Westerland/Hamburg. Das Thema Expedition wird bei insgesamt 17 Touren ab Hamburg großgeschrieben. Was die Gäste erleben können.

Die Flaute auf der Nordsee ist vorbei: Nach dem ersten Corona-Lockdown bringen neue Express-Fähren Urlauber zu ihrem Ferienziel. Zudem laufen ausgerechnet auf einem Polarschiff die letzten Vorbereitungen für die heimische Expedition ins Wattenmeer: Mit dem kleinen Kreuzfahrtschiff MS „Quest“, das sonst in den eisigen Gewässern vor Grönland und Spitzbergen unterwegs ist und dabei Walen und Eisbären begegnet, geht es erstmals in dieser Woche von Hamburg aus direkt zu den Sylter Seehundbänken und der „Langen Anna“ auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland.

Sven Paulsen, Inhaber der Reederei Adler-Schiffe, hatte mitten in der Corona-Krise nach Tourismus-Konzepten für das Inland gesucht. Schließlich konnte er die MS „Quest“ chartern. Das 1992 erbaute und mit einer hohen Eisklasse ausgestattete Schiff gehört einer norwegischen Reederei für arktische Reisen. Statt auf Eisberge dürfen sich die 48 Gäste nunmehr auf Helgoland, Sylt, Amrum und die Halligen freuen. Der erste Törn mit vier Übernachtungen an Bord startet an diesem Mittwoch im Hamburger Cruise Terminal Steinwerder – dort, wo sonst die großen Urlaubsdampfer der Aida-Flotte in See stechen.

Insgesamt 17 Touren ab Hamburg

Man mag es kaum glauben, aber das Thema Expedition wird bei den insgesamt 17 Touren ab Hamburg großgeschrieben. Für die Gäste der „Quest“, die für die Reise vor der eigenen Haustür mindestens 1600 Euro zahlen, stehen sechs Zodicas bereit. Auf diesen hochseegängigen Schlauchbooten geht es über die wogenden Wellen des Wattenmeers zu sonst kaum erreichbaren Zielen.

Dazu zählen Austernbänke genauso wie Offshore-Windparks. Wissenschaftler halten Vorträge zum Beispiel über die regionale Vogelwelt. „Ich freue mich, dass ich mit Christian Kruse einen Expeditionsprofi für das Projekt gewinnen konnte“, sagt Reeder Paulsen. Und auch Christian Kruse, der jedes Jahr als Expeditionsleiter die entlegensten Regionen der Erde besucht, steht hinter dem Vorhaben: „Immer wieder aufs Neue bin ich begeistert von den authentischen Naturerlebnissen. Ich stellte mir schon immer die Frage, warum wir so was nicht in Deutschland anbieten. Dabei liegen nachhaltige Reisen – zudem noch im eigenen Land – voll im Trend.“

Urlauber gehen in Nordstrand an Bord der MS „Adler-Express“.
Urlauber gehen in Nordstrand an Bord der MS „Adler-Express“. © picture alliance

Wie Juliane Peter, Sprecherin der Sparte Adler Expedition, sagt, sei das Interesse am neuen Angebot sehr gut. Binnen kurzer Zeit seien die Kapazitäten für die Expedition ins Wattenmeer und nach Helgoland bis zu 60 Prozent gebucht. „Hamburg ist für unsere Tour als Ausgangspunkt ideal.“ Denn ein Großteil der Gäste komme aus Norddeutschland.

Einbruch der Fahrgastzahlen von zehn bis 20 Prozent in diesem Jahr

Trotz der Aufbruchstimmung in diesem Segment verzeichnet die Reederei Adler-Schiffe auf ihren Linien corona-bedingt einen Einbruch der Fahrgastzahlen von zehn bis 20 Prozent in diesem Jahr. Dazu kommt, dass alle Veranstaltungen auf dem Eventschiff „MS Koi“ abgesagt werden mussten. Auch das Event- und Tagungsschiff „MS Princess“ kommt in diesem Sommer nicht zum Einsatz.

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Eine gemischte Zwischenbilanz zieht auch Fredrik Erdmann, Handlungsbevollmächtigter der Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr-Amrum GmbH (W.D.R.). Während sich der Tagestourismus bislang „noch verhalten“ entwickelt, seien die Inselurlaubs-Angebote in Nordfriesland in diesem Sommer stark nachgefragt. „Die bei Weitem stärkste Nachfrage registrieren wir, wie auch sonst, auf der Strecke von Dagebüll nach Wyk auf Föhr“, sagt Erdmann. Die Reederei hat auf der Föhr-Amrum-Linie die Passagierkapazität als freiwilligen Beitrag zum Infektionsschutz um 25 Prozent reduziert. Damit soll den Gästen eine besonders großes Platzangebot zur Verfügung gestellt werden. Sollte es allerdings zu einem zweiten Lockdown im nordfriesischen Fährverkehr kommen, sieht Reeder Erdmann schwarz. „Das würde katastrophale wirtschaftliche Auswirkungen mit sich bringen.“

„Wassertaxi“ von Neßmersiel nach Baltrum – Anruf genügt

Daran mag der ostfriesische Insel-Gastronom und Neu-Reeder Jörg Schmidt aus Juist gar nicht denken. Er investiert in neue Schiffe – einfach deshalb, „weil der Bedarf da ist“, sagt er. Seine Töwerland-Express-Flotte umfasst jetzt sechs Schnellfähren, die mit 200 bis 350 PS in gut 35 Minuten zwischen Norddeich und Juist verkehren. In diesem Revier ist als großer Mitbewerber die Reederei Norden-Frisia präsent. Sie schickt seit wenigen Tagen zusätzlich zwei kleine Alu-Schnellboote ins Rennen.

Töwerland-Reeder Schmidt, der auf Juist als Gastronom das „Piratennest“ betreibt, investiert derweil weiter und setzt neuerdings ein „Wassertaxi“ von Neßmersiel nach Baltrum ein – Anruf genügt. Weitere Express-Fähren hat Schmidt bestellt, und ein Traum ist der Wirklichkeit ein Stück näher gekommen: „Ich möchte demnächst ein extrem hochseetaugliches Schiff in der Nordsee einsetzen, das Passagiere auch bei Windstärke 8 und 9 befördern kann.“