Berlin. Seit Bekanntwerden des Wirecard-Skandals steht die Bundesregierung unter Handlungsdruck. Nun will Scholz die Finanzaufsicht stärken.
Der Wirecard-Skandal soll nicht ohne Konsequenzen bleiben: Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat nach der Pleite des Unternehmens einen Umbau der Finanzaufsicht (Bafin) angekündigt. „Die Schutzmechanismen zu überprüfen und zu verbessern“ sei jetzt die Aufgabe des Gesetzgebers, sagte der SPD-Politiker im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Der Bundesanstalt müsse ein unmittelbares Durchgriffsrecht eingeräumt werden. Das bisherige zweistufige Prüfverfahren müsse abgeschafft werden. Die Bafin brauche „die Möglichkeit, jederzeit Sonderprüfungen in großem Umfang durchführen zu können“, betonte Scholz.
Darüber hinaus will er der Behörde „mehr Durchgriffsrechte bei der Kontrolle von Bilanzen geben, unabhängig davon, ob der Konzern eine Banksparte hat oder nicht“.
Bafin-Reform von allen Bundestagsfraktionen gefordert
Große Zahlungsdienstleister sollten generell der Finanzaufsicht unterliegen. Die Anstalt könnte zudem mit mehr Personal rechnen. „Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die Bafin mehr Geld, mehr Stellen und mehr Kompetenzen benötigt, werde ich mich dafür einsetzen, dass das passiert“, erklärte Scholz.
Zuvor hatten alle Bundestagsfraktionen eine Reform der Behörde gefordert, die der Aufsicht des Bundesfinanzministeriums untersteht. Das Justizministerium hatte ebenfalls angekündigt, zusammen mit dem Finanzministerium das Ausmaß des Reformbedarfs analysieren zu wollen.
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Scholz’ Umbaupläne der Bafin: Gemischte Reaktionen
Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, bezeichnete Scholz’ Vorschläge am Sonntag als „Schritt in die richtige Richtung“. Sie gingen aber „nicht weit genug“. Der Finanzminister müsse durchsetzen, „dass die Bafin sich wirklich effektiv um die großen Risiken kümmern kann und sich nicht im Klein-Klein verzettelt“, forderte Toncar. „Deshalb muss das lange versprochene Gesetz zu regulatorischen Erleichterungen für kleinere und mittlere Banken jetzt endlich kommen.“
Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Fabio De Masi, reagierte positiv auf den Vorschlag einer umfassenden Prüf-Zuständigkeit der Bafin. „Dies muss im Zeitalter von Fin-Tech und digitalen Geschäftsmodellen unabhängig davon erfolgen, ob ein Unternehmen einen hohen technologischen Anteil hat – solange es finanznahe Dienste erbringt“, sagte De Masi gegenüber dem „Handelsblatt“.
„Zudem muss stärker in die digitale Forensik bei Bilanzprüfungen investiert werden, damit Prüfer nicht mit dem Bleistift bewaffnet vor Weltkonzernen stehen.“
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Kritik gab es vom Finanzexperten der Grünen, Danyal Bayaz: Er bemängelte, der Finanzminister habe „die Neuaufstellung der Aufsicht verschlafen“. Er müsse nun „die Aufsicht so aufstellen, dass der nächste Skandal bestmöglich verhindert wird. Die Aufsicht muss ernst genommen und von jenen, die womöglich auf dumme Gedanken kommen, gefürchtet werden.“
Wirecard-Skandal: Was steckt dahinter?
Der Zahlungsdienstleister Wirecard ist seit knapp zwei Jahren im Dax gelistet. Kürzlich hatte das Unternehmen eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro, die Wirecard auf Treuhänderkonten verbucht hatte, sehr wahrscheinlich nicht existieren. Die Firma mit Sitz in Aschheim bei München hat inzwischen Insolvenz angemeldet.
Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderen gegen Ex-Vorstandschef Markus Braun. Die mutmaßlichen Bilanzmanipulationen blieben über Jahre unentdeckt. Wirecard wickelt bargeldlose Zahlungen für Händler an Kassen und online ab. (dpa/raer)