Hamburg. Der neue Unilever-Deutschland-Chef über Umsatztreiber in der Krise und seinen Umzug nach Hamburg.

Peter Dekkers, aufgewachsen in den Niederlanden, ist ein Kosmopolit. Der 54-Jährige hat weltweit für Unilever im Management gearbeitet. Er lebte in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Thailand und in London. Das Abendblatt interviewte ihn jetzt per Videokonferenz in Schweden. Denn Dekkers managt das Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Marken wie Bertolli, Lipton, Dove und Axe noch aus dem Homeoffice in Stockholm. Der Chef der deutschen Zentrale von Unilever in Hamburg spricht über die Veränderung des Konsums und der Arbeit durch die Corona-Pandemie.

Hamburger Abendblatt: Herr Dekkers, Sie leben derzeit noch mit Ihrer Familie in Stockholm. Schweden geht in der Corona-Krise einen viel beachteten Sonderweg, hat Schulen, Geschäfte und Cafés nie geschlossen. Ihre Meinung dazu?

Peter Dekkers: Schweden hat mehr Lockerungen zugelassen, setzt auf die Eigenverantwortung der Bürger. Jetzt sagt aber der Chef der Epidemiologie, straffere Maßnahmen wären wohl besser gewesen. Es hätte dann wahrscheinlich weniger Todesfälle gegeben. Wir wissen aber noch so wenig über das Virus und dachten anfangs, es wäre eine Art Grippe. In zwölf Monaten kann man es besser einschätzen.

Unilever stellt mit Marken wie Knorr, Coral und Langnese viele Produkte her, die wie Toilettenpapier in der Krise stark gefragt waren. Wie läuft der Verkauf?

Dekkers: Zu Beginn waren die Menschen fokussiert auf Desinfektionsmittel und Hygieneprodukte. Der Absatz ist in diesem Bereich um das Vielfache gestiegen. Dann hat die Hamsterperiode begonnen. Die Leute dachten: Haben die Läden morgen noch geöffnet? Es stieg die Nachfrage nach Shampoo, Toilettenpapier und Nahrungsmitteln. Zu Ostern normalisierte sich das. Was wirklich außergewöhnlich ist, ist, dass wir die gesamte Zeit über mit unseren Produkten vollumfänglich lieferfähig waren und immer noch sind. Das verdanken wir unseren Mitarbeitenden in den Fabriken, in der Logistik sowie im Außendienst.

Wie änderte sich das Interesse der Verbraucher in der Krise?

Dekkers: Der Umsatz etwa der Knorr-Fix-Gerichte oder unseres Pfanni Kartoffelpürees ist gewachsen. Darin spiegelt sich der deutlich gestiegene Bedarf an Mahlzeiten wider, die möglichst schnell zu Hause zubereitet werden können. Ein Drittel aller Verbraucher sagt, dass sie häufiger zu Hause essen als vor der Krise. Wir sehen aber auch eine unglaubliche Zunahme von Leuten, die im Internet nach Rezepten suchen. Man braucht zu Hause mehr Inspiration.

Wie genießen die Leute in der Krise?

Dekkers: Viele Menschen haben sich zu Hause verwöhnt, vor allem mit unseren Eis-Marken wie Magnum, Ben & Jerrys und Breyers. An der Spitze der Krise verzeichneten wir einen Zusatzabsatz bei Eiscreme von bis zu 30 Prozent. Auch unsere Mondamin-Produkte werden verstärkt nachgefragt, da derzeit mehr gebacken wird.

Kurzarbeit wegen eines wirtschaftlichen Einbruchs war bei Ihnen also kein Thema?

Dekkers: Wir hatten bislang keine Kurzarbeit wegen der Corona-Krise. Aktuell sehen wir dafür auch keinen Anlass.

Welche Trends werden langfristig wirken?

Dekkers: Die Verbraucher achten vermehrt auf eine gesunde Ernährung, die in den hektischen Alltag passen soll. 30 Prozent der Verbraucher möchten diese gesunden Essgewohnheiten auch nach der Krise beibehalten.

Wie empfinden Sie die neuen Arbeitsbedingungen?

Dekkers: Ich glaube nicht, dass die Menschen bald wieder fünf Tage in der Woche ins Büro gehen. Das wird dazu führen, dass auch langfristig mehr zu Hause gekocht und gebacken wird.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Wie arbeiten Sie selbst in Corona-Zeiten?

Dekkers: Ich sitze in unserer Wohnung in Stockholm, wo ich derzeit noch mit meiner Familie lebe. Meine Kinder nehmen online am Unterricht teil, und ich arbeite am Laptop. Bald ziehen wir um, nach Othmarschen, wieder ins schöne Hamburg. Mal sehen, ob alles klappt, es gibt ja noch Probleme mit den Flügen und der Quarantäne, und am 1. Juli ist der Umzugstermin.

Wie empfinden Sie die Arbeit daheim?

Dekkers: Ich bin unglaublich überrascht, dass es so gut funktioniert. Ich sehe allerdings auch, dass es für viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anstrengend ist, wenn man kleine Kinder hat und das Haus voll ist. Wer ganz alleine in der Wohnung ist, kann sich aber auch einsam fühlen.

Wie ist die Reaktion der Beschäftigten bei Unilever?

Dekkers: Die Resonanz ist überwiegend positiv. Seit Mitte März arbeiten praktisch alle Mitarbeitenden aus der Verwaltung im Homeoffice. Übrigens auch die Trainees und Azubis, die erst bei uns angefangen haben. Wir haben ihnen Laptops geschickt, und sie hatten ein digitales Onboarding, persönlich gesehen haben wir uns zunächst nicht. Ich habe aber vor zwei Wochen eine Videokonferenz organisiert mit unseren neuen Angestellten und mich eine Stunde mit den Azubis ausgetauscht.

Auch Geschäftsreisen sind derzeit nicht möglich …

Dekkers: Ja, und auch nach der Corona-Zeit wird es wohl höchstens noch die Hälfte der Geschäftsreisen bei Unilever geben.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

Wie kompensieren Sie den Verzicht auf die Businesstrips?

Dekkers: Ich rechne mit einem Umdenken, mit einer neuen Philosophie, denn das digitale Arbeiten verändert unser Leben. Dennoch kann man in Kontakt bleiben: Auf einem virtuellen Marktplatz haben wir uns kürzlich mit mehr als 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ‚getroffen‘, mit Vertrieblern aus dem Außendienst und von allen unseren Fabrikstandorten. Das war ein ehrgeiziger Test der Technologie, aber es hat funktioniert. Das machen wir jetzt regelmäßig.

Wie erfolgreich arbeiten Sie im Homeoffice?

Dekkers: Man ist viel schneller. Die Geschwindigkeit hat sich wirklich positiv entwickelt. Warum? Virtuell, etwa in Videokonferenzen, kommt man viel schneller zum Punkt. Es wird nicht lange diskutiert, man ist fokussierter. Und priorisiert auch besser. Man muss aber auch aufpassen, dass es nicht zu anstrengend wird.

Wie organisieren Sie sich?

Dekkers: Anfangs habe ich ununterbrochen Termine gemacht. Jetzt achte ich auf Pausen, auf gemeinsames Mittagessen mit meiner Familie und gehe auch mal an die frische Luft.

Sie leiten eine Firma mit 700 Beschäftigten seit Wochen aus dem Homeoffice. Wie haben Sie Ihren Führungsstil geändert?

Dekkers: Mir ist das menschliche Miteinander sehr wichtig. Eigentlich bin ich auch jemand, der durch die Firma geht, mit den Leuten redet, sich zeigt. Mir kommt es nicht so auf Hierarchien an, da bin ich typisch Holländer. Jetzt kann man aber nicht mehr im Büro herumlaufen. Da ist es wichtig, dennoch im Kontakt zu bleiben. Wir treffen uns mit den Teams jeden Morgen virtuell. Von 8.30 bis 9 Uhr geht es dann erst mal um Persönliches, ohne Agenda. Ansonsten gilt auch jetzt: Wichtig sind Kommunikation, Transparenz und Ehrlichkeit. Auch bei den jetzt herrschenden schwierigen Themen.

Lesen Sie auch:

Unilever kehrt im Sommer von der HafenCity zurück in die Innenstadt, in ein Gebäude neben der Nikolaikirche. Der Umzug fällt mitten in die Corona-Zeit ...

Dekkers: Ja, es wird leider keine Umzugsparty geben. Und am Anfang werden nur zehn bis 15 Prozent der Leute am neuen Standort arbeiten. Vielleicht kommen dann nach und nach die Mitarbeiter zurück, gehen etwa dreimal in der Woche ins Büro und arbeiten sonst zu Hause. Grundsätzlich ändert sich der Büroalltag: Es wird auch keine eigenen Schreibtische mehr geben, auch nicht für das Management.

Wie werden Sie selbst in Zukunft arbeiten?

Dekkers: Ich werde wohl nicht mehr fünf Tage in der Woche im Büro sein. Der Erfolg des Homeoffice wird sich auch auf unseren Arbeitsstil nach der Corona-Krise auswirken. Davon bin ich überzeugt.

Das ist Unilever:

  • Unilever vertreibt in mehr als 190 Ländern Lebensmittel, Körperpflegeprodukte und Haushaltsreiniger, die jeden Tag von rund 2,5 Milliarden Verbrauchern genutzt werden. Der Konsumgüterhersteller beschäftigt weltweit über 150.000 Mitarbeiter und erzielte 2019 einen Umsatz von 52 Milliarden Euro.
  • Peter Dekkers ist seit August 2019 verantwortlich für das Geschäft in den deutschsprachigen Ländern. Er kehrt nun nach Hamburg zurück, wo er bereits vor einigen Jahren in verantwortlicher Position in der Deutschland-Zen­trale arbeitete. Der Vater von drei Kindern studierte Mathematik und begann seine Laufbahn bei Unilever 1991 als Trainee.