Hamburg. Die durch die Corona-Pandemie geschlossenen Standorte bleiben für immer zu. Warum die Fusion mit Volksbank Lübeck gescheitert ist.
So hatte sich Reiner Brüggestrat seinen Abschied von der Hamburger Volksbank nicht vorgestellt. Sein letztes großes Projekt, die Fusion mit der Volksbank Lübeck, ist geplatzt. Die Lübecker Vertreterversammlung, das Gremium der Eigentümer, entschied sich am Dienstagabend überraschend in geheimer Abstimmung dagegen.
„Wir hatten 50 Prozent Gegenstimmen und hätten aber eine Zustimmung von 75 Prozent erreichen müssen“, sagt Peter Kling, Vorstand der Volksbank Lübeck. Ausgegangen war die Fusion von Lübeck aus, weil es eine sehr ähnliche Kultur und eine verwandte Struktur der Geldinstitute gibt. „Obwohl vertraglich alles gut geregelt war, wurde die geplante Fusion von der Corona-Pandemie überschattet, denn der persönliche Kontakt zu den Vertretern war eingeschränkt“, sagt Kling.
Warum die Fusion der Hamburger Volksbank mit Lübeck platzte
Die Lübecker, die mit einer Bilanzsumme von knapp einer Milliarde Euro nur ein Viertel der Größe der Hamburger erreichten, fürchteten offenbar komplett ihrer kulturellen Identität beraubt zu werden. Brüggestrat hätte gern diese Vorstellung im persönlichen Gespräch mit dem Vertretergremium entkräftet, aber das war wegen der Pandemie nicht möglich.
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„Wir wollten eine Nord-Ost-Achse in der Metropolregion schmieden, der sich auch noch andere Genossenschaftsbanken hätten anschließen können“, sagt Brüggestrat. Zusammen hätte man noch größere Kredite vergeben können. Brüggestrat vermutet, dass es bei den Lübeckern tiefere Vorbehalte gibt, die sich nicht allein durch coronabedingte Kommunikationsprobleme erklären lassen.
Die Hamburger Volksbank hat bei ihrer Größe mit einer Bilanzsumme von 3,9 Milliarden Euro keine Probleme, eigenständig zu bleiben. „Wir sind weiterhin offen für Fusionsgespräche, aber die Initiative wird nicht von uns ausgehen“, sagt Brüggestrat.
Hamburger Volksbank schließt zehn Filialen dauerhaft
Mit der geplanten Fusion wollte Brüggestrat auch die weitere Digitalisierung vorantreiben. Das macht er jetzt im Alleingang. „Wir werden jene Filialen, die wir coronabedingt geschlossen haben, nicht wiedereröffnen“, sagt Brüggestrat bei der Vorlage der Bilanz.
Insgesamt geht es im ersten Schritt um zehn Standorte, von denen 40.000 Kunden der Genossenschaftsbank betroffen sind. Im Einzelnen sind das folgende Filialen: Norderstedt, Meckelfeld, Eppendorf, Stellingen, Billstedt, Alsterdorf, Eidelstedt, Bramfeld, Schanze und Othmarschen.
Damit wird fast jeder zweite Standort der Bank dauerhaft geschlossen, denn in der Zukunft will die Bank mit 15 Geschäftsstellen auskommen. Entlassungen soll es nicht geben. „Die Filialen verlieren für die alltäglichen Bankgeschäfte immer mehr an Bedeutung“, sagt Brüggestrat. Der Filialbesuch sei zu einem Luxusgut geworden, das uns zwar wichtig ist, aber eine andere Infrastruktur brauche.
Filialschließungen durch Corona-Pandemie beschleunigt
„Der Aufschrei ist ausgeblieben, es gab nur 40 Beschwerden“, sagt Brüggestrat über die Schließungspläne. Denn die Kunden wurden schon informiert. „77 Prozent unserer Kunden können ihre Bankgeschäfte online erledigen und wir haben während der Corona-Pandemie gemerkt, dass die noch geöffneten Standorte ausreichend sind.“
Der Plan, langfristig nur noch mit 15 Filialen auszukommen, lag bereits in der Schublade und wird jetzt schnell umgesetzt. Im Gegenzug werden verbleibende Standorte aufgerüstet. Gegenwärtig werden in die Filiale in Blankenese 1,5 Millionen Euro investiert. In Wedel entsteht ein Wohn- und Geschäftshaus für sechs Millionen Euro, in das ebenfalls eine Filiale der Volksbank kommt. Außerdem wird das Dialogcenter für den Kontakt per Video und Telefon bis zum Herbst personell von 13 auf 33 Stellen aufgestockt.
Betriebsergebnis fiel um 13 Prozent
Vor allem das Immobilienfinanzierungsgeschäft trug 2019 zum Kreditwachstum um 8,4 Prozent auf 2,14 Milliarden Euro bei. Trotz des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes gelang es den Zinsüberschuss mit 54,4 Millionen Euro fast auf Vorjahresniveau zu halten. Der Provisionsüberschuss stieg um fünf Prozent auf 25 Millionen Euro.
Unterm Strich fiel das Betriebsergebnis um 13 Prozent auf 17,8 Millionen Euro. Auch in diesem Jahr erwartet das neue Vorstandsmitglied Nils Abels ein Ergebnis auf Vorjahresniveau. „Es gibt aber wegen Corona noch einige Unsicherheiten“, sagt er. Brüggestrat geht Ende September in den Ruhestand. Seinen Posten als Vorstandssprecher übernimmt der bisherige Vorstand Thorsten Rathje.