Hamburg. Gut laufen die Geschäfte in der Corona-Krise trotz der Lockerungen nicht. Besonders in der Industrie ist die Lage schwierig.

In der Corona-Krise schnellen die Anzeigen für Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit nach oben. Bis Ende April hatten 19.235 Betriebe in Hamburg die staatliche Entgeltzahlung beantragt. Für bis zu 272.900 Beschäftigte war dieses Instrument eingeplant. Das sind fast 27 Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer. Zum Vergleich: Während der Finanzkrise waren es im Spitzenmonat Februar 2010 nur 1219 Betriebe mit 13.514 Mitarbeitern.

Nach den harten Einschränkungen des öffentlichen Lebens Mitte März gab es in den vergangenen Wochen aber immer mehr Lockerungen. Der Einzelhandel durfte am 20. April meist auf kleinerer Fläche wieder öffnen, später fiel die Begrenzung auf 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Restaurants können seit Mitte Mai wieder aufmachen. Im Tourismus und damit auch in der für Hamburg wichtigen Luftfahrt sollen Reisebeschränkungen ab Juni abgebaut werden.

Das Abendblatt startete vor diesem Hintergrund eine Umfrage bei großen Hamburger Firmen: Seit wann gibt es Kurzarbeit? Wird das Kurzarbeitergeld von 60 beziehungsweise 67 Prozent (wenn Kinder im Haushalt leben) des Nettogehalts vom Arbeitgeber freiwillig aufgestockt? Gibt es positive Anzeichen, dass das Geschäft wieder anzieht? Die Lage der Unternehmen im Detail:


Fielmann:
Ende März hat die Hamburger Optikerkette Kurzarbeit beantragt. Im April waren deutschlandweit 12.000 der 13.000 Mitarbeiter in den Niederlassungen in Kurzarbeit. „Im Mai ist die Zahl aufgrund der Lockerungen und damit Aufnahme der normalen Öffnungszeiten wieder deutlich zurückgegangen“, sagte Sprecherin Ulrike Abratis. Fielmann stocke das Kurzarbeitergeld für alle Beschäftigten auf 100 Prozent auf. Das Geschäft ziehe nun wieder an. Allerdings seien wegen der Hygienestandards wie Mindestabstand weniger Kunden im Geschäft als früher. Wie lange die Kurzarbeit andauere, hänge von der weiteren Entwicklung ab.


Thalia:
Die Buchhandelskette meldete für April und Mai Kurzarbeit an und zahlte den Mitarbeitern bis zu 100 Prozent ihres letzten Gehalts. Die Menschen kämen nun aber verstärkt zurück in die Einkaufsstraßen und auch in die neun Hamburger Filialen, um zum Beispiel vorbestellte Bücher abzuholen. Der positive Effekt: „Ab dem 1. Juni können wir für alle Mitarbeiter in Hamburg die Kurzarbeit beenden“, sagte Sprecherin Claudia Bachhausen-Dewart.


Otto:
Bei der Otto Group mit seinen insgesamt mehr als 50.000 Beschäftigten spielte und spielt Kurzarbeit keine große Rolle. Man habe diese nur für eine „geringe Zahl“ an Beschäftigten angemeldet, sagte Otto-Chef Alexander Birken. Er sprach von einem niedrigen einstelligen Prozentbereich der Gesamtbelegschaft.


Haspa:
Deutschlands größte Sparkasse führte am 20. April für einen Teil der knapp 5000 Mitarbeiter Kurzarbeit ein. Ausgenommen waren Firmenkundenberater, da in diesem Bereich ein hoher Unterstützungsbedarf bei der Beantragung von Fördermitteln vorhanden war. Aktuell arbeiten etwa 14 Prozent der Personalkapazität kurz, sie reduzieren die Arbeitszeit um zehn bis 30 Prozent. Die tarifgebundenen Beschäftigten erhalten dennoch 100 Prozent ihres Lohnes, außertarifliche 90 Prozent. „Inzwischen steigt das Bedürfnis nach persönlicher Beratung in den Filialen wieder spürbar an“, sagte Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg und nennt als Beispiele Wertpapieranlagen und Immobilienfinanzierungen. Deshalb würden die Öffnungszeiten der Filialen nach und nach ausgeweitet. Die Kurzarbeit werde tendenziell zurückgefahren.

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Block Gruppe:
Das Familienunternehmen von Eugen Block mit den Restaurants Block House und Jim Block sowie dem Hotel Grand Elysée beantragte zum 1. März Kurzarbeit. Etwa 80 Prozent der 1500 Mitarbeiter in Hamburg sind davon betroffen, das Unternehmen stockt das Gehalt auf 100 Prozent auf. Während das Geschäft mit Block-House-Produkten im Lebensmittelhandel weitergelaufen sei, seien Restaurants und Hotellerie massiv von den Schließungen betroffen gewesen. Seit Mitte Mai arbeiten die Mitarbeiter im Schnitt wieder 50 Prozent, Tendenz steigend. Der Re-Start der Gastronomie ist für Stephan von Bülow, den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Block Gruppe, jedoch mit einem „kleinen Wermutstropfen“ verbunden. Man gebe alles, dass die Gäste den Besuch in den Restaurants mit einem guten und sicheren Gefühl genießen können, sagte von Bülow, aber: „Das Ausgeh- und Reiseverhalten der Gäste ist sehr zurückhaltend. Die Auswirkungen der Pandemie treffen die Gastronomiebranche und Hotellerie nach wie vor besonders hart.“ Wie lange die Kurzarbeit noch anhalte, hänge von der Umsatzentwicklung in den nächsten Monaten ab.


Stacklies:
Der Hamburger Gastronom Jens Stacklies betreibt beispielsweise die Fischauktionshalle, die Privatbrauerei Gröninger und einen Cateringservice. Kurzarbeit gibt es bei den 220 Mitarbeitern seit Mitte März. Nicht betroffen sind nur die Finanzbuchhaltung und die Personalabteilung. 96,5 Prozent der Beschäftigten mache Kurzarbeit, teilte das Unternehmen mit. Man sei leider nicht dazu in der Lage, das Kurzarbeitergeld aufzustocken. Während des Lockdowns war die Arbeitszeit von drei Vierteln der Beschäftigten auf null gesetzt. Ein Außer-Haus-Verkauf sei wirtschaftlich nicht machbar gewesen. Seit der Öffnung der Restaurants arbeiten sie immerhin 25 bis 50 Prozent ihres normalen Pensums. Allerdings laufe das Geschäft auch seit der Wiedereröffnung „eher verhalten“. Im besten Fall erreiche man 30 Prozent der vorherigen Umsätze. Veranstaltungen in der Fischauktionshalle fallen lange weg. Solange „Geburtstage oder Hochzeiten nicht gesellig gefeiert werden dürfen, sind die Aussichten für uns düster“, hieß es. Bis Ende des dritten Quartals würden die Beschäftigten wohl weiterhin nur die Hälfte der regulären Arbeitszeit absolvieren. Für das Schlussquartal hofft man auf einen starken Endspurt – und eine Arbeitszeitquote von 75 bis 100 Prozent.


Jungheinrich:
Beim Hamburger Gabelstaplerbauer steht das Thema Kurzarbeit seit Mitte März auf der Agenda. Betroffen sind derzeit Innendiensttätigkeiten. In der Konzernzentrale in Wandsbek würden zumindest 80 Prozent der regulären Arbeitszeit verbleiben. Wie viele Mitarbeiter betroffen seien, ändere sich von Woche zu Woche und sei von Standort zu Standort unterschiedlich. Der Lohn werde auf bis zu 88 Prozent aufgestockt. In der Produktion gibt es keine Kurzarbeit – das war aber schon anders. Im Werk in Moosburg gab es Lieferketten-Probleme, sodass die Fertigung unterbrochen wurde. „Nach gut einer Woche haben wir unmittelbar nach Ostern die Produktion wieder aufgenommen und somit die Kurzarbeit zurückgefahren“, sagte Sprecher Martin Wielgus. Man stelle sich auf eine lange andauernde Krise ein. Wie lange die Kurzarbeit anhalten werde, sei zum derzeitigen Zeitpunkt nicht absehbar.

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Still:
Der Jungheinrich-Konkurrent führte im April Kurzarbeit ein, und zwar auch für alle Produktionsmitarbeiter. Dafür entscheidend waren Engpässe in der Materialversorgung, die nun behoben sind, und anschließend Auftragsrückgänge. In Hamburg wurde für rund 2600 Mitarbeiter – das entspricht etwa 95 Prozent der Belegschaft vor Ort – Kurzarbeit angemeldet. Ein Teil von ihnen baut zunächst freie Tage und Zeitguthaben ab. Bei etwa drei Fünftel der Beschäftigten greift das Instrument Kurzarbeit, sie reduzieren ihre Arbeitszeit um bis zu 50 Prozent. Der Mutterkonzern Kion erhöht das Entgelt auf 80 beziehungsweise 87 Prozent (mit Kindern). Wie lange die Kurzarbeit anhalte, sei offen. „Verlässliche Prognosen für das Gesamtjahr werden erst dann wieder möglich sein, wenn sich die gesamtwirtschaftliche Situation einschließlich der Lieferketten wieder stabilisiert hat“, so eine Sprecherin: „Wir alle wissen: Das wird noch etwas dauern.“

Einer der wenigen Auslandsflüge in Hamburg: ein Jet von KLM.
Einer der wenigen Auslandsflüge in Hamburg: ein Jet von KLM. © Michael Rauhe


Flughafen:
Mit der Corona-Krise brach der Flugverkehr weltweit nahezu zusammen. Die Passagierzahlen in Fuhlsbüttel sind um 99 Prozent zurückgegangen. Das Unternehmen meldete Ende März Kurzarbeit an. Heute nutzen sie fast 80 Prozent der mehr als 2000 Beschäftigten in der Hamburg Airport Gruppe. Ihre Arbeitszeit schwanke zwischen null und 100 Prozent. Sicherheitsrelevante Funktionen wie zum Beispiel die Feuerwehr sind voll im Einsatz, denn der Flughafen ist weiterhin geöffnet. Allen Mitarbeitern würden 90 Prozent des durchschnittlichen Nettogehalts der letzten drei Monate garantiert. Über die von der Politik angekündigten Lockerungen bei Reisen freue man sich ebenso wie über die Ankündigungen der Airlines, ab Juni und im Sommer wieder mehr Verbindungen anbieten zu wollen. Ein Ende der Kurzarbeit sei derzeit nicht absehbar, sagte Airport-Sprecherin Janet Niemeyer: „Wir beobachten den Markt Tag für Tag, um stets rechtzeitig zu reagieren.“


Airbus:
Auch der Flugzeugbauer ist von der Luftfahrtkrise hart getroffen. Auslieferungen neuer Jets gehen massiv zurück. Auch weil den Airlines wegen der wegbrechenden Ticketeinnahmen Geld fehlt, um neue Maschinen zu bezahlen. Die Produktionsraten in allen Programmen wurden um ein Drittel gekürzt. Seit Anfang April gibt es in ersten Bereichen Kurzarbeit, nun seien fast alle Abteilungen betroffen. Bei Hamburgs größtem Arbeitgeber machen mehr als die Hälfte der rund 15.000 Beschäftigten Kurzarbeit, Airbus stockt das Entgelt auf 80 beziehungsweise 87 Prozent auf. Ein Ende der Maßnahme ist derzeit nicht absehbar. Ein positives Zeichen gebe es, so Sprecher Daniel Werdung: „Wir haben Kunden, die ihre Auslieferungen jetzt gerne vorziehen würden, um mit modernen, ökoeffizienten Flugzeugen gestärkt aus der Krise hervorzugehen.“


Lufthansa Technik:
Bei dem Wartungs-, Reparatur- und Überholungsbetrieb für Flugzeuge brachen mit dem weitgehenden Stillstand der Luftfahrt die Aufträge weg. Seit Mitte April gibt es in Deutschland Kurzarbeit, die absolvierte Arbeitszeit liegt zwischen null und 100 Prozent. In Hamburg betrifft sie etwa 7500 der 8800 Mitarbeiter aus fast allen Bereichen – Ausnahme mit Vollauslastung ist lediglich das Segment VIP & Special Mission Aircraft, in dem Flugzeuge wie der neue Kanzlerjet A350 ausgerüstet werden. Das Gehalt wird derzeit auf 90 Prozent aufgestockt. Die Kurzarbeit werde aber noch mehrere Monate dauern, sagte Sprecher Wolfgang Reinert.


Diehl:
Der Flugzeugzulieferer leidet auch unter einem drastischen Rückgang der Nachfrage. Seit Mai gibt es Kurzarbeit, das Entgelt wird auf 80 Prozent aufgestockt. Konkreteres zum Standort Hamburg gab es nicht. Eine nachhaltige Erholung der Luftfahrt könnte sich über mehrere Jahre erstrecken, verweist Sprecher David Voskuhl auf Brancheneinschätzungen: „Die Kurzarbeit wird uns noch einige Monate begleiten.“

Und was sagt die Agentur für Arbeit dazu? Sie will am morgigen Mittwoch die Mai-Zahlen bekanntgeben. Mit einem weiteren Anstieg ist zu rechnen. Am stärksten betroffen sind bisher die Gas­tronomie mit 13,4 Prozent aller gemeldeten Firmen, der Einzelhandel (11,9 Prozent) und das Gesundheitswesen (8,3 Prozent) wie etwa Praxen von Ärzten oder Krankengymnasten. Vollkommen offen ist noch, wie viele Beschäftigte tatsächlich in Kurzarbeit sind. Der Grund: Die Firmen zeigen Kurzarbeit pauschal für alle Mitarbeiter an. So können sie das Personal flexibel je nach Bedarf einsetzen. Im Anschluss haben sie bis zu drei Monate Zeit, ihre Unterlagen einzureichen. Mitarbeit: ode, v.m., hs

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden