Hamburg. In Norddeutschland sind 1100 Personen betroffen. Auch bei der Stammbelegschaft soll es erhebliche Einschnitte geben.

Bereits Ende April hatte Guillaume Faury klare Worte für dieandauernde Corona-Krise gefunden. „Wir erleben einen der größten wirtschaftlichen Schocks in der Geschichte“, schrieb der Vorstandschef von Airbus per Mail an die weltweit rund 135.000 Mitarbeiter. Man müsse „alle Optionen in Betracht ziehen“. Er forderte Mitarbeiter auf, bis zu zehn Tage frei zu nehmen und Mehrarbeit abzubauen, und kündigte die Inanspruchnahme staatlicher Instrumente wie Kurzarbeitergeld an.

Mehr als die Hälfte der rund 15.000 Mitarbeiter auf Finkenwerder ist derzeit in Kurzarbeit. Seit Wochen gibt es zudem Spekulationen, dass es zu einem Jobabbau beim europäischen Flugzeugbauer kommt. Von 10.000 Stellen ist die Rede, offiziell ist bisher aber nichts – zumindest für die Stammbelegschaft. Denn für die Zeitarbeiter ergeben sich aus den drastischen Produktionskürzungen nun erste, harte Konsequenzen.

Airbus in Hamburg trennt sich von 600 Leiharbeitern

„Es wurden zum 31. Mai und 15. Juni insgesamt 1100 Leiharbeitskräfte an den norddeutschen Standorten abgemeldet“, sagte Emanuel Glass dem Abendblatt. Er ist Zweiter Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Region Hamburg. Nach seinen Informationen versehen beziehungsweise versahen 600 von ihnen ihren Job in Hamburg.

Airbus-Sprecher Daniel Werdung bestätigt auf Anfrage die Zahl von 1100 Leiharbeitern, von denen man sich getrennt habe. Man breche diese Zahl aber nicht auf einzelne Standorte herunter. Das Unternehmen bewerte weiterhin seine betrieblichen Anforderungen im Rahmen der Covid-19-Krise, hieß es zur Begründung. Dazu gehöre auch das Begutachten der Zeitarbeit im Hinblick auf künftige Anforderungen, Fähigkeiten und Kompetenzen. „Die Überprüfungen ergaben, dass Zeitarbeit reduziert werden muss“, sagte Werdung.

Corona-Pandemie: Airbus leidet unter Einbruch des Flugverkehrs

Airbus hatte Mitte April die Produktionsraten für seine Flugzeugprogramme im Schnitt um etwa ein Drittel gesenkt. Im Zuge der Corona-Pandemie war der Flugverkehr weltweit nahezu zusammengebrochen. Dadurch fehlt den Airlines das Geld aus Ticketverkäufen, um liquide zu sein und neue Flugzeuge beim Hersteller abzunehmen. Denn ein Großteil des Kaufpreises wird bei der Auslieferung fällig.

Im Mai wechselten zwar trotz der Krise immerhin 24 Flugzeuge vom Produzenten zum Käufer oder Leasingnehmer. Allerdings waren es im Vorjahr statistisch gesehen knapp 72 Maschinen pro Monat, also das Dreifache.

"Kurzarbeitergeld verlängern!"

Wie lange die Krise anhält, vermag derzeit keiner zu sagen. Hamburgs IG-Metall-Geschäftsführer Glass fordert daher von der Politik, das Kurzarbeitergeld von bisher zwölf auf 24 Monate zu verlängern. Airbus könnte dieses Instrument – der Staat übernimmt dabei 60 beziehungsweise 67 Prozent (bei Haushalten mit Kindern) des letzten Nettogehalts,

Airbus stockt aus eigenen Mitteln auf bis zu 87 Prozent auf – dann bis März 2022 anwenden. Glass nimmt zudem die Zeitarbeitsfirmen in die Pflicht: „Auch Leiharbeitsfirmen sollten auf das Kurzarbeitergeld zurückgreifen.“ So könnten sie bei wegfallenden Aufträgen Kündigungen ihrer Mitarbeiter verhindern.

Keine betriebsbedingten Kündigungen bis Ende 2020

Bei Airbus sind derzeit übrigens noch weitere etwa 1800 Leiharbeitskräfte in Norddeutschland tätig. Wie lange sie noch Beschäftigung finden, ist offen. „Nach eingehenden Analysen könnte es notwendig sein, weitere Anpassungen bei Leiharbeit vorzunehmen“, sagte Werdung. Schließlich sei Zeitarbeit auch eine von zahlreichen Flexibilitätsmaßnahmen, die mit der Arbeitnehmerseite im Zukunftstarifvertrag vereinbart worden seien. Dieser schließt übrigens betriebsbedingte Kündigungen bis zum Ende des Jahres 2020 aus.

Dennoch gibt es laut IG Metall auch schon Einschnitte bei der Stammbelegschaft. Viele Mitarbeiter hätten befristete Verträge mit einer Laufzeit von drei bis zu 24 Monaten. Diese würden nicht verlängert, sagt Glass: „Bei Airbus auf Finkenwerder findet derzeit schon Personalabbau statt.“ Er spricht von mehreren Hundert Betroffenen.

Airbus: Frankreich kündigt Staatshilfen an

Frankreich kündigte unterdessen umfangreiche Staatshilfen für die angeschlagene heimische Luftfahrtindustrie an. Die Regierung schnürte ein 15 Milliarden Euro schweres Rettungspaket. „Wir müssen unsere Luftfahrtindustrie retten“, sagte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und ergänzte: „Sie ist ein Nationalstolz und einer der größten industriellen Erfolge unserer Nation im 20. Jahrhundert.“ In den vergangenen Jahrzehnten sei sie kontinuierlich gewachsen, die Auftragsbücher von Airbus seien gefüllt gewesen. Die Krise habe das Wachstum aber abrupt zum Stillstand gebracht. Daher seien in den nächsten Monaten landesweit in der Branche 100.000 Arbeitsplätze in Gefahr, wenn man jetzt nicht handele.

Die Hilfen für die Luftfahrt sind mit Plänen für emissionsärmere Flugzeuge verbunden. 1,5 Milliarden Euro sollen in den kommenden drei Jahren für die Forschung und Entwicklung umweltfreundlicher Technologien investiert werden. Ziel sei ein CO2-neutraler Jet bis 2035. Man werde die nächsten Generationen von Verkehrsflugzeugen, Hubschraubern und Geschäftsflugzeugen entwickeln, sagte Le Maire. Sie seien mit neuen Antriebssystemen ausgestattet und würden weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen.

Airbus-Chef Faury begrüßte den Milliarden-Plan. „Dies ist ein wichtiger Meilenstein sowohl für unser Geschäft mit Verkehrsflugzeugen als auch für unsere Verteidigungsgeschäfte, die die nationale Souveränität schützen.“ Die Umweltschutzorganisation Greenpeace äußerte dagegen scharfe Kritik an der Unterstützung: „Das sauberste Flugzeug ist eines, das nicht fliegt.“