Hamburg. Fast zwei Jahre hat die Optikerkette gebaut. Nun gibt es auf 1000 Quadratmetern 14.000 Brillen. Was sich noch verändert hat.
Als ob die Auswahl nicht reichen würde. Mehr als 14.000 unterschiedliche Brillen gibt es in dem runderneuerten Fielmann-Niederlassung in der Mönckebergstraße, die am Donnerstag nach langem Umbau wiedereröffnet. Trotzdem steht Marc Fielmann am Tag davor vor einem interaktiven Monitor in der neuen Vorzeigefiliale und erklärt, wie Kunden künftig noch mehr Fassungen ausprobieren können. Digital nämlich. Der Chef der größten deutschen Optikerkette nimmt seine Brille ab. Ein Foto ohne Brille wird gemacht. Danach klickt er sich durch Angaben wie Augenfarbe und Sehstärke, wählt die Anwendung und bevorzugte Form. Der 30-Jährige mag es klassisch. Sekunden später sieht er sein Gesicht mit einem eckigen, dunklen Gestell auf der Nase auf dem Bildschirm – ähnlich wie in einem Spiegel. Ein skeptischer Blick. Das passt noch nicht so ganz. Macht nichts, in der Datenbank sind mehr als 100.000 Fassungen.
Fielmann in der Mönckebergstraße: Größte Niederlassung in Deutschland
Die virtuelle Brillenanprobe ist eine der Neuheiten im Fielmann-Flagship-Store. „Es ist die modernste Niederlassung der Gruppe und die größte in Deutschland“, sagt Marc Fielmann, der nach dem Ausscheiden seines Vaters Ende 2019 alleiniger Vorstandschef des SDAX-Konzerns ist.
Mehr als 21 Monate lang war ein Teil des traditionsreichen Versmann-Hauses gegenüber des Rathausmarkts eine große Baustelle. Das Geschäft war solange in ein Ausweichquartier am Jungfernstieg gezogen. Jetzt ist die lange Schaufensterfront hell erleuchtet, über der Eingangstür prangt wieder der Name des Branchenprimus.
Zwölf Räume für Sehtests
Von dem 1990er-Jahre-Look der alten Filiale mit viel Grau- und Brauntönen ist nichts mehr übrig. Die Verkaufsflächen, mehr als 1000 Quadratmeter auf vier Etagen, sind hell und offen. Es gibt zwölf Räume mit der neusten Gerätegeneration für Sehtests, sechs Kabinen für die Anpassung von Hörgeräten, eine Abteilung für Schutz- und Datenbrillen und einen liebevoll gestalteten Kinderbereich. Fielmann, das war das erklärte Ziel des vier Millionen teuren Umbaus, will sich mit der City-Filiale als Optiker der Zukunft präsentieren, der stationäre Beratung und digitale Services verbindet.
Das fängt im Erdgeschoss an. Um lange Wartezeiten zu vermeiden, eines der zentralen Probleme in den 602 deutschen Niederlassungen mit jährlich 50 Millionen Besuchern, arbeitet das Unternehmen verstärkt mit Terminen, die seit einigen Monaten über die Internetseite buchbar sind. Parallel wurde ein System entwickelt, mit dem auch die Wartezeiten für Laufkundschaft besser koordiniert werden können. Am Empfangstresen können Kunden jetzt klären, wie lange sie auf eine Beratung warten müssen und – wenn sie wollen – diese Zeit außerhalb des Ladens verbringen, um zum Beispiel Einkäufe zu erledigen. Im Laufe des Jahres wird dieses Zeitmanagement-System bundesweit eingeführt.
Von Null-Tarif-Brillen bis zu exklusiven Marken wie Chanel
Und auch sonst hat sich einiges geändert: Zwar gibt es weiterhin lange Wandregale mit Brillenfassungen, von Nulltarif-Modellen über die trendige Fielmann-Linie Made in Italy bis zu exklusiven Marken wie Chanel, Cartier und Celine, aber auf großen Tischen und in Schubladensystemen liegen jetzt deutlich mehr Brillen als früher zum Probieren. Allein 2000 Sonnenbrillen stehen zur Auswahl.
Die Technologie versteckt sich in RFID-Etiketten, mit denen alle Fassungen im Geschäft ausgestattet sind. Sie sollen den 100 Mitarbeitern um Filialleiter Frank Schmiedecke helfen, ein bestimmtes Modell schnell zu finden. Auch die Brillenglaszentrierung erfolgt digital über eine Messtechnologie namens Fielmann Focus per Tablett.
Fielmann verkauft jetzt Sonnenbrillen auch online
Es ist eine von drei Schlüsseltechnologien, die Fielmann bis zum Jahresende in einer App zusammenführen und damit erstmals auch Brillen mit einfachen Korrekturgläsern online verkaufen will. Bereits möglich ist das in einer Beta-Version für Sonnenbrillen. „Wir haben keine Werbung dafür gemacht. Trotzdem wurden schon 100.000 Sonnenbrillen online probiert“, sagt Marc Fielmann. Für das Verfahren eines Online-Sehtests ist die Patentanmeldung kurz vor dem Abschluss.
Und noch eine weitere Innovation steht in den Startlöchern, die vor allem Menschen mit hohen Sehstärken freuen wird. Fielmann hat mit dem Partnerunternehmen Fittingbox ein Verfahren auf Basis von Augmented Reality für eine virtuelle Brillenanprobe entwickelt, bei dem Kunden die eigene Brille nicht abnehmen müssen. In den nächsten Monaten soll es in der Mönckebergstraße eingesetzt werden. „Das ist eine Weltneuheit“, sagt Marc Fielmann.
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Nach Corona-Lockdown ist Fielmann wieder auf Vorjahresniveau
Während Fielmann in der Corona-Krise angesichts von dramatischen Umsatzeinbrüchen im gesamten Unternehmen die Kosten reduziert hat, wurde bei der Digitalisierung nicht gespart. 200 Millionen Euro fließen 2019 und 2020 in den Bereich. Das stationäre Geschäft hat inzwischen wieder Fahrt aufgenommen. „Im Mai ging es steil aufwärts, im Juni sind wir vielerorts wieder auf Vorjahresniveau“, sagt Marc Fielmann.
Auch der Börsenkurs ist im Aufwind. Von der Wiedereröffnung in der Innenstadt erwartet der Firmenboss einiges. Zehn Millionen Euro Jahresumsatz sind geplant. Ob das klappt, ist offen: Wegen der Abstandsregeln dürfen zunächst nur 100 Kunden gleichzeitig im Laden sein. Und die Konkurrenz schläft nicht: Edel-Optics aus Hamburg, bislang vor allem Onlinehändler, zieht im Herbst an den Ballindamm. Optiker Bode, ebenfalls aus Haus, will 2021 am Jungfernstieg umbauen.