Hamburg. Hamburger Unternehmen investiert kräftig und sieht sich finanziell gut gerüstet. Filiale an der Mönckebergstraße eröffnet wieder.
Börsennotierte Firmen legen öffentliche Termine in der Regel langfristig fest. Und so konnte Anfang des Jahres niemand ahnen, dass die Bilanzvorstellung von Deutschlands größter Optikerkette Fielmann am Mittwoch mitten in die Coronakrise fallen würde. Statt vor Dutzenden Journalisten im Konferenzraum der Barmbeker Zentrale zu sitzen, musste Marc Fielmann, nach dem Ausscheiden seines Vater Günther Fielmann im November vergangenen Jahres alleiniger Vorstandschef, die Präsentation der Zahlen für das Geschäftsjahr 2019 und seine Pläne für 2020 deshalb ins Internet verlegen – ein Novum in der fast 50-jährigen Firmengeschichte.
Sollte den 30-Jährigen das irritiert haben, war es ihm in dem gut einstündigen Videostream nicht anzumerken. Der junge Vorstandsvorsitzende, wie gewohnt in Anzug und mit akkuratem Scheitel, ist sichtbar in seiner Rolle in der Führungsspitze angekommen. Wie schon im vergangenen Jahr trug er die Details mit nahezu unbewegter Miene und in hoher Geschwindigkeit vor. Seine zentrale Botschaft: Fielmann ist finanziell stark, fühlt sich in schwierigen Zeiten gut gerüstet und will Zukunftsprojekte wie den lange erwarteten Online-Brillenverkauf in diesem Jahr starten.
Coronakrise geht an Optikerkette Fielmann nicht spurlos vorbei
Aber auch an dem Branchenprimus geht die Krise nicht spurlos vorbei. „Bis Mitte Februar war es schwer vorstellbar, welche verheerenden Folgen das Coronavirus haben würde“, sagte Marc Fielmann. Der Optiker hatte wegen der Kontaktbeschränkungen zeitweilig nur im Notbetrieb geöffnet, teilweise waren Geschäfte komplett geschlossen. Das habe in der Spitze zu Umsatzverlusten von 80 Prozent geführt. Auch Fielmann meldete Kurzarbeit für einen Großteil der insgesamt mehr als 20.000 Mitarbeiter an, stockte die Nettogehälter aber auf 100 Prozent auf. Um die Liquidität zu schützen, wurde ein Einstellungsstopp verhängt, alle Gehaltserhöhungen gestrichen, Dienstreisen ausgesetzt, bei Werbebudgets gespart. Mit Vermietern seien Mietnachlässe verhandelt worden.
Ein weiterer Schritt, der bereits Ende März für Schlagzeilen sorgte: Fielmann will, die Zustimmung der Hauptversammlung am 9. Juli vorausgesetzt, trotz des erfolgreichen Geschäfts 2019 mit einem Vorsteuerergebnis von gut 250 Millionen Euro erstmals keine Dividende an die Aktionäre auszahlen. Noch im Februar hatte das SDAX-Unternehmen eine Ausschüttung in Höhe von 1,95 Euro pro Aktie angekündigt. Von dem Sparvorhaben ist die Familie Fielmann als Mehrheitseigner mit 71,64 Prozent der Anteile besonders betroffen. Sie hätte etwa 117 Millionen Euro Dividenden eingestrichen.
Dramatische Lage
„Die Zahlen des ersten Quartals zeigen die Dramatik der Lage“, sagte Marc Fielmann. Die Optikerkette, die im vergangenen Jahr 8,28 Millionen Brillen verkauft hat, meldete einen Absatzrückgang von 14,4 Prozent. Der Gewinn vor Steuern brach auf 17,6 Millionen Euro ein – im Vorjahr waren es 67,2 Millionen Euro. Ende März verfügte Fielmann den Angaben zufolge über liquide Mittel von 295 Millionen Euro. Allerdings seien auch deutliche Abflüsse zu verzeichnen, so Marc Fielmann, weil viele Kosten bei stark reduzierten Einnahmen weiterliefen. Trotzdem ist der Fielmann-Chef „verhalten optimistisch“.
In Deutschland sind seit dieser Woche alle 602 Filialen wieder regulär geöffnet. Auch in den anderen europäischen Ländern sollen die Ladenschließungen nach und nach aufgehoben werden. Fielmann hat zum Schutz von Kunden und Mitarbeitern ein eigenes Hygienekonzept mit wissenschaftlicher Unterstützung erarbeitet und produziert seit März Schutzbrillen, die teilweise auch an Kliniken gespendet wurden.
Fielmann will Digitalisierung vorantreiben
Parallel will Fielmann die Digitalisierung vorantreiben. Seit 2016 investiert das Unternehmen in neue Technologien, die es Kunden ermöglichen sollen, mit dem Smartphone die Sehstärke zu messen, Brillen anzupassen und virtuell aufzuprobieren. Möglich ist das allerdings nur für Menschen mit einer geringen Sehschwäche. Die drei Schritte werden in einer App gebündelt, die in der zweiten Jahreshälfte und damit früher als geplant verfügbar sein soll.
Um den Versand künftiger Onlinebestellungen abzuwickeln, hat Fielmann 20 Millionen Euro in den Ausbau des Produktionsstandorts im mecklenburgischen Rathenow gesteckt, wo bis Ende des Jahres ein neues Versandzentrum in Betrieb gehen soll. Vier Millionen Pakete pro Jahr können von dort verschickt werden. Der Optiker erwartet, dass sich dieser Anteil der Brillenverkäufe mit den neuen Technologien im Internet von einem Prozent langfristig auf zehn Prozent steigern lässt. Der Weg werde ein gemischtes Angebot aus Dienstleistungen in der Filiale und Onlineservices sein, so Fielmann.
Expansionspläne bleiben bestehen
Auch an der angekündigten Expansion in ein weiteres europäisches Land hält Fielmann fest. „Krisen bergen Risiken, aber auch Chancen. Wir haben einige Gespräche abgebrochen, aber auch neue aufgenommen“, sagte der Vorstandschef. Erst im vergangenen Jahr hatten die Hamburger die führende Optikerkette in Slowenien übernommen. Auch an der Wiedereröffnung der City-Filiale an der Mönckebergstraße nach langer Umbauphase, soll festgehalten werden. Der Termin ist Mitte Juni.
„Wir erwarten nicht, dass wir dieses Jahr noch in die Normalität vor der Coronakrise zurückkehren“, sagte Marc Fielmann. Er erwartet Nachholeffekte. „Der Kauf einer neuen Brille ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.“ Eine seriöse Prognose für die Umsatzentwicklung 2020 sei aber nicht möglich.
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Die Börse reagierte wohlmeinend. Bis zum Nachmittag stieg der Kurs der Aktie leicht auf gut 60 Euro. Analyst Volker Bosse von der Baader Bank sieht Fielmann als potenziellen Gewinner einer wegen der Coronakrise beschleunigten Konsolidierung des Marktes für Optiker und Hörhilfen. Er beließ seine Einstufung auf „Add“ (also Aufstocken) mit einem Kursziel von 68 Euro.