Berlin. Headhunter Florian Brach packt aus: Warum Frauen seltener Top-Jobs annehmen und was wahres Talent vom Schaumschläger unterscheidet.

Menschen wie Florian Brach arbeiten leise im Hintergrund. Headhunter werden engagiert, wenn Unternehmen eine Position besetzen müssen, aber nicht selbst nach Kandidaten Ausschau halten können oder wollen. Florian Brach ist Headhunter und wie er selbst sagt „Experte in der Identifikation, Ansprache und Gewinnung von Führungskräften“.

Der 49-Jährige arbeitet seit zwölf Jahren für die Industrie- und Technikbranche, zu seinen Kunden, die er niemals öffentlich nennen würde, gehören deutsche Top-Marken, Weltmarktführer, mehrere mittelständische Unternehmen, aber auch kleinere. Er hat bereits 30.000 Lebensläufe geprüft, 1200 Kandidaten vorgestellt und 300 zur Anstellung gebracht. Über seine Einblicke, aber auch seine Sorgen, wenn er auf den Wirtschaftsstandort Deutschland schaut, hat er ein Buch (Headhunter Secrets : Vom Sammler zum Jäger – Wie man die Besten findet) geschrieben.

Das Qualitätssiegel „Made in Germany“, sagt er, habe Schaden genommen, und das liege nicht an äußeren Einflüssen oder dem oft beschworenen Fachkräftemangel, sondern daran, dass zu oft die falschen Personen an den entscheidenden Positionen sitzen. Im Interview rechnet er mit Deutschlands Führungselite ab und gibt seltene Einblicke, erklärt, warum Frauen schwerer anzuwerben sind.

Was unterscheidet weibliche und männliche Führungskräfte?

Florian Brach: Vor einiger Zeit hatte ich für eine Position die perfekte Kandidatin gefunden, gerade Anfang 30, sie hätte in dem neuen Job das Doppelte verdient. Es war eine tolle Chance für sie. Das Ganze scheiterte daran, dass ihr Freund keine Fernbeziehung wollte. Frauen sind rücksichtsvoller, was ihre Partner und ihre Kinder betrifft. In einem anderen Fall, wusste ich auch nach 30 Sekunden, die Frau ist die richtige für den Job. Aber erst nach zwei Wochen sagte auch sie mir, sie könne nicht umziehen, weil ihr Mann gerade eine Führungsposition übernommen habe. Ich habe mich dann näher erkundigt. Sein Job war wesentlich schlechter als ihr neuer Job und nicht einmal eine richtige Führungsposition. Auch heute noch haben viele Männer Probleme damit , wenn ihre Frauen auf der Karriereleiter davonziehen.

Wenn jemand bereit ist, den Job zu wechseln, was sind die Hauptgründe dafür?

Frauen wollen mehr gestalten, etwas bewegen. Männer wollen das auch, aber zuerst kommen leider oftmals Prestige und Gehalt.

Wann merken Sie, wie ein Bewerber tickt, gleich beim ersten Kontakt?

Nein, natürlich nicht. Beim ersten Mal legt keiner die Karten offen auf den Tisch. Deswegen rate ich dazu, sich mehrmals zu treffen, dem Kandidaten zuzuhören. Und auf einmal geht es beim dritten Gespräch plötzlich darum, welche Ausstattung der Dienstwagen hat. Auf mittlerer Führungsebene sind das Riesenthemen. Dabei wäre es viel schlauer, zu erfragen, welche Aufgaben man hat und was erwartet wird.

Werten Sie das als Fehler?

Na ja, zumindest zeigt das häufige Fragen nach Homeoffice, Ausstattung der Stelle, nach Dienstwagen und Arbeitszeiten, was die Prioritäten sind. Niemand sagt, dass man sein ganzes Leben dem Beruf unterordnen soll. Aber das Wichtigste ist doch zu erfahren, ob die Aufgabe, das Unternehmen zu mir passt.

Bei der Frage nach dem Gehalt wird da eigentlich offen gespielt oder muss der Kandidat pokern?

Ich bin da ganz offen, die Firmen haben immer eine Bandbreite, die stelle ich dar. Als Headhunter achte ich auch darauf, dass niemand zu günstig eingestellt wird, das hätte verheerende Auswirkungen. Denn so etwas spricht sich rum und wirkt sich nachteilig auf die neue Führungskraft aus.

Gibt es auch Kunden, die keine Frau wollen?

Nein, das habe ich nie gehört. In zwei Fällen war es nicht möglich, eine Frau auszuwählen. Einmal war es ein Sicherheitsproblem, weil es sich um eine Leitungsfunktion in Nordafrika handelte, beim anderen Job , einer leitenden Vertriebsfunktion, war bekannt, dass es Frauen in der Branche wegen der Marktmacht des wichtigsten Kunden sehr schwer haben.

Florian Brach ist Headhunter. Der Personalprofi aus Hamburg und Miami spürt Spezialisten für deutsche und internationale Firmen auf. In seinem Buch „Headhunter Secrets“ gewährt er Einblicke in die Szene.
Florian Brach ist Headhunter. Der Personalprofi aus Hamburg und Miami spürt Spezialisten für deutsche und internationale Firmen auf. In seinem Buch „Headhunter Secrets“ gewährt er Einblicke in die Szene. © Florian Brach

Woran liegt es dann, dass Frauen in Führungspositionen weniger verdienen als Männer?

Männer glauben oft, wenn sie wechseln, bekommen sie grundsätzlich mindestens 30 Prozent mehr. Dieser Irrglaube hält sich hartnäckig. Bei Frauen ist das Gestalten wichtiger, erst dann kommt das Gehalt. Und manchmal fordern sie schlicht und ergreifend weniger als Männer, sind bescheidener. Aber ich versuche das zu korrigieren.

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Warum?

Wenn ein Kandidat zu wenig fordert, wird auch der Auftraggeber skeptisch, fragt sich, ist er vielleicht auch nicht mehr wert? Spannend ist es, wenn Bewerber gar nicht viel Geld verdienen wollen. Weil sie es vielleicht von Haus aus nicht nötig haben oder sagen, 100.000 Euro sind genug, obwohl sie 250.000 Euro verdienen könnten.

Ist so jemand nicht auch schwierig, weil er so unabhängig ist?

Nein, denn bei dem Kandidaten können Sie sich sicher sein, der macht es nur für die Aufgabe. Weil er es möchte, aus eigenem Antrieb. Das bringt allen Seiten nur Vorteile.

Woran erkennen Sie eigentlich, ob jemand Top-Talent oder Schaumschläger ist?

Wenn man viel Erfahrung hat, fühlt man es. Am meisten, wenn man schon viele Schaumschläger kennengelernt hat. Und der Anteil von Schaumschlägern in Führungspositionen ist extrem hoch. Und der Anteil wird höher.

Was sind die Unterschiede?

Das Talent ist mehr bei sich, ist sich seiner Stärken und Schwächen bewusst. Das Talent beweist sich in dem Moment, wenn die Boom-Phase vorbei ist. Wenn es darum geht, Führungsstärke zu zeigen und sein ganzes Team mitzureißen. Ruhe zu geben bei Umstrukturierungen. Schaumschläger fragen sich, wie wirkt meine Aktion nach außen? Deswegen präsentieren sie viele Charts, bauschen kleine Themen auf, um abzulenken. Wenn die Inszenierung im Vordergrund steht, sind das deutliche Hinweise. Viele Schaumschläger agieren aus Unsicherheit und vermeiden jedes Risiko. Aber man kann das nicht verallgemeinern. Auch deswegen glaube ich, man muss viel miteinanderreden, bevor man sich bindet.

Wie wichtig ist bei Bewerbern der Social-Media-Auftritt?

Ich halte es für unwichtig. Natürlich macht man damit auf sich aufmerksam. Aber es ist auch entlarvend. Rechnen Sie zusammen, wieviel Zeit manche darauf verwenden und sie können ausrechnen, wieviel Zeit noch für die Arbeit bleibt, nämlich nicht viel. Am schlimmsten sind Leadership-Quotes. Und wie irrelevant Social Media ist, zeigt sich auch daran, dass viele gar nicht dabei mitmachen oder sich schon abgemeldet haben. Ab einer gewissen Flughöhe sind die Leute dort seltener präsent.

Aber wie kommen Sie denn ohne Social Media auf die Kandidaten?

Natürlich schaue ich mir die Profile an. Aber das ist die billigste Variante der Internetrecherche. Da treffen Sie immer nur den gleichen kleinen Mikrokosmos an. Ich finde die meisten durch ganz saubere Recherche. Ich baue Listen, telefoniere viel und frage mich bei Kontakten und Fachleuten der Branche durch, hole mir Empfehlungen. Das entwickelt sich und ist harte Arbeit.

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Wenn es zum ersten Gespräch kommt, worauf sollten Kandidaten achten?

Ein Tipp für jüngere Bewerber: Angenehme Kleidung zeigt Wertschätzung für das Gegenüber. Man sollte auch das Jung-Sein, nicht so raushängen lassen. Ich mag es außerdem überhaupt nicht, wenn man mich gleich duzt und viele Auftraggeber auch nicht. Aber am wichtigsten für ein gutes Gespräch ist, sich mit dem Unternehmen auseinander gesetzt zu haben. Gute Vorbereitung beweist Wertschätzung. Ehrlich und authentisch sein. Dann fügt sich alles.

Gibt es einen Unterschied zwischen älteren und jüngeren Kandidaten?

Häufig ist die Aufmerksamkeitsspanne bei Jüngeren nicht mehr so hoch. Viele nicken und nicken. Hören aber gar nicht richtig zu.

Sie sind Teil einer Führungskräfte-Suchindustrie, die pro Jahr zehn Milliarden Euro Umsatz in Deutschland macht. Trotzdem sagen Sie, Deutschland hat ein Führungsproblem, wieso?

Es führen sehr viele Leute, die dafür nicht geeignet sind. Und die sich statt um das Unternehmen oder ihre Mitarbeiter, nur um ihre Karriere sorgen. Trotz der Tatsache, dass so viel über Führung gesprochen wird und dass es so viele Coachings gibt. Dass die Marke „Made in Germany“ an Bedeutung verloren hat, zum Beispiel was die Autobranche betrifft, ist ein Führungsversagen. Die Führungskrise in Deutschland drückt sich zudem in der hohen Fluktuation im Top-Management aus. Man kann in einem kurzen Zeitraum, wie ein oder zwei Jahre auf einem Posten, nichts bewegen. Das ist Job-Hopping. Im höheren Management ist die Wechselbereitschaft aber extrem hoch, das ist erschreckend. Es gibt in der Führung zu oft keine Loyalitäten, keine Integrität. Heute werden von Führungskräften Entscheidungen mit dem Satz begründet: Was soll ich denn machen? Das ist ferngesteuert, das ist keine eigene Führungskompetenz, das ist Rückzug.

Welche Auswirkungen hat das?

Mitarbeiter und Führungskräfte leiden zunehmend an Burnout. Der Anteil innerer Kündigungen ist so hoch, wie nie. Wenn es Fehlbesetzungen in Unternehmen gibt, dann stellen die ebenfalls Fehlbesetzungen ein. Menschen kommen wegen Menschen und gehen wegen Menschen. Die falsche Führungskraft zieht weite Kreise. Der größte Faktor dafür, dass Menschen kündigen, sind die Vorgesetzten.

Fehlt vielen Managern das Verantwortungsbewusstsein?

Ja, definitiv. Ich kenne Führungskräfte, die stellen sich am Freitag vor die Belegschaft und fordern mehr Anstrengung, Durchhaltevermögen und Loyalität. Und am Montag ruft man sie an und fragt, ob sie Interesse an einer neuen Aufgabe haben, und sie sagen „Ja“, ohne zu wissen, um was es geht. Das betrifft Geschäftsführer und Vorstände. Und das sind eigentlich die, die ein Unternehmen voranbringen sollten. In guten und in schlechten Zeiten. Dabei sind sie selber immer absprungbereit.

Für wieviel Prozent der Führungskräfte trifft das zu, dass sie nur an ihren eigenen Vorteil denken?

Aus meiner Erfahrung heraus, haben fast zwei Drittel der Führungskräfte in Deutschland in erster Linie ihr eigenes Fortkommen im Kopf. Es ist zu viel heiße Luft im Markt. Den richtigen Talenten ist ihre Rolle ziemlich egal, es kommt ihnen auf die Wirkung an. Die definieren sich nicht durch ihren Job oder die Visitenkarte. Die können tagelang über ihren Aufgabe, ihre Ziele, ihre Mitarbeiter reden wie Unternehmer. Die fliegen auch mal irgendwo raus oder die Firma geht pleite, aber dann ist das so. Die schütteln sich, richten die Krone und machen weiter.

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