusive allem bei Tui Cruises bei Doppelbelegung pro Person ab 1179 Euro in der Balkonkabine. Beim luxuriösen Anbieter Hapag-Lloyd Cruises dauern die Kurzreisen fünf Tage und sind ab 2490 Euro zu haben.

Welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es an Bord?

Alle Anbieter folgen einem ausgefeilten Hygienekonzept, dass mit den Behörden abgestimmt ist. Wichtigste Maßnahme: Die Kabinenkapazitäten dürfen maximal zu 60 Prozent ausgelastet werden. Dazu kommen ein verringertes Spa- und Entertainmentangebot, häufige Händedesinfektion, aber auch eine tägliche Temperaturmessung für jeden Passagier. In Fahrstühlen und an engen Stellen sind Masken zu tragen. Es gibt keine Selbstbedienung in den Restaurants, Essen wird an den Tisch gebracht. Corona-Tests vor Fahrtantritt sind derzeit nur für das Bordpersonal verpflichtend.

Warum ist der Start bei vielen Reedereien dennoch misslungen?

Bei Aida Cruises sowie Costa Grociere fehlt noch die letzte Freigabe durch den Flaggenstaat Italien. Tui Cruises musste eine erste Reise ab Kiel Ende Juli verschieben, weil die Crew nicht rechtzeitig genug an Bord war. Zudem hatten beide Reedereien bei einigen Crew-Mitgliedern das Virus festgestellt, bevor sie an Bord kamen. Wesentlich schlimmer ist die Lage derzeit bei Hurtigruten. Bei dem Corona-Ausbruch auf der „Roald Amundsen“ haben sich Crew-Mitglieder und auch Passagiere mit dem Virus angesteckt. Die norwegischen Behörden ermitteln nun, ob die Reederei gegen Hygiene-Auflagen verstoßen hat.

Soll man Kreuzfahrten überhaupt noch antreten?

Die Empfehlung des Auswärtigen Amtes dazu ist auf den ersten Blick eindeutig. „Von der Teilnahme an Kreuzfahrten wird aufgrund der besonderen Risiken dringend abgeraten“, schreibt das Ministerium auf seiner Webseite in der Covid-19-Reisewarnung. Allerdings folgen direkt in Anschluss an diese strikte Vorgabe Einschränkungen. Ausgenommen von dieser Reisewarnung seien Flusskreuzfahrten, die innerhalb der Europäischen Union beziehungsweise des Schengen-Raumes mit spezifischen Hygienekonzepten veranstaltet werden. Auch für Touren auf hoher See gibt es eine Aufweichung der Empfehlung. So seien ebenfalls ausgenommen „Kreuzfahrten auf Schiffen mit spezifischen Hygienekonzepten, deren Reise in einem Hafen in Deutschland beginnt und ohne ein Anlegen in einem ausländischen Hafen wieder in einem Hafen in Deutschland endet“, so das Auswärtige Amt.

Was sagt die Branche zu den Pannen beim Neustart?

Die Kreuzfahrtanbieter wollen von einem Fehlstart nichts wissen. „Man muss die Gründe für die einzelnen Absagen sehr genau differenzieren“, sagt Helge Grammerstorf, deutscher Geschäftsführer des internationalen Kreuzfahrtverbands Clia. Normalerweise liefen die operativen Vorbereitungen für die Seereisen routiniert ab. „Jetzt muss die Branche von Null auf zehn, dann auf 20 Prozent, Schritt für Schritt in den Normalbetrieb zurückfinden. Da müssen unendlich viele Puzzleteile zusammenkommen. Wenn ein Mosaikteil fehlt, weil beispielsweise Flugzeuge für die Crew nicht rechtzeitig ankommen oder eine allerletzte behördliche Freigabe noch aussteht, ist das bedauerlich, aber es kann vorkommen“, so Grammerstorf. Es stehe aber fest, dass die Präventions- und Hygieneregeln funktionierten. „Probleme gibt es, wenn man sich nicht daran hält“, sagt Grammerstorf mit Blick auf Hurtigruten.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Welche Angebote gibt es für Herbst?

Bis Ende August wird es keinen regulären Betrieb wie in früheren Zeiten geben. Danach wollen die Anbieter auch wieder Reisen mit Landgängen anbieten. Wie es genau weitergeht, mag niemand genau sagen. Wer derzeit für Herbst bucht, findet auf den Seiten der Reedereien reguläre Angebote, die schon vor Corona ausgearbeitet worden waren.

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Wie ist die Rechtslage für Kunden, wenn eine Reise gestrichen wird?

„Wenn sie ausfällt, weil der Reiseveranstalter die Reise absagt, bekommt man sein Geld zurück“, sagt Julia Rehberg, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Innerhalb von 14 Tagen müsse das Unternehmen das Geld überweisen. Man könne sich freiwillig auf einen Gutschein oder einen Nachlass bei der Buchung einer neuen Reise einlassen, müsse es aber nicht. Schwierig ist die Lage, wenn man selbst den Törn nicht mehr antreten möchte, zum Beispiel weil man sich in dem Umfeld nicht mehr wohl fühle. „Dann wird eine Absage wohl nur mit Stornokosten gehen“, sagt Rehberg. Wie hoch die Stornokosten sind, stehe in den Reiseunterlagen. Grundsätzlich gelte, je kurzfristiger die Reise abgesagt werde, desto höher fallen die Stornokosten aus. Die Stornierung sollte per Fax vorab an den Veranstalter und anschließend per Einschreiben zugestellt werden, damit die Verbraucher einen Nachweis haben. Bei Aida kann mit Abfahrtsdatum bis 31. Oktober bis drei Tage vor Reisebeginn kostenfrei umgebucht werden.