Hamburg. Hamburger Chemiehändler schreibt Verlust. Der neue Chef, Stephan Schnabel, setzt auf eine Wachstumsstrategie.
Es ist keine einfache Zeit, in der Stephan Schnabel auf dem Sessel des Vorstandsvorsitzenden Platz genommen hat. Seit zwei Monaten trägt der 45-Jährige nun die Hauptverantwortung für die Entwicklung der Hamburger Helm AG. Mitten in der Corona-Krise übernahm er die Geschäfte von seinem langjährigen Vorgänger, Hans-Christian Sievers. Es war ein mehr als ungewöhnlicher Start. Quasi alle Beschäftigten waren Anfang April noch im Homeoffice.
Ein Sektumtrunk? Eine persönliche Ansprache vor der Belegschaft? Beides nicht möglich. Sievers’ Abschied und Schnabels Einstieg – beides musste digital stattfinden. „Trotz der schwierigen Umstände ist das alles gut gelaufen“, sagt der neue Vorstandsvorsitzende im Rückblick. Und er weist gerne darauf hin, dass sein Unternehmen bisher ohne Kurzarbeit durch die Krise gekommen ist. Das sei das „Selbstverständnis des Hamburger Familienunternehmens“.
Das Vorsteuerergebnis drehte ins Minus
Wenn Schnabel von Krise redet, dann meint er nicht nur Corona. Bereits im vergangenen Jahr litt der weltweit größte konzernunabhängige Chemiehändler unter einem kräftigen Rückgang der Margen. Während der Außenumsatz 2019 nur geringfügig um zwei Prozent auf gut fünf Milliarden Euro fiel, musste das Hamburger Unternehmen mit seinen fast 1700 Beschäftigten sogar einen Verlust ausweisen. Das Vorsteuerergebnis (Ebitda) sackte um 127 Prozent auf minus 29,8 Millionen Euro. 2018 stand hier noch ein Plus von 112,3 Millionen Euro.
Und nach Steuern wurde 2019 ein Fehlbetrag von 66,8 Millionen Euro angehäuft. Schnabel begründet den Großteil des Verlustes mit der Abschreibung auf eine Anlage in Trinidad und Tobago. Aber auch fallende Chemikalienpreise durch die bereits im vergangenen Jahr schwächelnde Weltkonjunktur machten den Hamburgern zu schaffen. „Der Wind bläst kräftig von vorne“, sagt Schnabel. „Aber als Hamburger kann ich mit Wind gut umgehen.“
Wind und Wetter sind wichtig für das Geschäft
Wind und Wetter spielen auch bei den zwei wichtigen Geschäftsfeldern Pflanzenschutz und Düngemittel für die Hem AG eine wichtige Rolle. Schnabel stellt unumwunden fest: „Unser Unternehmen leidet hier unter dem Klimawandel.“ Die dramatischen Überschwemmungen in den USA sorgten für eine geringere Nachfrage nach Dünger und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Und auch die extreme Trockenheit – vor allem auf dem großen Absatzmarkt Brasilien – erschwert das Geschäft. Denn bei hohen Temperaturen und geringer Feuchtigkeit wachsen kaum Pilze, so- dass weniger Pflanzenschutzmittel benötigt werden.
Freude bereitet den Hamburgern dagegen ihr viertes Geschäftsfeld, die Pharmasparte. Insgesamt sieben neue Generika (Nachahmer-Präparate) brachte das Unternehmen mit Hauptsitz in Hammerbrook 2019 erfolgreich auf den Markt, darunter ein Medikament für Patienten mit schwerer Osteoporose. Allein 42 Millionen Euro wurden in die Entwicklung dieses Arzneimittels investiert. Nach der Einführung in Europa soll es noch in diesem Jahr auch in Japan und Korea auf den Markt kommen. Doch damit nicht genug. Die Pharmazie-Sparte, deren Umsatz bereits im vergangenen Jahr um fast zwölf Prozent zugelegt hat, soll weiter wachsen. Schnabel spricht von einer „gut gefüllten Entwicklungspipeline“. Allein vier Medikamente gegen Atemwegserkrankungen befinden sich in der Forschung.
Das ist die Helm AG
- Die Helm AG ist der größte konzernunabhängige Chemikalienhändler der Welt. Das Unternehmen sitzt in der City Süd, beschäftigt mehr als 1600 Mitarbeiter und ist in den Bereichen Chemie, Pflanzenschutz, Pharma und Düngemittel aktiv.
- Der Umsatz betrug 2018 rund 8,3 Milliarden Euro. Gegründet wurde das Vorgängerunternehmen bereits 1900 von Karl O. Helm. Die Grundlagen für das heutige Unternehmen legte aber 1950 Hermann Schnabel.
Für das laufende Jahr tut sich Schnabel derweil schwer mit einer konkreten Prognose. Dafür seien die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Weltwirtschaft und das eigene Geschäft noch nicht abzuschätzen. „Schwarz wird 2020 aber nicht“, stimmt der neue Vorstandschef Belegschaft und Öffentlichkeit auf ein weiteres Verlustjahr ein. Dennoch gibt er sich kämpferisch. „Wir werden da durchkommen“, sagt der Miteigentümer des Familienunternehmens. 40 Prozent der Anteile sind in seinem Besitz. 60 Prozent hält Vater Dieter, der das Unternehmen selbst über einen langen Zeitraum operativ lenkte und heute dem Aufsichtsrat vorsteht.
Vater und Sohn treffen sich regelmäßig
Mit Details zu seiner Zukunftsstrategie hält sich Stephan Schnabel zurück. Das liegt sicherlich nicht daran, dass er erst seit Anfang April die Geschäfte als Vorstandschef verantwortet. Schließlich kennt er das Unternehmen, das sein Großvater einst groß gemacht hat, ganz genau. Schon im Alter von 15 Jahren hatte er als Schüler Waren im Lager sortiert, arbeitete später quasi in allen Geschäftsbereichen und saß zudem knapp acht Jahre lang im Vorstand an der Seite von Hans-Christian Sievers. Der neue Chef will seine konkreten Ideen zunächst dem Aufsichtsrat präsentieren. Klar ist aber, dass Stephan Schnabel auf Wachstum setzt. „Mir würde es große Freude machen, das Geschäft weiter auszubauen“, sagt er. „Und zwar im Zusammenspiel mit meinem Vater“. Dabei schätzt der Junior, dass sich der Senior nicht in die tägliche Arbeit einmischt, sondern „mir mit Rat und Tat zur Seite steht“. Beide treffen sich regelmäßig, besprechen die wichtigsten Themen, aber entscheiden soll am Ende Stephan als neuer Chef.
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Aktuell geht es für die Schnabels vor allem darum, nach der Hochphase der Pandemie Normalität ins Unternehmen zurückkehren zu lassen. Acht Wochen lang haben fast alle der mehr als 600 Beschäftigten in der Hamburger Hauptverwaltung von zu Hause aus gearbeitet. Mittlerweile kommen sie wieder in zwei Gruppen in ihre Büros. Eine Woche arbeitet Team A in den beiden markanten weißen Hochhäusern in der City Süd, während Team B Homeoffice macht; in der Woche darauf läuft es umgekehrt. So können die Abstände in den Büros gut eingehalten werden, und das Risiko von Infektionen wird minimiert. Bleibt nun die Hoffnung, dass es keine zweite Corona-Welle gibt. Denn Stephan Schnabels Ziel ist klar: „Wir wollen gestärkt aus der Krise kommen.“