Hamburg. Das Unternehmen macht im Juni schon wieder mehr Umsatz als vor der Krise. Börsenkurs steigt kräftig nach der Hauptversammlung.
Für Fielmann-Aktionäre ist die Hauptversammlung im Juli ein fester Termin im Kalender. Allein im vergangenen Jahr waren 1700 Anteilseigner der Einladung von Deutschlands größtem Augenoptiker in die Barclaycard Arena am Volkspark gefolgt. In diesem Jahr war alles anders. Zum ersten Mal hatte das SDAX-Unternehmen die Hauptversammlung bedingt durch die Corona-Beschränkungen ins Internet verlegt.
Die Aktionäre konnten die Veranstaltung nur per Video-Livestream verfolgen. Um kurz nach zehn Uhr waren fünf Männer in dunkeln Anzügen auf den Bildschirmen der Teilnehmer erschienen und hatten schweigend auf dem virtuellen Podium Platz genommen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Mark Binz eröffnete das Aktionärstreffen mit umfangreichen Erläuterungen zum Ablauf – und dem Appell bei Störungen zunächst die eigene Internetverbindung zu prüfen und erst danach die Hotline anzurufen.
Dann übernahm Marc Fielmann, seit dem Ausscheiden seines Vaters aus der Unternehmensführung im November 2019 alleiniger Vorstandschef, das Wort. Und auch in diesem Jahr blieb er beim länger bekannten Fielmann-Duktus: „Über Fielmann gibt es Positives zu berichten.“
Zuvor hatte der Gründersohn, der auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2019 verweisen kann, die Aktionäre schon auf seine Sicht über die Lage der Firma in der Corona-Pandemie eingestimmt. Fielmann habe früh weitreichende Maßnahmen ergriffen, entschlossen gehandelt und Verantwortung für Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft übernommen, erklärte der 30-Jährige. „Wir sehen uns gut für die Zukunft aufgestellt und werden gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.“
Seit Mai läuft bei Fielmann das Geschäft wieder an
Am Morgen hatte das börsenorientierte Unternehmen in einer Ad-hoc-Meldung die vorläufigen Zahlen für die ersten sechs Monate 2020 bekannt gegeben. Danach verbucht der Brillenhändler mit 776 Niederlassungen in 14 Ländern einen drastischen Gewinneinbruch bis Ende Juni. Bei einem Umsatzrückgang auf 611 Millionen Euro (Vorjahr 758,2) schrumpfte das Vorsteuerergebnis auf 35 Millionen Euro. 2019 waren es im gleichen Zeitraum 127,6 Millionen Euro. Der schwärzeste Monat war mit Umsatzverlusten von 70 Prozent der April. Seit Mai läuft das Geschäft wieder an und lag im Juni sogar schon über dem Niveau des Vorjahres.
„Das zeigt, Brillenkäufe werden verschoben, aber nicht aufgehoben“, fasste Marc Fielmann die Entwicklung zusammen. Angesichts der jüngsten Geschäftsbelebung traut sich die Optiker-Kette eine Prognose für das laufende Jahr zu. Fielmann geht von einem Umsatz von mehr als 1,3 Milliarden Euro aus. Das wären mehr als 14 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Der Gewinn vor Steuern solle bei mehr als 100 Millionen Euro liegen. Das wäre ein Rückgang um mindestens rund 60 Prozent.
Trotzdem sieht der Fielmann-Chef optimistisch in die Zukunft. Fielmann verfügt über eine hohe Eigenkapitaldecke und ausreichend Liquidität. Schon zu Beginn der Corona-Krise hatte das Unternehmen einen Sparkurs eingeleitet. Zeitweilig waren mehr als die Hälfte der gut 20.000 Beschäftigten in Kurzarbeit. Mit Vermietern waren Mietnachlässe ausgehandelt worden, nicht notwendige Kosten wurden reduziert. Vorstand und Aufsichtsrat hatten auf 20 Prozent der festen Bezüge verzichtet.
Anleger bekommen die Sparmaßnahmen zu spüren
Auch die Anleger bekommen die Sparmaßnahmen zu spüren. Schon im März hatte das Management vorgeschlagen, die Dividendenzahlung in Höhe von 1.95 Euro pro Aktie auszusetzen. Die Familie Fielmann ist von dem Schritt selbst besonders betroffen. Als Mehrheitseigner hält sie 71,64 Prozent der Unternehmensanteile. Die geplante Ausschüttungssumme hätte für die Familie bei etwa 117 Millionen Euro gelegen.
Lesen Sie auch:
- Mönckebergstraße: Fielmann eröffnet neue Hightech-Filiale
- Optikerkette Fielmann steigt bei Firma für Datenbrillen ein
- Optikerkette Fielmann startet in Coronakrise Onlineverkauf
- Online-Optiker Edel-Optics eröffnet Geschäft an der Alster
Parallel treibt Vorstandschef Marc Fielmann die Digitalisierung und Expansion voran. Noch in diesem Jahr soll eine Fielmann-App an den Start gehen, mit der der Online-Kauf von Brillen möglich sein soll. Bis Ende des Jahres will das Unternehmen europaweit 80 Standorte neu eröffnen oder umbauen. So eröffnete nach langer Umbauphase in der Hamburger Mönckebergstraße auf fünf Stockwerken ein neuer Flagship-Store. Und auch in weiteren Ländern will Fielmann aktiv werden. „Wir sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten in einen weiteren Markt eintreten“, sagte der Vorstandschef.
Coronavirus – die Fotos zur Krise
Die 880 Aktionäre, die vom heimischen Computer aus der mehr als zweistündigen Veranstaltung folgten, gaben dem Vorstand am Ende ihr Plazet. Sie stimmten über ein elektronisches Verfahren mit fast 100 Prozent dem Konzernabschluss zu – inklusive dem Verzicht auf die Dividendenausschüttung. Die Börse reagierte positiv. Marktexperten sahen ihre Erwartungen trotz der prognostizierten Rückgänge im Gesamtjahr übertroffen.
Die Umsätze seien im zweiten Quartal weniger schlecht als erwartet ausgefallen, schrieb Analyst Volker Bosse von der Baader Bank. Fielmann sei die Kehrtwende früher als gedacht gelungen, urteilte Oliver Metzger von der Commerzbank. Das Fielmann-Papier zählte am Donnerstag zu den großen Gewinnern. Der Kurs stieg um gut vier Prozent auf 64 Euro.